„Selbst produzierter Notstand“
Es ist eine Nächtigungsbilanz der anderen Art. Während im Tourismusland Südtirol über gut ausgebuchte Osterquartiere und einen Gästerückgang in den Wintermonaten diskutiert wird, veröffentlicht der Verein Volontarius eine Nächtigungsbilanz der Notstandsquartierte im Ex-Alimarket-Gebäude und der Bozner Stadthalle. Je 100 bzw. 25 Schlafplätze standen dort in den Wintermonaten bereit – und wurden laut Volontarius mit 18.707 Übernachtungen zu 105 Prozent ausgelastet. Insgesamt 421 Menschen fanden dort in den kalten Monaten des Jahres ein Bett. Ein besonderes Augenmerk schenkt der Verein den nicht begleiteten Minderjährigen, die bis heute im Ex-Lemayr-Komplex untergebracht werden. 38 jungen Menschen wurden dort seit vergangenen November gezählt; derzeit sind noch neun verblieben. Für diese unter besonderen Schutz stehende Personengruppe soll es laut Volontarius künftig in Bozen eine geeignetere Unterkunft geben, wo neben Betten zumindest eine niedrigschwellige Betreuung garantiert werden soll. An einem entsprechenden Abkommen mit dem Land werde derzeit gearbeitet.
Hygienisch-sanitärer Notstand
Doch was passiert mit all jenen Menschen, die volljährig sind und nach der ersatzlosen Schließung der Winterquartiere seitens des Regierungskomissariats und des Landes nicht einmal mehr einen Schlafplatz haben, fragen die Bozner Grünen. Das Kalkül, dass sie freiwillig und von alleine “verschwinden” würden, hat sich laut ihnen als Fehlschlag herausgestellt. „Diese Fehleinschätzung produziert nun aber genau das, was man eigentlich verhindern wollte: einen wirklichen Notstand. Diesmal ist er jedoch selbst produziert“, schreiben sie in einer Presseaussendung. Darin wird es als unwürdige und unhaltbare Situation für die Landeshautstadt kritisiert, dass Dutzende von Frauen, Männern und Kindern seit nunmehr 14 Tagen gezwungen sind, in den öffentlichen Parkanlagen, auf den Straßen der Stadt zu biwakieren, ohne ein Dach über dem Kopf, ohne Essen und ohne jegliche sanitäre Einrichtung. „Auf diese Weise lösen sie ungewollt einen sanitären bzw. hygienischen Notstand in der Stadt aus, ihre Aufenthaltsplätze werden geräumt, wie dies in den letzten Tagen am Verdiplatz mehrmals geschehen ist“, so die Bozner Grünen.
Sie fordern von den zuständigen Verantwortlichen und Ämtern des Landes, des Staates und der Gemeinde die sofortige Aufstellung von sanitären Einrichtungen – zur Not auch von chemischen WCs -, die 24 Stunden auf 24 zugänglich sind, um den hygienisch-sanitäre Notstand, der sich allmählich in der Stadt bildet, so rasch wie möglich einzudämmen. Darüber hinaus sei die sofortige Einrichtung eines niederschwelligen Aufnahmezentrums gefragt, um den unmittelbaren und primären Nöten der Menschen zu begegnen, die sich aus verschiedenen Gründen auf der Straße befinden. Einmal mehr fordern die Bozner Grünen aber die Freiwilligen aktiv in die Organisation der Aufnahme einzubinden, ihre Arbeit wertzuschätzen und einen Arbeitstisch mit allen AkteurInnen einzurichten.