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Die Pest hat die Villa neu erfunden

Dienten unsere schönen Häuser für die Sommerfrische zunächst auch als Fluchtort? Ein Gespräch mit Britta Hentschel wie Pandemien und Seuchen die Architektur prägen.
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Foto: Ivan Bocchio

Arrivai ieri a Careggi, non per curare i miei terreni, ma la mia anima

...so beschrieb Cosimo de’ Medici um 1440 seine Beweggründe, eine seiner Villen vor den Toren von Florenz aufzusuchen. Damit legte er einen wichtigen Grundstein für die Villenbegeisterung von Generationen und prägt bis heute unsere Wahrnehmung der Renaissancevilla grundlegend mit.

Das Hybrid der Renaissancevilla aus Schutzort bei Seuchen – die Pest kehrte alle zwanzig Jahre nach Florenz zurück und konnte daher mehrmals zur Lebenserfahrung einer Generation gehören –, Mußeort, Ort landwirtschaftlicher Produktion und sozialer Repräsentation fand erst mit der Medici-Villa in Poggio a Caiano ab 1490 durch Giuliano da Sangallo zu einer vollkommenen architektonischen Durchgestaltung im Sinne der Renaissance.

Und auch Palladios berühmte Villen im Veneto gehen auf eine grossangelegte Kampagne Alvise Cornaros Mitte des 16. Jahrhunderts zurück, das Hinterland Venedigs durch Kanalbauten zu entwässern, um so die gefürchtete Hitze und Feuchtigkeit als Infektionsgefahr für Mensch und Tier aus der Lagune zu vertreiben. Jene Kanalbauten sind es, die den Zugang zu den Villen per Boot von Venedig aus erst ermöglichten. Als wichtigste Handelsstadt und Warendrehscheibe des Mittelmeers war Venedig wie kaum eine andere Stadt von Seuchen und Epidemien betroffen. Allein zwischen 1348 und 1576 wurde es zwanzigmal von der Pest heimgesucht. Der Bedarf an Villen als Fluchtort in Zeiten des Schwarzen Todes war also beträchtlich! (Texte: Britta Hentschel, NZZ, 5.5.2020)

 

 

Am Ufer der Brenta liegt eine der schönsten Villen Andrea Palladios, die Villa Foscari.


Um die Hauptfassade am Fluß zuzuwenden, brach Palladio mit der Tradition und richtete sie nach Norden anstatt nach Süden aus. Diese Villa, «sulla terra ferma» von Venedig ist die Antwort der Renaissance auf die Dichte der Städte. 


Die Villa Cornaro von Andrea Palladio. Obwohl diese Villa an einem Bach liegt, wendet sich ihre Hauptfassade der vorbeiführenden Straße zu. Eine breite Freitreppe führt zur vorderen Loggia hin.


Sommerfrische am Berg. Das Haus Mimi in Bad Dreikirchen (Arch. Lois Welzenbacher), auch die sogenannte Kaffemühle genannt. Die Architektur- und Kunsthistorikerin Britta Hentschel versucht in ihrem Gespräch mit Ivan Bocchio, historisch zwischen einer Villa auf dem Land und den für uns in den Bergen entstandenen Häuser für die Sommerfrische, eine Brücke zu spannen.