Politica | Bozen

Stadtviertelräte: Wie viel Demokratie darf es sein?

Zahnloses Gremium oder wichtiges Instrument für mehr Partizipation und Bürgernähe? In Bozen wird einmal mehr über die Stadtviertelräte diskutiert. Von Einigkeit ist keine Spur, doch klar ist: Etwas muss sich verändern.

Wally Rungger ist überzeugt: „Wenn man sich engagiert und gute Leute um sich hat, kann man in einem Stadtviertelrat einiges bewegen“. Ob lange Samstage oder Konzerte, die Verlängerung von Radwegen oder die Schaffung einer Kinderarzt-Stelle – all das hat die heutige Grüne Gemeinderätin in ihrer zweieinhalbjährigen Zeit als Stadtviertelrats-Präsidentin von Oberau-Haslach durchgesetzt oder angestoßen. Kilian Bedin bekommt als Vizepräsident des Stadtviertelrats Europa-Neustift und einziger deutschsprachiger Ansprechpartner in seinem Viertel laufend Mails oder Anrufe gleichsprachiger MitbürgerInnen, die sich mit konkreten Problemen oder Anliegen an ihn wenden. „Über die Form kann man diskutieren“, sagt der SVP-Vertreter, „aber klar ist, eine Einrichtung, die direkten Kontakt zu den BürgerInnen hält, tut der Stadt sicherlich gut“. Ganz anderer Meinung ist da sein Parteikollege Florian Schmid:  „Ich war Stadtviertelrat und bin jetzt Gemeinderat“, sagt der Grieser SVP-Vertreter, „und in Sachen Bürgernähe gibt es keinen Unterschied“. Die würde darüber hinaus mittlerweile auch von den Stadtviertelpolizisten garantiert. „Wenn wir jetzt schon den Gemeinderat von über 60 um zwölf Mitglieder reduzieren, um alles zu verschlanken, brauchen wir nicht zusätzliche 55 Stadtviertelräte, die ohnehin nichts bewirken können’“, glaubt der Winzer und Gemeinderat. Denn: „Von mir aus ist das der Demokratie zu viel.“

Eine Einrichtung, die direkten Kontakt zu den BürgerInnen hält, tut der Stadt sicherlich gut

Das ist nur ein Teil des Spektrums an Meinungen, die zum niederschwelligsten politischen Gremium in der Landeshauptstadt kursieren. Viele davon werden in den kommenden Wochen in der Kommission für Dezentralisierung aufeinanderprallen, wo der zuständige Stadtrat Luigi Gallo Vorschläge zur Verbesserung der mittlerweile bald 20 Jahre alten gesetzlichen Regelung zu den Stadtviertelräten vorbringen will.  Dass es dafür Bedarf gibt, sind sich Fans und Gegner der Stadtviertelräte sogar einig. Die große Frage ist nur wie weit diese reichen sollen.

Eine Abschaffung, wie sie ein im Vorjahr verabschiedetes und später wieder abgeändertes Regionalgesetz in Aussicht stellte, würde von der Mehrheit der SVP-Fraktion im Gemeinderat befürwortet – für Stadtrat Luigi Gallo steht sie jedoch außer Diskussion. Eine Ausweitung der spärlichen Kompetenzen für Parks und Grünanlagen oder der kümmerlichen Budgets, die in einem Stadtviertel mit 32.000 Einwohnern wie Gries-Quirein gerade einmal knapp 30.000 Euro beträgt? In Zeiten knapper Kassen ohne Aussicht auf Erfolg. Zwei der Vorschläge, die Stadtrat Luigi Gallo dagegen einbringen will: einer Verkleinerung der Stadtviertelräte, die derzeit aus elf Mitglieder bestehen, sowie die mögliche Erhöhung der Räte von derzeit fünf auf sechs: „Denn das Stadtviertel Don Bosco ist mit Firmian und Casanova derart groß geworden, dass dort eine Teilung oder auch eine Zusammenlegung mit Europa und Don Bosco überlegt werden könnte“, sagt er.

Einige Stadtviertelräte müssten erst einmal verstehen, dass ihr Gremium keine Tribüne für politische Schlachten ist

Der Tatsache, dass nun im Stadtviertelrat Don Bosco innerhalb einer kurzen Zeitspanne zum vierten Mal eine neue Vorsitzende gewählt werden musste, kommt man allerdings auch mit solchen Maßnahmen nicht bei, ist sich Luigi Gallo sicher. „Dafür müsste einige Stadtviertelräte erst einmal verstehen, dass ihr Gremium keine Tribüne für politische Schlachten ist, sondern es darum geht, praktische kleine Fragen des Viertels zu lösen und Partizipation und ein direkte Verbindung zur Gemeinde zu ermöglichen“, sagt er.

Daran glaubt Florian Schmid jedoch nicht mehr. „Gerade auf italiensicher Seite besteht die wichtigste Rolle der Stadtviertelräte in der Möglichkeit der politischen Profilierung“, glaubt er. Immerhin gelte es dort in Bozen gegen die Konkurrenz von gut einem Dutzend anderer Parteien Sichtbarkeit zu erhalten. Die Stadt im Ganzen bringt dies aber nicht weiter, ist der SVP-Gemeinderat überzeugt. Er favorisiert deshalb eine weitere Alternative: die Abschaffung der Stadtviertelräte und eine Übertragung ihrer Kompetenzen an einzelne Gemeinderäte. Pro Stadtviertel könnten unter ihnen Vertreter beider Sprachgruppen bzw. von Mehrheit und Opposition mit den Aufgaben der Stadtviertelräte delegiert werden – „und einmal im Monat gibt es dann Bürgersprechstunden, bei der die Anliegen direkt vorgebracht werden können“, schlägt Schmid vor. Für ihn wäre der Vertretung der Stadtviertel damit Genüge getan. Denn, wie er meint: „Letztendlich geht es darum, ob nun zwei Bäume in der Michael Pacherstraße gepflanzt werden oder nicht.“