Società | Öffentliches Leben

Bühne einer lebendigen Gesellschaft

Die Notwendigkeit einer belebten Öffentlichkeit für mehr Authentizität, Kultur und ein nachhaltiges Zusammenleben.
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Streetphotgraphy
Foto: Annie Spratt on Unsplash

Durch den Wandel der Zeit und die sich immer verändernden gesellschaftlichen Herausforderungen wie Migration, Digitalisierung und Klimawandel muss sich auch Gesellschaft immer wieder neu definieren und ihre Werte und Zielsetzungen überdenken. Ein reges öffentliches Leben ist dabei von zentraler Bedeutung. Erodiert es, so fehlt nahezu ein Grundpfeiler von Kultur im Allgemeinen und damit auch Demokratie.

Eine Gesellschaft drückt sich vor Allem durch ihr öffentliches Leben aus. Eng verknüpft damit ist die Kulturproduktion und die Nutzung des öffentlichen Raumes. Das städtische Leben und der öffentliche Raum bedingen sich dabei und setzen sich gegenseitig voraus, beides kann man als das bezeichnen was wir Stadt nennen, immer als Wandlungsprozess zu verstehen. Wie der Soziologe Richard Sennet sagte, ist der öffentliche Raum eine Bühne für Beobachter und Akteur, für die Begegnung mit dem Fremden sowie aber auch für eine Sichtbarwerdung von sozialen Missständen und Ausschlussprozessen, wie zum Beispiel die häufig vertriebenen Obdachlosen. In unserer Leistungsgesellschaft ist es schwierig das Leben anzuregen, da ein großer Teil der Bevölkerung den ganzen Tag erwerbstätig ist und die Freizeit meist individuell und zielgerichtet gestaltet wird, anders so beispielsweise in Gesellschaften des globalen Südens, welche uns beim Reisen oft mit ihren lebendigen Städten beeindrucken. Umso wichtiger ist es deshalb, aktiv Orte für Begegnung und Austausch zu schaffen.

Das Ziel ist öffentliche Räume so zu gestalten, dass sie stark frequentiert und bestmöglich genutzt werden. Dabei sollten sie die Identität, Bedürfnisse und Wünsche der Bevölkerung widerspiegeln damit diese möglicherweise auch partizipativ an der „Erzeugung von Öffentlichkeit“ teilnimmt. So kann sich die Bevölkerung besser mit diesem Raum identifizieren. Vor allem öffentliche Plätze und Parks sind solche Orte, welche per se noch keine spezifische Funktion erfüllen, wie beispielsweise öffentliche Bibliotheken, Straßen oder Bahnhöfe usw. Über die öffentlichen Räume drückt sich die Stadt als Ort von Pluralität und Differenz aus, zwischen den Generationen aber auch verschiedener Ethnien. Daher fungieren sie als Schnittpunkt für Inklusion. Bei Jugendlichen, den „digital natives“, ist ihr öffentlicher Raum schon lange das Internet. Zwar mit der ganzen Welt verbunden, leidet dadurch jedoch die Entstehung lokaler Peergroups, welche gemeinsam auf lokaler Ebene aktiv werden können, an Projekten arbeiten oder sich politisch engagieren. Hier wäre eine physische und attraktive ergänzende Alternative zum Internet wichtig.

Am Beispiel des Innsbrucker Landhausplatzes, welcher nach einer Projektausschreibung baulich verändert wurde, kann gesehen werden, wie schnell sich durch ein Konzept das Leben dort verändert hat. Durch das spezielle Design des Platzes, mit rund geschwungenen Betonelementen, welche gepflanzte Bäume umfassen, sieht der Platz nicht nur gut aus, sondern diese fungieren auch als ideale Rampen für Skateboarder. Seitdem herrscht ein reges Leben dort. Fast ständig üben sich hier, auf dem in der Skateszene schon fast weltweit bekannten Platz, viele Jugendliche in ihren Tricks und viele Leute nutzen die Sitzgelegenheiten um ihnen zuzuschauen. Wer einmal dort war, merkt die lebendige Atmosphäre des Platzes und die vielen Menschen, welche hier auch gerne mal verweilen und nicht bloß hindurchhasten.

In Südtirol gibt es bereits sehr lobenswerte und zukunftsweisende Projekte, welche im Stand sind, Menschen unterschiedlichster Herkunft und Generationen zusammenzubringen. Der Ost West Club in Meran ist so ein Kulturzentrum; hier ist der Barbetrieb eher nebensächlich. Vielmehr geht es darum, Raum für Begegnung zu schaffen und dabei ein facettenreiches Programm zu bieten, wie Tanzabende, politische Diskussionsrunden, Kunstprojekte oder Repaircafè. Kultur wird hier auf ganz natürliche und unkommerzielle Weise vermittelt. Das ist deshalb sehr wichtig, weil dadurch ein Ausschluss aufgrund des sozioökonomischen Status verhindert wird und somit zwischenmenschlich verbindet.

Auch der immer weiterentwickelte Jugend-und Kulturtreff „Jump“ in Eppan ist vom einfachen Jugendtreff zum Kulturzentrum geworden. Durch bemerkenswerter Eigeninitiative wurde der Treff mit seinem schön gestalteten „Garten der Begegnung“ zum wahren Kunstprojekt. Neben Upcycling- Workshops oder Repaircafé, werden auch immer wieder Tanzveranstaltungen mit elektronischer Musik abgehalten. Die künstlerische Gestaltung des Innenraumes sowie des Gartens ist dabei eine fast magische Kulisse. Immer häufiger kommen auch Touristen vorbei und staunen über die so untypisch für Südtirol aber sehr authentische Kulturvermittlung.

Für das öffentliche Leben ist Kulturproduktion ein Kernelement. Durch sie werden gesellschaftliche Bedürfnisse, Werte und Identität zum Ausdruck gebracht. Umso wichtiger deshalb die Förderung und das zur Verfügung stellen von Raum, der ja immer auch als Bühne für Kulturschaffende verstanden werden muss. Schließlich ist die Kulturbranche in vielen europäischen Ländern auch als ein großer ökonomischer Mehrwert erkannt worden und wird daher gefördert.

Das kulturelle Erbe einer Bauernkultur in Südtirol ist sehr reichhaltig, schützenswert und identitätsstiftend; für den Tourismus das Aushängeschild schlechthin. Wichtig ist aber, dass gleichzeitig die zeitgenössische Kulturproduktion gefördert wird, anstatt den größten Teil der Mittel für die Denkmalpflege zu reservieren. Sonst könnte unsere Kultur zum Stillstand kommen und bloß noch die Erinnerung an eine romantisierte Bauerngesellschaft bestehen bleiben. Ein großes Problem zeigt sich doch darin, dass sich viele Junge kaum mit Südtirol identifizieren können und deshalb oft nach dem Studium im Ausland bleiben. Um das zu verhindern brauchen kreative und gebildete Menschen ein Fundament, auf dem sie aufbauen können. Wenn sie schon in der Jugend gute Erfahrungen machen, in dem ihre Wünsche und Anliegen vertreten werden, kommen sie auch gerne wieder zurück. Das wäre ein Schritt in Richtung zukunftsfähiger Entwicklung, der neben den vielen sozialen Vorteilen früher oder später auch ökonomisch sehr wichtig wird.

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Walter Kircher Ven, 04/23/2021 - 08:36

... wieder ein sehr schöner Beitrag von Daniel Schatzer!
Dem sind ein großer Tisch und genug Stühle (ohne Eintritt) im ungenutzten Brixener Hofburggarten sehr zu wünschen ...!
Um sich über Ideen, Gedanken zur Zukunftsgestaltung auszutauschen und diese umzusetzen!

Ven, 04/23/2021 - 08:36 Collegamento permanente