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Die SVP-Parteileitung hat keine Weichen für die Klausur gestellt. Achammer bindet die Basis ein, um das klärende Gewitter auf die lange Bank zu schieben. Das Update.
Mahlzeit, SVP
Foto: Pixabay/salto.bz
Selten einmal kam die Weihnachtspost so früh und so umfangreich.
Vor zehn Tagen erreichte die SVP-Ortsobleuteein langer Brief von Landeshauptmann Arno Kompatscher, in dem er seine Bereitschaft für eine Wiederkandidatur bei den Landtagswahlen 2023 ankündigte. Kompatscher geht in dem Schreiben recht offen auf die Konflikte in der Partei ein. Wobei er den Brief vorab SVP-Obmann Philipp Achammer zur Durchsicht gab und dieser um einige Entschärfungen gebeten hatte, die Kompatscher auch zugestanden hat.
Trotzdem hat das Schreiben den ursprünglichen Plan innerhalb der SVP-Führung so nachhaltig durcheinandergebracht, dass man die schon einmal verschobene und für den 17. Dezember angesagt große SVP-Klausurtagung Ende vergangener Woche wieder absagen musste.
Am Sonntagabend wandte sich der SVP-Obmann deshalb mit einem Schreiben an die SVP-Funktionäre. Es war ein Brief an die Ortsobleute in eigener Sache. Philipp Achammer erklärte, warum die seit einem Jahr geplante Klausur schon wieder verschoben werden musste.
Es vergehen keine 24 Stunden, und den SVP-Funktionären flattert schon wieder Post ihrer Obmannes ins Haus.
 

Der Leitfaden

 
Unmittelbar nach der Sitzung der Parteileitung verschickte Philipp Achammer am Montagabend per WhatsApp im SVP-Chat folgende Nachricht an hunderte Adressaten.
 
„Liebe Ortsobfrauen und Ortsobmänner!
Die SVP-Leitung hat heute Abend auf Vorschlag der Parteiführung hin die weitere Vorgehensweise beschlossen: Bis Ende Jänner soll über nun notwendige „inhaltliche Schwerpunkte“ sowie über den vorgelegten „Verhaltenskodex“ diskutiert werden - uns ist wichtig, dass diese Diskussion in erster Linie in den Ortsausschüssen und Parteigremien stattfindet. Dazu werden wir euch in den kommenden Tagen einen Leitfaden zukommen lassen.
Wir sind uns bewusst, dass letzte „Stolpersteine“ noch aus dem Weg zu räumen sind. Dann aber müssen wir wieder mit neuen gemeinsamen Zielen nach vorne blicken - intern hart diskutieren, nach außen aber geeint auftreten.
Es gibt noch einiges zu tun!
Alles Weitere in den kommenden Tagen per Rundschreiben. 
Philipp Achammer
Parteiobmann“

 
 
 
Es ist eine Nachricht, die in Wirklichkeit eine Verlegenheitsdepesche ist. Zur gleichen Zeit diktiert Philipp Achammer nämlich einem Dolomitenreporter „seinen Fahrplan“ in den Block. Am Dienstag präsentiert die Ebner-Zeitung dann die neue Marschroute des SVP-Obmannes. Bis Ende Jänner soll die SVP-Basis über die politischen Inhalten debattieren und beraten. „Die Partei hat das Heft wieder in die Hand genommen und eine Linie vorgegeben“, sagt Achammer den Dolomiten.
Hatte Arno Kompatscher nach seinem Brief das Heft allzu stark in der Hand?
Es stellt sich eine einfache Frage: Hatte Arno Kompatscher nach seinem Brief das Heft allzu stark in der Hand?
 

Kritische Frage


Dabei war die Stimmung auf der Online-Sitzung der Parteileitung am Montagabend deutlich angespannter. Mit dabei auch die SVP-Landtagsfraktion.
Es wurde schnell klar, dass der SVP-Obmann die geplante Klausur auf die lange Bank schieben will. Dagegen sprach sich aber ein Teil der Sitzungsteilnehmer energisch aus.
Philipp Achammer legte in der Sitzung die Tagesordnung für die geplante Klausur vor, in der es um die Genehmigung des neuen Ehrenkodex geht, sowie die „thematische Einbindung der Ortsobleute und der SVP-Mitglieder“. Doch ein Teil der Parteileitung wollte das keinesfalls so absegnen.
 
 
 
Es waren unverdächtige SVP-Funktionäre wie der Leiferer Vizebürgermeister Giovanni Seppi, der Karneider Bürgermeister Albin Kofler oder der Bozner Kammerabgeordnete Dieter Steger, die energisch einforderten, dass die Klausur so schnell wie möglich erfolgen und die Parteizentrale einen präzisen Zeitplan kommunizieren muss. „Die Stimmung an der Basis ist miserabel, und wir müssen jetzt so schnell wie möglich konkret handeln“, fasst eine Redner auf der Sitzung die Situation zusammen. Sowohl die SVP-Obmannstellvertreterin Verena Tröger als auch Landeshauptmann Arno Kompatscher schlossen sich diesem Tenor an. Kompatscher, aber auch andere Mitglieder der Parteileitung verlangten dabei, dass auf der geplanten Veranstaltung nicht nur eine thematische Diskussion erfolgen soll, sondern zu den konkreten Konfliktherden auch Klartext geredet wird. „In der Diskussion um den Ehrenkodex wird das der Fall sein“, sicherte Philipp Achammer dabei zu.
 

Der Schwarze Karl

 
Deutlich ins Schwimmen kam der SVP-Obmann schon zu Beginn der Sitzung, als Arnold Schuler eine einfache Frage stellte. „Hat die Partei Strafanzeige gegen Sven Knoll erstattet?“, wollte der Landesrat von Philipp Achammer wissen. Die Ausführungen des SVP-Obmannes waren hier so schwammig und langatmig, dass jedem klar wurde, dass die SVP-Führung alles tut, um genau das zu verhindern. Hatte sich Achammer in der SAD-Affäre noch als Informantenjäger profiliert, will man in Sachen Parteispenden anscheinend nicht wissen, wer die Dokumente aus der SVP-Buchhaltung an die Südtiroler Freiheit verteilt.
 
 
 
Nicht nur für den SVP-Obmann war das aber der willkommene Anlass, um einen ins Gebet zu nehmen, der längst aus allen Parteifunktionen ausgeschieden ist: Karl Zeller. Seine Aussagen und seine öffentliche Kritik an Philipp Achammer und den Vorgängen rund um die angebliche SVP-Spendenaffäre wurden als einer der Hauptgründe für den derzeitigen Zustand der SVP hochstilisiert. Genüsslich schob man damit den Schwarzen Peter dem nicht anwesenden Karl Zeller zu.
Nach der Sitzung hat Philipp Achammer aber ein konkretes Problem: Die Mehrheit in der Parteileitung hatte der Forderung zugestimmt, die Ortsobleute so schnell wie möglich „über den zeitnahen Termin der Klausur zu informieren“.
Deshalb die Nachricht von Philipp Achammer noch am Montagabend in der WhatsApp-Gruppe.
Eine Nachricht, die nichts und alles sagt. Termin für die Klausur gibt es keinen. Jetzt soll zuerst die Parteibasis ihre Meinung abgeben. Zu jenen Themen, die die SVP-Führung in einem „Leitfaden“ vorgibt.
So haben der SVP-Obmann und seine Hintermänner  und -frauen erst mal Zeit gewonnen. Mindestens bis zum Februar.
Aussitzen nannte man das früher.
Heute nennt man es: Neustart.
 
Update am 13.12.2022, 16:20 Uhr
 

Achammers Gegendarstellung

 
Zum wiederholten Male muss ich die sehr lückenhafte Berichterstattung über die in diesem Falle scheinbaren „Nichtbeschlüsse“ der SVP-Leitung vom 12. Dezember beklagen. Abgesehen davon, dass der Autor Christoph Franceschini entweder über selektive Informanten oder eine selektive Wahrnehmung verfügen muss, stimmen verschiedene Inhalte der Sitzung schlichtweg nicht. Verschwiegen wird etwa auch die Tatsache, dass sich der Unterfertigte gemeinsam mit der Parteiführung einen ausdrücklichen Auftrag der Parteileitung geben ließ, der unrechtmäßigen Weitergabe von parteiinternen Informationen im vorliegenden Fall nachzugehen.
Verwundert bin ich aber auch darüber, dass für gewisse politische Exponenten scheinbar ganz besondere Parameter gelten sollen, für andere weniger. Der Autor beklagt nämlich unter anderem die „fragwürdige Wortwahl“ meinerseits durch die Verwendung des Begriffs „Stolperstein“. Das kritische Nachdenken und Recherchieren meiner eigenen Wortwahl führte nicht nur zum Duden (Zitat Bedeutung 1.: „Schwierigkeit, an der etwas, jemand leicht scheitern kann“), sondern – siehe da – auch zu einem salto-Artikel des Autors Christoph Franceschini selbst vom 20.10.2021 mit dem Titel „Stolpersteine im Ausschuss“ über die Meraner Mehrheitsbildung. Von NS-Gedenksteinen ist dort aber auch nicht die Rede.
In diesem Sinne, lieber Autor: Ich nehme die Anregung gerne an und werde künftig noch präziser über meine Wortwahl nachdenken. Dieselbe Anregung darf ich in diesem Sinne aber auch an Herrn Franceschini zurücksenden!
 
Philipp Achammer, SVP-Obmann
 
Lieber Parteiobmann, (um in ihrem Jargon zu bleiben),
Sie haben gut recherchiert und Recht. Ich habe im Titel eines Artikel dieselbe „fragwürdige Wortwahl“ gebraucht, die ich Ihnen jetzt angekreidet habe (Siehe unten stehenden Kasten). Das ist falsch und mein Fehler. Weil mir derselbe peinliche Fauxpas passiert ist, habe ich nicht das Recht andere dafür zu kritisieren. Asche auf mein Haupt. Ich danke ebenfalls für die Anregung und werden in Zukunft über meine Wortwahl noch präziser nachdenken.
Was aber die angebliche „selektive Wahrnehmung“ betrifft so hätte ich einen Vorschlag. Herr Achammer, wir könnten Ihnen auf Salto eine tägliche oder wöchentliche Rubrik mit dem Titel „Die Gegendarstellung“ anbieten. Das würde doch bestens in jene Kommunikationsstrategie passen, die ihr Freund Sebastian Kurz unter dem inzwischen gängigen Titel „Message Control“ in Österreich zur Perfektion umgesetzt hat.
Dass Ihnen die Parteileitung den Auftrag gegeben hat, dem SVP internen Leck nachzugehen, erfreut mich zu hören. Und ich darf davon ausgehen, dass Sie den oder die Übeltäter so schnell ausfindig machen werden, wie im SAD-Abhörskandal vor neun Monaten, wo wir in den Dolomiten täglich lesen durften, wer die Schurken sind. Damals übrigens - wie ich mich zu erinnern glaube - ohne Auftrag und Beschluss der Parteileitung.
In diesem Sinne darf auch ich die Diagnose der „selektiven Wahrnehmung“ zurücksenden.
 
Christoph Franceschini
 

 

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Elisabeth Garber Mar, 12/13/2022 - 18:45

Na, ich bitte gar schön - es gibt z.B. auch zweierlei "Pflastersteine". Die einen sind an Frusttagen unwiderstehliche Kalorienbomben. Mit der anderen Variante pflastert man Straßen usw. usf....
Ich persönlich sehe in der SVP nicht nur Stolpersteine sondern Abgründe. Weiter mit der Wortklauberei: Nur mit einer Brücke aus Kopf-Steinpflaster könnten diese (Abgründe) überwunden werden. Aber wo sind die Köpfe? Wo bleibt der frische Wind und die Überwindung? Was geht in den Köpfen der "SVP-Basis" vor??? Wie kommt man in den SVP-Chat? (Humor Ende)

Mar, 12/13/2022 - 18:45 Collegamento permanente
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G. P. Mar, 12/13/2022 - 18:57

Ich frage frage mich, ob die Basis, ob die SVP-Mitglieder nicht schon längst den Überblick verloren haben, bei den ganzen Briefen, die zirkulieren. Und bei dem täglichen Zickzack-Kurs von "Du, Philipp".
Ich als Außenstehender unterhalte mich jedenfalls köstlich ...

Mar, 12/13/2022 - 18:57 Collegamento permanente
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M K Mar, 12/13/2022 - 22:37

Köstlich! Und Philipp stolpert mit jeder Gegendarstellung ein Stück weiter ins Verderben. Wir nehmen Sie beim Wort Herr Achhammer und freuen uns, dass Sie uns zeitnah den Maulwurf präsentieren.

Mar, 12/13/2022 - 22:37 Collegamento permanente
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△rtim post Mer, 12/14/2022 - 13:29

Ermüdend.
Strategie und Muster der beiden Männer treten hier offensichtlich nur noch auf die gleiche Stelle. Wobei Achammer einem bei all diesen nun fast schon tagtäglichen An- und Untergriffen leid tun kann. Im Übrigen. Würde und Respekt gilt nicht nur den Toten, sondern auch den Lebenden gegenüber.

Mer, 12/14/2022 - 13:29 Collegamento permanente