Ambiente | Schutzfrage

Auf der Alm koa Sünd?

Ohne jegliche Lizenz und Genehmigung – ein Motorradspektakel im Landschaftsschutzgebiet Seiser Alm erntet harsche Kritik. Und nicht nur der Bürgermeister erlässt Strafen.
Ski & Race Seiser Alm
Foto: Salto.bz

“Es kann nicht sein, dass so etwas veranstaltet wird – entgegen aller Vorgaben!” AVS-Präsident Georg Simeoni findet klare Worte: Das, was vor zehn Tagen auf der Seiser Alm über die Bühne gegangen ist, war illegal. Bauchschmerzen hat das Mega-Event am 5. Jänner auch beim Kastelruther Bürgermeister Andreas Colli hinterlassen – und ein fragwürdiges Verständnis von Natur- und Landschaftsschutz zutage befördert.

 

Hehres Ziel mit Haken

Groß war die Veranstaltung angekündigt worden. Es sollte ein Spektakel sondergleichen werden, organisiert vom örtlichen Tourismusverband Seiser Alm Marketing und Harley Davidson Bozen, samt tatkräftiger Unterstützung zahlreicher lokaler Helfer.
Mehrere Teams, bestehend aus je einem Ski- und einem Motorradfahrer, sollten sich auf der Skipiste am Puflatsch messen. Unter anderem warben die Veranstalter mit den Weltcup-Skirennläufern Peter Fill und Dominik Paris für das Event. Auch der österreichische Ex-Skirennfahrer Klaus Kröll sagte zu. Ein Teil der Einnahmen sollte für einen guten Zweck gespendet werden. Und so kam es dann auch. Tausende Menschen wohnten dem Ski- und Motorradrennen am ersten Freitag Abend des neuen Jahres auf der Seiser Alm bei. Bis in die frühen Morgenstunden wurde bei der Aftershow-Party gefeiert. Und am Ende kamen 12.000 Euro an Spendengeldern zusammen, die der Kinderkrebshilfe Peter Pan gespendet werden.
Ein gelungenes Event, das durchaus Applaus verdient hätte – wäre da nicht ein großer Haken.

“Ich hatte den Veranstaltern gesagt, Obacht!”, seufzt Andreas Colli. Bereits vor einigen Monaten hat der Bürgermeister von Kastelruth von der Idee erfahren, das “Bike & Ski Night Race” auf der Seiser Alm zu veranstalten. Dafür hätte es eine Genehmigung vonseiten der Abteilung Natur und Landschaft gebraucht – die aber nie ausgestellt wurde. “Ich habe die Organisatoren gewarnt, dass ihr Vorhaben nicht genehmigungsfähig ist und geraten, es anderswo zu machen”, erinnert sich Colli. Anderswo, das wäre “außerhalb des Landschaftsschutzgebietes”, präzisiert der Bürgermeister.
Denn der Austragungsort der Ski- und Motorradshow, die Puflatsch-Piste, liegt inmitten des Landschaftsschutzgebietes und UNESCO-Weltnaturerbes, das die größte Hochalm Europas bekanntlich ist.

 

Ein Nein ist kein Nein?

Der Landschaftsschutz ist dort durch den Landschaftlichen Gebietsplan Seiser Alm geregelt. Im Schutzgebiet ist es verboten, “die Ruhe im Gebiet durch lästige und unnötige Geräusche zu stören”, heißt es in Art. 2 der Durchführungsbestimmungen zum Gebietsplan unter “besondere Verbote”. Laut demselben Artikel ist es ebenfalls verboten, “Tätigkeiten auszuführen, die wegen der Menschenansammlung Lebensräume, die Flora und Fauna beeinträchtigen können”.

Die Genehmigung öffentlicher Veranstaltungen ist grundsätzlich Zuständigkeit der Gemeinde, ebenso wie die Ausstellung einer Lizenz für die Verabreichung von Speisen und Getränken. Doch im Landschaftsschutzgebiet Seiser Alm dürfen öffentliche Veranstaltungen “nur nach Einholen einer Ermächtigung seitens der Abteilung Natur und Landschaft abgehalten werden”. Das besagt der Gebietsplan.
“Nur wenn ich das Ok vom zuständigen Landesamt kriege und mir ein Veranstalter eine Ermächtigung vorlegt, stelle ich die Lizenz für eine solche Veranstaltung aus”, erklärt Bürgermeister Colli im Gespräch mit salto.bz.
Nun hat man in der Landesverwaltung aber nein gesagt. Ein Motorradrennen widerspreche den Zielsetzungen des Gebietsplanes eindeutig, so die Begründung der zuständigen Abteilung, die auch Umweltlandesrat Richard Theiner teilt. Sprich: Vonseiten der Landesverwaltung gab es keine Ermächtigung für das “Bike & Ski Night Race”. Und somit auch keine Lizenz von der Gemeinde. “Nachdem mir die Ermächtigung nicht vorgelegt wurde, habe ich den Veranstaltern gesagt, ich werde euch die Lizenz weder für die Veranstaltung noch für die Verabreichung von Speisen und Getränken geben”, bestätigt Colli.

 

Kritik, Strafen und eine Prinzipfrage

Dass das grölende Rennspektakel am 5. Jänner dennoch am ursprünglich geplanten Austragungsort auf der Seiser Alm stattgefunden hat – vermutlich, weil die örtlichen Veranstalter sich sehr frühzeitig vertraglich verpflichtet haben und aus den Verträgen “nicht mehr herauskamen”, mutmaßt Bürgermeister Colli – sorgt nun für Entsetzen. “Die ganze Veranstaltung, ein klarer Verstoß gegen bestehende Gesetze und Regeln!”, empört man sich beim Alpenschutzverein AVS. “Der umweltverträgliche Tourismus ist selbst im Tourismus-Leitbild der Seiser Alm festgeschrieben”, gibt AVS-Präsident Georg Simeoni zu bedenken. Für “den falschen Weg” hält auch Andreas Colli, “wenn im Landschaftsschutzgebiet solche Veranstaltungen gemacht werden. Nicht zuletzt, weil die gesamte Tätigkeit des Seiser Alm Marketing in eine andere Richtung geht: möglichst unberührte Natur vermitteln. Das ist ohnehin schon schwierig auf der Seiser Alm. Und eine solche Veranstaltung ist für diese Zielsetzung nicht ideal”. Deutlicher wird AVS-Präsident Simeoni: “Massenveranstaltungen, die den Natur- und Landschaftsschutz mit Füßen treten, sind auf der Seiser Alm fehl am Platz. Der mangelnde Respekt gegenüber den Vorgaben des Landschaftsschutzes wirft ein schlechtes Licht auf die Veranstalter.”

Ungesühnt bleibt das Vorgehen der Veranstalter beim “Bike & Ski Night Race” nicht. Dafür, dass ma sich über Schutzbestimmungen und amtliche Anweisungen hinweggesetzt hat, flattern nun Strafen ins Haus. Die Forstwache hat bereits Sanktionen gemäß Art. 8 des Landschaftlichen Gebietsplanes Seiser Alm verhängt, nickt Andreas Colli: mehrere hundert Euro je Motorrad, das an dem Event teilgenommen hat. “Von mir bekommen die Veranstalter jene Verwaltungsstrafen, die vom Landesgesetz vorgesehen sind”, kündigt der Kastelruther Bürgermeister an, “zum einen für die nicht autorisierte Abhaltung dieser Veranstaltung, und zum anderen für die nicht autorisierte Verabreichung von Speisen und Getränken”.

Trotz hehrer Absichten – immerhin 12.000 Euro konnten am Ende für den guten Zweck gespendet werden – sei die Abhaltung eines Motorradrennens im Landschaftsschutzgebiet ohne jegliche Genehmigung nicht gerechtfertigt, betont Andreas Colli. Georg Simeoni sieht das genauso: Spenden hin oder her, “es geht hier ums Prinzip”, meint der AVS-Präsident nachdrücklich.