Politica | Vinschgau
Wohnbau um welchen Preis?
Foto: Ariel Trettl
Als vergangenes Jahr am 5. Oktober früh morgens die Bagger mit dem Abriss der Drususkaserne in Schlanders begannen, war der Schock in Südtirol groß. Zwar stand bereits zu diesem Zeitpunkt fest, dass auf dem Kasernenareal neben der BASIS neue Wohnungen entstehen sollen, aber, dass es die Gemeinde so eilig damit hat, das überraschte viele.
"Uns ist zu diesem Zeitpunkt bewusst geworden, dass das jetzt durchgezogen wird, und wir eigentlich nicht damit einverstanden sind", erklärt Christiane Pircher von der Initiativgruppe "Raum für morgen". Der Gruppe junger Familien aus Schlanders ist es ein Anliegen nicht nur bei der Erarbeitung des Gemeindeentwicklungsprogrammes dabei zu sein, sondern auch die Neunutzung der Drususkaserne mitzugestalten.
Der 2021 von Architekt Georg Josef Frisch präsentierte Plan der Gemeinde sieht vor, auf dem Gelände des Kasernenareals mit einem privaten Investor 150 neue Wohnungen sowie einige Geschäftseinheiten zu bauen. Bürgermeister Dieter Pinggera scheint fest entschlossen, das Projekt in seiner dritten und letzten Amtszeit in trockene Tücher zu bringen. Das Areal ging 2014 für den geringen Kaufpreis von rund 2 Millionen Euro vom Land an die Gemeinde über.
Nachdem die 2019 aktive BASIS nun ein etabliertes Kultur- und Innovationszentrum im Vinschgau geworden ist, das Pinggera als Bürgermeister bis heute finanziell unterstützt, wuchs der Widerstand für das Bauvorhaben der Gemeinde nicht nur in Schlanders. Obwohl Pinggera rechtlich gesehen nichts falsch gemacht hatte, da vergangenen Herbst noch keine Unterschutzstellung vorlag, stoppte er die Abrissarbeiten auch nach Auslaufen des vorübergehenden sechsmonatigen Denkmalschutzes bis auf Weiteres. Sollte die Landesregierung aus Denkmalschutzgründen das Bauvorhaben ablehnen, droht Pinggera allerdings mit rechtlichen Schritten.
"Hier geht es um bereits genehmigte Baurechte im Wert von 15 bis 20 Millionen Euro. Wir könnten nie akzeptieren, dass die Spielregeln rückwirkend geändert werden", erklärt der Bürgermeister von Schlanders. Die Abrissverfügung wurde bereits beim Kauf des Areals als auch bei der diesbezüglichen Bauleitplanänderung von der Landesregierung abgesegnet.
Die Initiativgruppe "Raum für morgen" begrüßt indessen den einstweiligen Stopp der Abrissarbeiten. "Wir verbringen mit unseren Kindern viel Zeit in der BASIS und wünschen uns, dass dem Areal Zeit gegeben wird, um sich zu entwickeln. Es wäre beispielsweise möglich, in bestehenden Gebäuden kostengünstigere Wohnungen zu ermöglichen. Dafür erarbeiteten Studierende verschiedener Universitäten bereits Entwürfe. Es muss nicht perfekt sein. Denn wenn alles nach Plan umgebaut wird, dann bezweifle ich, dass die Wohnungen besonders für junge Menschen leistbar sein werden."
Dass die Schaffung von Wohraum ohne größere Kosten möglich ist, zeigt die BASIS selbst: Schon heute bietet sie in Maisonette-Wohnungen mit Gemeinschaftsküche für jene einen vorübergehenden Schlafplatz, die dort Projekte umsetzen. Doch diesen Vorschlag hält Pinggera für unrealistisch: "Den Gebäudebestand zu sanieren, würde viel mehr kosten als ein Neubau."
Weiteres Vorgehen
Die Initiativgruppe ist regelmäßig mit Pinggera in Kontakt, um zu erfahren, wie nun vorgegangen und welcher Kompromiss gefunden werden kann. Nachdem der sechsmonatige von Landeskonservatorin Karin Dalla Torre in Eile erteilte Denkmalschutz für das Areal ausgelaufen ist, kam es im Mai zu einer Aussprache zwischen Dalla Torre, der zuständigen Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer und Bürgermeister Dieter Pinggera.
Es wurde bei diesem Treffen diskutiert, bestimmte Teile des Kasernenareals wie die Villa Wielander, das Gebäude der BASIS und Teile der Mauer unter Denkmalschutz zu stellen. "Wird dieser Vorschlag beschlossen, dann kann der ursprüngliche Plan der Gemeinde nicht mehr so umgesetzt werden", erklärt Pircher von der Initiativgruppe. Dieser sähe vor, alles bis auf die BASIS abzureißen, um neue Wohnungen bauen zu können. Derzeit befindet sich die Gemeinde Schlanders noch in Verhandlungen mit der Landesregierung, um die Frage des Denkmalschutzes zu klären. "Ich hoffe, dass wir innerhalb eines Monats zu einem Ergebnis kommen", teilt Pinggera mit.
Im Dunstkreis der BASIS bleibt die Stimmung gedämpft: "Wir haben Sorge, dass die BASIS im Laufe des Bauprojektes ausgehungert wird. Denn das, was dort entsteht, braucht Platz, um für junge Menschen attraktiv zu bleiben und sich weiterzuentwickeln", erklärt Pircher.
Bürgermeister Pinggera zeigt sich nur bedingt gesprächsbereit: Es könne über die Anordnung der Wohngebäude diskutiert werden, um eine bessere Kompabilität zwischen Wohnareal und BASIS zu ermöglichen, aber der Wohnbau in Schlanders und das Entwicklungspotential des Zentrums seien "mindestens gleich wichtig".
Dass Schlanders in Zeiten der Wohnungsnot auf das Wohnbauprojekt angewiesen ist, lässt die Initiativgruppe allerdings nicht gelten: "Es liegen in unserer Gemeinde keine Daten zum Leerstand vor. Deshalb fordern wir, erst den Leerstand zu erheben und zu nutzen, bevor teurer Wohnraum geschaffen wird."
Hannes Götsch, Geschäftsführer der BASIS, ist weiterhin um eine gute Zusammenarbeit zwischen Gemeinde und Innovationszentrum bemüht: “Es geht hier um eine zeitgemäße Quartiersentwicklung, die sowohl dem Bedürfnis nach Wohnraum nachkommt, als auch den Campus-Charakter der BASIS respektiert. Ich bin zuversichtlich, dass das gelingen kann.”
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Die Gemeinde sollte endlich
Die Gemeinde sollte endlich den Planungswettbewerb ausschreiben, für den mit Beschluss des Gemeindeausschusses Nr. 500 vom 27.08.2019 das Studio DeA mit der Koordination beauftragt wurde.
Für eine zukunftsweisende Lösung müsste man nur den Planern in der Wettbewerbsausschreibung die Möglichkeit bieten, gegenenenfalls auch den Bestand zu nutzen, und für die Bewertung der Einreichungen eine kompetente (!) Jury auswählen.