Politica | Lehrlingswesen

Sie sollen weiter glänzen

Die Lehre soll attraktiver werden. Die Sozialpartner locken mit mehr Lohn für gute Noten. Und in Rom will man erwirken, dass minderjährige Lehrlinge mehr arbeiten dürfen.

Südtirol ist stolz auf seine Lehrlinge. So lässt etwa Bildungslandesrat Philipp Achammer kaum eine Gelegenheit aus, um die besonderen Leistungen, die Südtirols Lehrlinge regelmäßig bei nationalen und internationalen Wettbewerben einfahren, hervorzustreichen und die duale Ausbildung als “Vorzeigemodell” zu loben. Vor etwas mehr als einem Jahr wurde dann der so genannte Lehrlingspakt geschnürt. Politik und Sozialpartner wollen damit die traditionelle Lehre aufwerten und für Jugendliche ansprechender machen. Denn trotz aller Vorzeigequalität, die das Südtiroler Zwei-Säulen-Modell, das in der Ausbildung Theorie und Praxis verbindet, besitzt, schwindet das Interesse an einer Lehre zunehmend. 90 Prozent der italienweit abgeschlossenen Lehrverträge werden zwar in Südtirol verzeichnet – aktuell sind es hierzulande 3.400. Doch die Zahl der Lehrverträge in der dualen Ausbildung war in den letzten zehn Jahren konstant rückläufig. Während jene der gemeldeten offenen Lehrstellen von 71 im Jahr 2014 auf jeweils 117 in den Jahren 2015 und 2016 gestiegen ist. Das geht aus der kürzlich präsentierten neuen Ausgabe der Arbeitsmarkt-News hervor.


Mehr Lohn für gute Noten

Um dem Mangel an Lehrlingen entgegenzuwirken und die Lehre attraktiver zu machen, sind nun sowohl Politik als auch Wirtschaft und Gewerkschaften aktiv geworden. lvh.apa und CNA-SHV haben gemeinsam mit den Gewerkschaften kürzlich ein neues Abkommen für das Lehrlingswesen im Handwerk unterzeichnet. Ab 1. Juli ist den Handwerker-Lehrlingen das Gehalt gekürzt worden – eine Tatsache, die wohl kaum dazu führen wird, dass sich mehr junge Leute für eine Lehre entscheiden. Um den finanziellen Verlust auszugleichen, sieht das Abkommen, das lvh, SHV und Gewerkschaften am heutigen Donnerstag präsentiert haben, eine Aufwertung der schulischen Leistungen vor. Wer am Ende eines Schuljahres einen Notendurchschnitt von mindestens 7,5 vorweisen kann, hat Anspruch auf eine zehnprozentige Lohnerhöhung im Jahr danach. Die Sozialpartner sind überzeugt: Damit kann dem drohenden Fachkräftemangel langfristig entgegen gewirkt werden. In dem Abkommen sehen sie einen doppelten Nutzen: “Zum einen werden Jugendliche angespornt gute Leistungen zu erbringen, um noch bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhalten, zum anderen ist es ein Zeichen der Wertschätzung für die Ausbildungsleistung der Betriebe, die in junge Fachkräfte investieren und zu 100 Prozent die Ausbildung der Lehrlinge finanzieren.”


Weniger Schutz für mehr Arbeit

Doch auch die Politik ist nicht untätig geblieben. Gestern (13. Juli) war Landesrat Achammer in Rom. Dort sprach er bei Arbeitsminister Giuliano Poletti vor und ersuchte ihn, “alles zu tun, damit das einzige erfolgreiche und funktionierende duale Ausbildungsmodell Italiens auch gestützt und gefördert wird”. Denn römischen Vorgaben bereiten Südtirols Betrieben Bauchschmerzen. So sorgten die sehr strengen Jugendschutzbestimmungen, die in Italien hinsichtlich der Beschäftigung von Minderjährigen gelten, laut Achammer bei Arbeitgebern immer wieder für Schwierigkeiten. Der Landesrat übergab Minister Poletti daher einen Abänderungsvorschlag zur Arbeitsmarktreform (“Jobs Act”), der von der zuständigen Kommission in Rom begutachtet werden soll. Darin vorgesehen: eine Erhöhung der Arbeitszeit für 15-jährige Lehrlinge auf acht Stunden pro Tag und 40 Stunden pro Woche – “so wie dies die entsprechende EU-Richtlinie vorsieht”, sagt Achammer. Laut derzeit geltender Bestimmung dürfen Jugendliche im Alter von 15 Jahren höchstens sieben Stunden täglich und 35 Stunden pro Woche arbeiten. “Dies stellt besonders bei Arbeiten außerhalb des Betriebs – etwa auf Baustellen – eine große Hürde dar, weil die Lehrlinge früher als alle anderen Beschäftigten die Arbeit beenden müssen”, erklärt Achammer. Aus diesem Grund bevorzugten viele Betriebe, Lehrlinge erst dann einzustellen, wenn sie mindestens 16 Jahre alt sind.


Gespaltene Reaktionen

Sein Vorschlag zur Lockerung des Arbeitsschutzes für Minderjährige stößt auf unterschiedliche Reaktionen. Während die Jugendorganisation der SVP (Junge Generation, JG) die Maßnahme begrüßt – “Das ist genau das, was unsere jungen Lehrlinge benötigen, sie wollen arbeiten, um ihren Beruf in der Praxis und nicht nur in der Theorie erlernen zu können”, sagt JG-Landesjugendreferent René Tumler –, warnt die ASGB-Jugend davor. Sie fürchten um die Gesundheit und Sicherheit der Minderjährigen. “Die 35-Stundenwoche und das Verbot der Nachtarbeit sind historisch erkämpfte Regelungen mit dem Zweck, die Jugendlichen ans Arbeitsleben heranzuführen, aber sie dennoch ihrem Alter und ihrer Entwicklung entsprechend vor Überlastung zu schützen. Die Aufweichung des Jugendschutzes wäre ein Kniefall vor Forderungen der Wirtschaftslobby, die bestärkt durch das Nachgeben der Politik immer dreistere Forderungen stellen würde”, meint der Vorsitzende der ASGB-Jugend Alexander Wurzer. Gemeinsam mit dem ASGB-Landessekretär Tony Tschenett appelliert er an die Verantwortlichen der Bildungspolitik: Sie solle sich nicht zum “Spielball der Arbeitgeberverbände” machen. Sollte der Jugendschutz allerdings tatsächlich aufgeweicht werden, so müsse die Politik unbedingt auch bereit sein, “umfassende Sicherheitsinspektionen zum Schutz der Lehrlinge in Südtirol zu garantieren”. “Wir verlangen nichts Unverhältnismäßiges”, kontert Philipp Achammer, der darauf hinweist, dass ähnliche Arbeitsschutzbestimmungen wie jene gestern in Rom vorgebrachte, “heute etwa in Österreich oder Deutschland bereits Realität und Gesetz sind”.

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Salto User
Sepp.Bacher Gio, 07/14/2016 - 18:04

Ich verstehe die Besserentlohnung aufgrund der Schulnoten nicht! Die Lehre ist eine duale Ausbildung. Dabei verbringt der Lehrling weniger als ein Fünftel in der Schule. Warum soll dann nur die Bewertung diesen kleinen Teils für ein Besserentlohnung ausschlaggebend sein. Am Arbeitsplatz sind oft jene besser, die in der Schule keine Streber sind.
Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass ein guter Mittelschüler sich deswegen für die Lehre entscheidet, weil er die theoretische Aussicht hat, im zweiten Lehrjahr eine Aufbesserung zu erhalten!

Gio, 07/14/2016 - 18:04 Collegamento permanente