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Bürobauten in Zeiten des Coronavirus

Ein Gespräch mit Peter Pichler über eine mögliche Entwicklung des Bürogebäudes
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Foto: Ivan Bocchio

Hoch hinaus? Bürogebäude als architektonische Herausforderung

Das moderne Bürogebäude ist, wenn nicht mit absoluter Gewissheit, so doch in seiner Fertigung und Art, im Wesentlichen in Chicago entstanden. Unternehmer und Architekten aus New York und anderen Städten trugen einzelne Elemente - Aufzüge, Fenster und mechanische Ausrüstung - bei, aber seine erste Aufführung und weitere Etappen seiner Entwicklung blieben zunächst mit der Stadt am Michigansee verbunden. Diese lokale Kontinuität beruht auf namhaften Architekten und erstreckt sich bis ins 20. Jahrhundert hinein, verhinderte jedoch nicht, dass echte Bürohochhäuser gleichzeitig auch in weiteren Städten der USA auftauchten.


Beim Bürohochhaus nahm der Fortschritt seinen Weg über eine Katastrophe. Im Jahr 1871 wurden weite Teile Chicagos ein Raub der Flammen. Der enorme Aufschwung des Mittleren Westens, der seine Kraft über Land-, Wasser- und Eisenbahnverbindungen aus dem ganzen nordamerikanischen Kontinent zog, erforderte einen Aufbau in Windeseile. Gut zwei Jahrzehnte nach dem Brand feierte Chicago 1893 mit der «World's Columbian Exhibition» seine Wiederauferstehung.


Der damals in Chicago führende Architekt Louis Sullivan legte die räumliche Disposition des Bürogebäudes in seinem Manifest «Das hohe Bürogebäude» (1896) folgendermaßen dar: «[...] die erforderlichen Maschinen im Untergeschoss, Ladengeschäfte oder Banken zu ebener Erde, ein drittes oder Mezzaningeschoss über Treppen erreichbar und großzügig belichtet; darüber so viele Büroräume über so viele Geschosse als nur möglich, im letzten Geschoss drehen sich dann die Aufzüge wieder nach unten, hier sind alle Kessel, Röhren, Ventile und all die mechanischen Et-ceteras untergebracht, welche mit den Maschinen im Keller in Verbindung stehen.» Die Beschreibung erstaunt durch ihre Klarheit, derweil die Stadt Chicago, wo Sullivan seine eigentliche Arena gefunden und Dutzende von bedeutenden Bauten entworfen hatte, in eine Rezession geriet und ihre Führungsrolle in diesem Bausektor an New York abtreten musste.


Stahlrahmenbauten mit maximaler Belichtung und höchster Flexibilität im Innenausbau begannen bald in den US-amerikanischen Geschäftsmetropolen aus dem Boden zu schießen, weil neue Strategien der Vermarktung und Verwaltung nach Arbeitsräumen riefen, in denen Schreibmaschinen und bald auch Telefone die Stahlfeder und die Laufburschen ablösten. Obwohl einzelne Firmen sich Bürogebäude als emblematische Geschäftssitze errichten ließen, war doch meist finanzielle Spekulation mit im Spiel, denn nur in den allerseltensten Fällen nahm ein einziges Unternehmen das ganze Gebäude für sich in Beschlag. Das trifft selbst bei Bauten zu, die bis heute den Namen ihrer Gründungsfirmen tragen wie etwa das Chrysler Building in New York oder später selbst das Seagram Building von Mies van der Rohe in New York. Zudem brachten Ladengeschäfte, Klubs oder Hotels mehr Miete ein als anonyme Stockwerkflächen, so dass selbst Leuchttürme des Unternehmertums wie der «Chicago Tribune Tower» von Anfang an als Investitionsobjekte konzipiert waren. Es fällt somit schwer, an Bürogebäuden spezifische Inhalte und singuläre Charakteristika auszumachen. Die Geschichte des Bautyps, wenn es denn einen solchen jenseits von Finanzierung und Konstruktion gibt, macht klar, dass er seine weltweite Verbreitung in erster Linie diesen Voraussetzungen und einer einmaligen Flexibilität in seiner Nutzung verdankt.


Auch die architektonische Aufgabenstellung, ein Bürohaus zu entwerfen, verspricht zumeist wenig Gestaltungsfreiraum und ist seitens der Auftraggeber tatsächlich an strenge Anforderungen hinsichtlich Funktionalität, Ökonomie und Flexibilität gekoppelt. Dass sich bei der Planung von Bürogebäuden die Aufteilung von Grundausbau und Mieterausbau eingebürgert hat - das heißt, dass man als Planende häufig nur für Struktur, Erschliessungskerne und Fassade beauftragt wird, hingegen selten auch für das Innere der Büroflächen.


In diesem Sinne stellt sich hier die schwierige Frage, ob es beim planen von Büroräumen vor allem um zusätzliche strategische Überlegungen und Schachzüge geht? Beispielsweise das Entwickeln von neuen Grundrisslösungen, bei welchen die optimale Lage von Erschliessungskernen und Stützen in Kombination mit einer Fassadengliederung verschiedene Raumunterteilungen erlauben. Ebenfalls um die Zugänglichkeit der Räume und Nachrüstbarkeit von Medien und um die Möglichkeit, schallschluckende Materialien verwenden zu können. Des weiteren auch Überlegungen zu der optimalen Belichtung der Räume mit Kunstlicht und Tageslicht, letzteres samt dem dazugehörigen Sonnen- und Blendschutz.
Im besten Fall gehört noch das Angebot dazu, neben der mechanischen Lüftung zusätzlich individuell auf natürliche Weise für frische Luft in den Räumen zu sorgen. Gestalterisch bildet dabei die Zusammenfügung aller Disziplinen die größte Herausforderung.


Zudem sind Bürogebäude mehrheitlich Geschäftshäuser und werden zumeist privat entwickelt und finanziert. Nicht selten stehen sie an Lagen mit hohen Bodenpreisen, was den Druck auf die Effizienz der Anlage noch erhöht. Unter dem Aspekt der «guten Adresse» enthüllt sich jedoch eine weitere mögliche Bestimmungsgröße von Bürobauten, die sich nicht nur an der Erreichbarkeit oder eben der Ökonomie orientiert, sondern an einem anderen Kriterium - gemeint ist die Repräsentanz. Für die Zielsetzung der Erkennbarkeit, der zu schaffenden oder zu bestärkenden Identität sind also neben bescheidenen, möglichst ökonomischen Nutzbauten mitunter auch ungewöhnliche Architekturen gefragt, wie man es so in den letzten Jahrzenten beobachten konnte.


Allgemein gültig assoziiert man aber mit Büros und Bürogebäuden keine bahnbrechenden oder inspirierenden Räume und Bauten. Der Grund dafür ist naheliegend, denn mit Büroarbeit verbinden die meisten von uns Alltag. Büroarbeit ist seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den hochentwickelten Regionen der Welt zur hauptsächlichen Beschäftigung eines Großteils der Menschen geworden. Und gerade deshalb, gilt es, sich mit diesem Thema näher auseinanderzusetzen:

- Wie wird das Bürogebäude in der Zukunft aussehen?
- Wie sieht eine attraktive Arbeitsumgebung nach dieser Corona-Krise für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus?
- Werden wir noch Begegnungszonen und Pausenflächen in einem Bürogebäude einplanen?
- Werden wir durch die digitale Vernetzung die Bürotätigkeit zeitlich und räumlich weniger strikt an ein Bürogebäude verbinden?
- Wird der letzte Trend zum «desk-sharing», bei den Arbeitsplätzen nicht mehr fest zugewiesen und nur noch für die Anzahl der durchschnittlich anwesenden Belegschaft vorgehalten werden, noch weiterhin umgesetzt werden?


Das «Office» der Zukunft