Politica | Kritik am BGE-Teil 2

Geld vom Staat: warum bedingungslos?

Die hohe Staatsverschuldung, die Alterung, die fehlende Akzeptanz hoher Migration waren Einwände zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE). Hier drei weitere Einwände.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.

Der erste betrifft die soziale Gerechtigkeit. Jedem Bürger monatlich 1000 Euro zu überweisen, mag auf den ersten Blick verteilungsgerecht zu sein. Doch ist zwischen Bedarfs- und Leistungs-gerechtigkeit zu unterscheiden. Geht man vom heutigen System der Sozialhilfe und Grundsicherung aus, brauchen mindestens zwei Drittel der Haushalte keine solche Unterstützung. Nach Umfragen würden 64% der Erwerbstätigen bei einem BGE im selben Umfang weiterarbeiten wie bisher. Das heißt: sowohl für die Vermögenden, als auch für die im gleichen Umfang Erwerbstätigen wäre das BGE ein willkommenes, aber nicht benötigtes Geschenk vom Staat. „Das BGE ist in diesem Sinn eben nicht egalitär, sondern blind gegenüber den unterschiedlichen Bedürfnissen jedes Einzelnen,“ schreibt Marcel Fratzscher. Chancengerecht ist das BGE auch nicht, weil junge Menschen aus einkommensschwachen Familien mehr Unterstützung benötigen als ein bloßes Grundeinkommen. Doch bekanntlich würden bei der Einführung eines BGE alle übrigen Sozialleistungen gestrichen, weil diese eine amtliche Bedarfsprüfung und damit wieder Bürokratie auf den Plan rufen würden.

Der zweite Einwand betrifft die Bedingungslosigkeit. Heute ist eine aufwändige staatliche Bürokratie am Werk, um Bedarf und Zielgenauigkeit der Sozialleistungen festzustellen. Ein starker Sozialstaat verteilt um, was auf der Steuerseite gar nicht so optimal gelingt. Nun sichert das BGE Geld vom Staat ohne Bedarfsprüfung und Gegenleistung. Das BGE muss aber durch Steuern finanziert werden, die im Wesentlichen aus dem Konsum und Umsatz stammen sollen. Ausreichend Umsatzsteueraufkommen kann nicht generiert werden, wenn die Kaufkraft fehlt, die erarbeitet werden muss. Klar: das BGE will die Menschen vom Lohnarbeitszwang befreien. Doch im Gegenzug zum Grundeinkommen braucht der Staat nicht unbedingt Lohnarbeit verlangen, sehr wohl aber einen „Freiwilligeneinsatz“. Die Gesellschaft hat in sozialen, ökologischen und bürgerschaftlichem Bereich einen gewaltigen Bedarf, gerade in einer alternden Gesellschaft vor der Bewältigung des Klimawandels. Warum sollte eine BGE-Empfängerin dem Gemeinwesen für die Unterstützung nicht etwas zurückgeben?

Der dritte Einwand betrifft den Stellenwert der Arbeit für die Sinnstiftung des Einzelnen. Das BGE solle die Menschen nicht mehr fordern, also dem Erwerbszwang unterwerfen, so seine Befürworter, sondern nur noch fördern. So könne jeder nach seinen Lebensentwürfen leben, existenziell gesichert unabhängig von seinem Lebensmodell. Laut Glücksforschung hängt Zufriedenheit im Leben nur zum geringen Teil vom Einkommen ab. „Genauso wichtig ist es,“ meint Marcel Fratzscher, „Teil der Gemeinschaft zu sein, Anerkennung zu erhalten und Verantwortung zu übernehmen.“ Ein BGE fordert die Menschen nicht mehr monetär, es motiviert aber auch nicht mehr über eine Tätigkeit im gesellschaftlichen Arbeitszusammenhang zu wirken, also über eine Tätigkeit, die vom Markt (vom Verbraucher) oder vom Staat (soziale öffentliche Dienstleistungen aller Art) nachgefragt wird. Überdies wäre der Staat der Verantwortung entbunden, aktiv für eine humanere Gestaltung der Arbeitswelt zu sorgen. Wer keine Erwerbsarbeit akzeptiere, sei ja schließlich versorgt. Es sinken der Leistungszwang und die Zeit für Erwerbsarbeit, aber auch die positive Forderung des Einzelnen durch sinnstiftende Arbeit. Ob das zu mehr Lebenszufriedenheit führt, ist mehr als fraglich.

Weitere Einwände zum BGE würden hier zu weit führen. Wichtig bleibt sein Anstoß zum grundlegenden Überdenken des heutigen Sozial- und Steuerstaats, von Lohnarbeit und Leistungsgesellschaft. Alternative Ansätze für eine Reform sind dabei auch das solidarische Grundeinkommen und der Lebenschancenkredit.