Cultura | Salto Gespräch

Wir setzen auf Pluralität

Einblicke in das abgrundtiefe Leben eines Sommerloches. Ein exklusives Salto [Return]-Gespräch über ein heißes Phänomen.
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Foto: Salto.bz

Salto Return: Schön dass Sie einem Gespräch zugestimmt haben. Was hat Sie dazu bewegt erstmals mit Ihrer Meinung an die Öffentlichkeit zu gehen?

Sommerloch: Ich beobachte in der lokalen und internationalen Medienlandschaft bedauernswerte Tendenzen. Vor allem in den sozialen Medien werden wir Sommerlöcher vermehrt von unseriösen, mitunter aggressiven User*innen gestopft. Diese neuen übereiligen Meldungen gilt es also auf Relevanz zu prüfen. Das gab es früher in dieser Form nicht. Hinzu kommen mögliche Zeitungsenten und andere Falschmeldungen. Auch sie gilt es zu prüfen und einzuordnen.

Unbedeutende Artikel und Interviews, Zeitungsenten und Fake-News finden doch das ganze Jahr Eingang in die Stunden-, Tages-, und Wochenpresse…

Das mag sein. Hatte ich aber früher Ruhe vor politischer Meinungsmache im Sommer, so ist nun das Gegenteil eingetreten. Viele Politiker*innen, C-Promis oder Influencer*innen posten im Stundentakt Müll-Einträge. Und wo landen diese? Mal bei dem einen, mal bei dem anderen Sommerloch. Ich mache die Arbeit zum Glück nicht allein. Es ist wichtiger denn je, mediale Fehlgriffe zu enttarnen und öffentlich zu machen. 

Wie viele Sommerlöcher gibt es und wie wird man zum Sommerloch?

Nun ja, niemand wird als Sommerloch geboren. Man wird das von Jahr zu Jahr –  im Einklang mit den Jahreszeiten. Jeder von uns hat deshalb auch schon mal als Frühjahrsputz, Herbstfest oder Winterschlaf gearbeitet. Wir sind weltweit an die 20.000 Sommerlöcher. Täglich werden wir mehr. Das Phänomen Sommerloch ist dank der Flut an Meldungen in allen Medien nicht mehr aufzuhalten.

Als Sommerloch sind Sie weder männlich noch weiblich. Was sind Sie?

Da gibt es eine lustige Anekdote die mich sogar direkt nach Südtirol führt. Im ganzen deutschsprachigen Raum nennt man jeden von uns das Sommerloch. Eine lustige Fehlerquote will es aber, dass ich manchmal von deutschsprechenden Muttersprachler-Italiener*innen im Alto Adige/Südtirol als „die Sommerloch“, von Südtiroler*innen ladinischer Zunge fast immer als „der Summerloch“ bezeichnet werde. Aber das passt schon. Ich bin einfach ein Loch, bin Alles und Nichts. Ist doch ok. Oder?

Habe ich richtig verstanden? Sie sagten „im Südtirol“?

Genau. Ich habe ab den 1990er Jahren in der Schweiz als Sommerloch gearbeitet und habe dort gutes Geld verdient. Nun bin ich seit wenigen Jahren wieder zurück. Das „im Südtirol“ ist irgendwie geblieben. Ich arbeite aber daran, diese sprachliche Eigenart aus meiner Schweizer Vergangenheit abzulegen.

Die Thematik Sommerloch beschäftigt die Medienlandschaft nun schon seit vielen Jahrzehnten. Sie hängt eng mit der Geschichte des Tourismus zusammen…

Das kann man so sagen. Ich bin ein „Kind“ jener Zeit, auch wenn ich erst viel später zu dem geworden bin, was ich jetzt beruflich ausübe. Es hat alles damit begonnen, nachdem sich Journalist*innen, Politiker*innen, Beamt*innen, Whistleblower*innen, Presseagenturen in den Sommermonaten eine Auszeit gönnten. In den Print- Radio- und TV-Medien entstand durch die sich überschneidenden Urlaubsplanungen ein inhaltliches (ugs: inhaltloches) Vakuum in vielen Medienprodukten. Diesen Hohlraum taufte man Sommerloch. In ländlichen Gebieten hingegen wird noch heute der vegetarisch tönende Ausdruck Sauregurkenzeit verwendet. Ab dem 18. Jahrhundert bezeichnete man damit jene Zeitspanne, in der es nur wenige Lebensmittel gab. Es herrschte also Futtermangel, wie eben zu Sommerlochzeiten in den Redaktionen heute.

Viele Medienbeobachter*innen wollen die Existenz des Sommerloches partout nicht wahrhaben. Was halten Sie entgegen?

In solchen Fällen erzähle ich stets ein paar Sommerloch-Geschichten aus meiner Vergangenheit. Und die haben sich, im Vergleich zu heute, in den letzten Jahren grundlegend geändert. Mittlerweile werden Sommerlöcher von schmierigen Lobbyist*innen, farblosen Spin-Doctor*innen, schleimigen Karrierefutzis missbraucht. Dementsprechend ist die Liste journalistischer Scharlatanerie lang und wenig beifallswürdig. Zudem gibt es immer mehr Medien, wo das ganze Jahr lang Sommerloch-Zeit ist. Diese Entwicklung ist sehr bedenklich für das gesellschaftspolitische Klima, in den verschiedenen (Be)Einflussgebieten. Das ist ein weites Feld und ich könnte dazu umfangreich erzählen. Als Sommerloch möchte ich die Leser*innen aber nicht mit zu vielen Fakten langweilen.

Was denkt das Sommerloch über den Journalismus der Gegenwart?

Begriffe wie Mediennutten und Lügenpresse sind wieder an der Tagesordnung. Das ist beklagenswert. Ich beobachte zudem in wachsendem Maße, dass unkontrollierbare Verteiler*innen in den sozialen Netzwerken, mit asozialen Berichten, Fotos, Kommentaren zu einer nicht unbedeutenden Gefahr geworden sind.

Es gibt mittlerweile Influencer*innen, die für gutes Geld sogar eine reizende Geschichte über Plastikinseln im Mittelmeer verbreiten würden. Wie kapitalistisch eingelullt ist vermeintlich journalistische Textarbeit im Jahr 2019?

Daran werden wir uns gewöhnen müssen. Südtirols bekanntester Influencer war übrigens der Bergfex und immer wieder ertappte Lügenbaron Luis Trenker (1892-1990). Er hat bis in sein hohes Alter influenct – mit Büchern, Filmen, TV-Sendungen, auf der Straße und im Gasthaus. Trenkers Wissensvermittlung war schelmisch unterhaltend, volksnah und in höchstem Maße scheinheilig. Aber sie fand Zuspruch.
Das zeitnahe Phänomenproblem einiger Influencer*innen möchte ich nicht vertiefen, allerdings anhand zweier lokaler Beispiele die negativen Nebenwirkungen überbezahlter Image-Kampagnen verdeutlichen: Der Fall Pragser Wildsee und der Fall um das Johannes Nepomuk-Kirchlein in Ranui im Villnöß – also im Villnößtal. Diese wenig nachhaltige Kultur an ausgeprägtem Influencismus stimmt uns arme Sommerlöcher doch sehr nachdenklich. Wir können damit leben. Aber wollen wir das?

Derzeit steht die Frage im Raum, ob zu krass gesteuerte Instagram-, Twitter-, oder Facebook-Profile verboten werden sollten, um die Verbreitung von Angsthetzte und Lügenplauderei in den alten wie neuen Medien zu unterbinden. Wie stehen Sie dazu?

Ich bedanke mich für diese Frage, ich hätte das sonst selbst noch angesprochen. Man sollte gefährliche Medienkanäle systematisch nach Hintermännern und Hinterfrauen untersuchen und diesen Verbrecher*innen an der Menschlichkeit schnellstens das Handwerk legen. User*innen sind verstärkt dazu aufgerufen, die Zeilen die sie lesen, zu hinterfragen und wenn notwendig mit fairen Mitteln zu bekämpfen. Es geht darum diesen Wahnsinn an egomanischer Politkultur zu entzaubern. Gemeinsam mit anderen Sommerlöchern erarbeiten wir eine Knigge, also einen Ratgeber, für Leser*innen und Redaktionen.

Haben Sie auch mit anderen Löchern zu tun?

Was soll diese unnötige Frage? Das ist doch klar. Wie langweilig wäre es denn immer nur mit Sommerlöchern um die immer gleich langweiligen Medienhäuser zu ziehen oder sich durch Internetforen zu klicken. Wir Löcher setzen auf Pluralität.

Gab es in Ihrem löchrigen Leben auch Zeiten, wo Sie nicht mehr Sommerloch sein wollten?

Ja natürlich, solche Momente gab es auch. Einmal – ich war persönlich in ein ziemlich tiefes Loch gefallen – bot sich die Gelegenheit mich günstig umschulen zu lassen, zu einem anderen Loch, einem Finanzloch. Ich habe abgelehnt, wohl wissend dass es noch viele andere Löcher gibt. Zwei Jahre habe ich übrigens als Funkloch gearbeitet.

Wie würden Sie Ihr momentanes Verhältnis zu den Funklöchern beschreiben?

Ich persönlich kann sehr gut mit ihnen. Im Umgang sind sie zwar eher schweigsam. Auch wenn sie arbeiten, herrscht vorwiegend Stille. Aber sie erinnern mich eben, an meine ersten Tage als Sommerloch, als man die mediale Sommerloch-Ruhe noch richtig genießen konnte... 
Doch nun genug, Erinnerungen daran würden zu tief ins Sommerloch führen.