Hexenjagd in Yale
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Der italienische Regisseur Luca Guadagnino hat sich in den letzten Jahren immer weiter von seinen Arthouse-Wurzeln entfernt und dreht seit geraumer Zeit einen Film nach dem nächsten in Hollywood. Der Rhythmus, in dem er neue Werke ins Kino bringt, ist beeindruckend, erst letztes Jahr stellt er Queer vor, im selben Jahr Challengers. Mit After the Hunt widmet sich der Regisseur einer völlig anderen Geschichte, die im US-amerikanischen Universitätsmilieu angesiedelt ist und hochaktuelle Streitthemen verhandelt. Julia Roberts spielt darin die Professorin Alma Imhoff, die in Yale unterrichtet und auf eine baldige Festanstellung hofft. Ihr einziger Konkurrent in diesem Rennen heißt Hank, ist nochmal ein Stück jünger und zu allem Übel sind die beiden befreundet. Dieses Verhältnis wird aber zutiefst verstört, als eines Abends die Studentin Maggie vor Almas Tür steht. Sie berichtet von sexuellen Übergriffen seitens Hank, spart jedoch mit Details und überlässt vieles Almas Interpretation. Die findet sich plötzlich zwischen zwei Fronten wieder. Zum einen möchte sie Maggies Erzählungen unbedingt glauben – ganz nach der Devise, das Opfer ernst zu nehmen – zum anderen erfährt sie von Hank, dass dieser ein mögliches Plagiat von Maggie in ihrer Dissertation entdeckt habe, und die Geschichte vom sexuellen Missbrauch ein gutes Mittel wäre, um ihn zum Schweigen zu bringen.
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Nach etwa einer halben Stunde sind alle Spielfiguren in Position gebracht. Von nun an schiebt das Drehbuch sie bedacht hin und her, zeigt die manipulativen Versuche, die Gunst der anderen zu erlangen, und spricht dabei wichtige Themen an. Neben der Frage, ob dem Opfer uneingeschränkt Glauben geschenkt wird, ist vor allem die Figur Maggie spannend. Als junge, schwarze Frau, die einen sexuellen Missbrauch erlebt hat, geht es ihr überraschend schnell gar nicht mehr nur um die Bestrafung ihres Täters. Sie scheint sich selbst zum Spielball von einer noch viel größeren, linken Debatte zu machen, und der Übergriff selbst verkommt mehr und mehr zur Randnotiz. Eine solche Erzählung droht, schnell in die falsche Richtung zu verlaufen und eine Figur wie Maggie zur intriganten Hexe zu stilisieren.
Guadagnino zeigt hier den großen Kampf der Generationen.
Doch das Drehbuch umgeht diesen Fallstrick, in dem es Maggie als Charakter tief genug zeichnet, um sie nachvollziehbar zu gestalten. Dem entgegen stellt die Geschichte Alma und Hank, die allein durch ihr Alter konservativere Positionen einnehmen, wobei vor allem jene von Alma mehrmals auf die Probe gestellt werden. Guadagnino zeigt hier den großen Kampf der Generationen. Dem Film gelingt es, sich auf keine Seite zu schlagen, sondern überraschend nüchtern von außen draufzuschauen. Wir als Publikum können uns gleich verhalten – oder, vermutlich je nach Generation, der wir angehören, die eine oder andere Position unterstützen. Leicht wird es aber keiner Figur gemacht, und siegreich geht niemand wirklich hervor.
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Die Hexenjagd, in die ein oder andere Richtung, wird getragen von starken Schauspielleistungen. Allen voran Julia Roberts, die das Kunststück vollbringt, eine manchmal kalt und abweisend wirkende Figur dennoch nahbar zu spielen. Andrew Garfield als Hank und Ayo Edebiri als Maggie geben ihr Bestes, dieser Performance das Wasser zu reichen.
Fast lustlos filmt er das Geschehen ab und setzt nur selten inszenatorische Akzente.
Da fällt leider umso mehr auf, dass ausgerechnet die Regie von Guadagnino erstaunlich lasch daherkommt. Fast lustlos filmt er das Geschehen ab und setzt nur selten inszenatorische Akzente, etwa durch plötzliche Einstellungen aus der Egoperspektive, die aber angesichts der ansonsten konservativen filmischen Gestaltung etwas deplatziert wirken. Wirklich stark ist der Film deshalb nur selten, denn auch das Drehbuch hängt hier und da durch – die Laufzeit von 139 Minuten ist deutlich spürbar. Auch wenn die gut geschriebenen Dialoge die meisten Szenen gut auffangen, fehlt es der Geschichte doch etwas an Biss und Stringenz. Die wenigen Augenblicke, in denen es dann doch knallt, zeigen das umso mehr auf. After the Hunt ist einer dieser Filme, die man besser nicht allein ansehen sollte. Denn jemand zum Diskutieren braucht man im Anschluss auf jeden Fall.
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