Politica | Landtagswahl 2018

Kumpel Kurz

Die SVP lädt den österreichischen Bundeskanzler zum Wahlkampf nach Bozen. Und mehr als 1.000 Leute kommen, um Sebastian Kurz zu sehen.
Philipp Achammer, Sebastian Kurz, Arno Kompatscher
Foto: Salto.bz

Als Sebastian Kurz die Halle betritt, ertönen die majestätischen Klänge von Coldplay. “Viva La Vida” wird gespielt während der österreichische Bundeskanzler Richtung Bühne schreitet. An seiner linken Seite, Arno Kompatscher. Rechts von ihm, Philipp Achammer. Die drei blicken in entspannte Gesichter, genießen den tosenden Applaus, schütteln viele Hände, grüßen in die Menge.

Ofiziell 1.050 Besucher sind auf die Baustelle in der Bozner Industriezone gekommen, um den Ehrengast zu sehen. Wie ein Popstar waren Sebastian Kurz und sein Besuch von der SVP promotet worden. Wie ein Popstar wird der 32-jährige Bundeskanzler empfangen.

 

Er ist als Freund gekommen. Die Zeiten unterm Edelweiß sind wahrlich nicht rosig. Da tut der Rückenwind, den man sich von Kurz erhofft, gut. Ist der junge Kanzler doch jemand, der dem Zeitgeist entspricht: eloquent im Auftreten, gewandt in der Selbstdarstellung, scharf im Ton – ein Anführer. Der in der Migrationsfrage von einer “Achse Rom-Berlin-Wien” spricht, sich selbst aber “nicht in die rechte Ecke drängen” lassen will, wie Kurz in der letzten SPIEGEL-Ausgabe betont. Im Interview wird auch die Frage nach seinen Wahlkampf-Auftritten in Deutschland aufgeworfen. “Natürlich” unterstütze er die Schwesterparteien CDU und CSU – “wenn es zeitlich möglich und gewollt ist”, meint Kurz. Er mache das ja “auch für die Südtiroler Volkspartei in Italien” und sehe darin “kein Problem”. “Warum wird alles, was ich tue, so aufgebauscht?”, fragt er sich im hart geführten SPIEGEL-Interview.

 

Harte Fragen werden dem Bundeskanzler am frühen Freitag Abend keine gestellt. Dafür ist der Rahmen der falsche. Sebastian Kurz soll der SVP 36 Tage vor den Landtagswahlen etwas von seinem Elan abgeben. Und er weiß, wie er das SVP-Publikum im Rohbau des neuen Betriebsgebäudes von Stahlbau Pichler begeistern kann.
Mit Bauchpinseln: “Wir blicken manchmal neidig, manchmal bewundernd, manchmal lernend nach Südtirol”, sagt Kurz und meint die gute wirtschaftliche Lage, die niedrige Arbeitslosigkeit, die “vorbildhafte Verbindung zwischen Tradition und Moderne”, die er dem Land bekundet. “Südtirol ist ein Bundesland, das sich dank der Autonomie gut entwickelt” habe – und dafür sei die SVP der Garant.
Mit Komplimenten: Als ÖVP-Vorsitzender sei er “froh eine so starke Schwesterpartei zu haben”.
Mit Zusagen, etwa beim Dauerbrenner Doppelpass: “Sobald wir soweit sind, dass wir etwas vorlegen können, werden wir in den Dialog mit Rom treten.”
Mit harten Ansagen: “Die Migrationskrise 2015 ist entstanden, weil Fehlentscheidungen getroffen wurden und mit der Öffnung der Grenzen der Eindruck entstanden ist, jeder kann nach Europa kommen. Jetzt gilt es diese Fehlentscheidungen zu korrigieren.” Sprich, eine “gesamteuropäische Lösung” und ein “Umdenken im Kopf” bei manchem europäischen Regierungschef herbeiführen, “die Außengrenzen schützen”, “Frontex stärken”.

 

Sätze wie diese hört man am Freitag nicht zum ersten Mal von Sebastian Kurz. Und vermutlich nicht zum letzten Mal. Bei den Gästen kommen Kurz’ Worte gut an, immer wieder wird er von Applaus unterbrochen. Auch als er meint, dass am 21. Oktober “eine wichtige Entscheidung nicht nur für euch, sondern eine wichtige Entscheidung auch für uns” anstehe. Die Erklärung, wen er mit “uns” meint, bleibt Kurz schuldig.
Einen Ratschlag, um Wahlen zu gewinnen habe er keinen mit nach Bozen gebracht, sagt der österreichische Bundeskanzler “aber den braucht ihr auch nicht”, schmeichelt er den Edelweiß-Vertretern – um dann doch zwei Punkte anzusprechen, die er für zentral im Wahlkampf hält: Betonen, “was wir anders machen als die anderen”. Nämlich? “Viele Politiker sagen, wogegen sie sind. Wir sagen, wofür wir sind.” Und: “Geschlossenheit.”

 

Die beschwören die anderen beiden Redner an diesem Abend. “Nicht irgendeine Wahl” sei die bevorstehende Landtagswahl für die SVP, mahnt Parteiobmann Philipp Achammer. Nicht nur er weiß: Noch steht in den Sternen, ob seine Partei das Ergebnis von 2013 halten wird – der Traum von der Rückeroberung der Absoluten nach zehn Jahren scheint noch weiter entfernt. “Wir stehen geschlossen hinter dir”, nickt Achammer eifrig Richtung Spitzenkandidat Arno Kompatscher – und schiebt dann nach: “Bis zum 21. Oktober.” Der Landeshauptmann lässt sich nicht anmerken, ob er den Satz des Parteiobmannes als Rückenstärkung oder Drohung versteht. Er spricht vom “Südtiroler Traum”, den die SVP den Menschen im Land zu erfüllen gedenke – und der seit Generationen eigentlich “immer derselbe” sei: “Familiengründung, ein Eigenheim und kulturelle Entfaltungsmöglichkeiten.”

“Wurzeln und Sicherheit”, dafür stehe die SVP und ihre Politik, versichert Kompatscher. Und verabschiedet sich mit (s)einem Blick in die Zukunft: Er sieht die Gewissheit, “es gibt ein starkes Südtirol, geführt von einer starken Volkspartei”.

 

Während Achammer und Kompatscher ihren Wahlkampfauftritt absolvieren, fährt sich Sebastian Kurz auf seinem Zuschauerplatz immer wieder durch die Haare, überprüft, ob die Frisur sitzt, nestelt an seiner Krawatte. Als alles sitzt, stellt er sich am Ende für ein Gruppenfoto zwischen die Landtagskandidaten, lächelt in die Kameras, die ihn umzingeln, beantwortet die eine oder andere Frage.
Als der offizielle Teil des inoffiziellen SVP-Wahlkampfauftaktes beendet ist und die “After Work Party” beginnt, ist er schon wieder abgereist. Als letztes Lied wird ihm ein zweites Mal “Viva La Vida” von Coldplay gespielt. Wie zu Beginn, ohne Text. Der wäre wohl auch alles andere als ein gutes Omen für den Bundeskanzler – und die SVP selbst. Schließlich singen Chris Martin & Co. von einem König, der sein Königreich und seine Macht verloren hat – und sich daran erinnert, wie es war, die Welt zu regieren.