Luftkrieg im Wipptal
Einmal“, erzählt Luis Benedikter, „haben sie das Munitionsdepot in Stilfes getroffen, auf der anderen Talseite. Die Eisensplitter sind über das Tal gesaust, bis zu uns nach Trens. Und den ganzen Nachmittag hat man Explosionen gehört. Wie im Krieg.“
Es war tatsächlich Krieg im Wipptal, im Frühjahr 1945. Kein Bodenkrieg, aber die hier vorbeilaufende Bahnlinie war Ziel alliierter Bombenangriffe. Benedikter stammt aus der Gemeinde Freienfeld und hat die Angriffe als Fünfjähriger miterlebt. „Bei Bombenalarm sind wir oft in den Wald geflüchtet, oder unter eine Bahnunterführung. Was bei einem Volltreffer natürlich nichts genützt hätte. Oder wir haben uns im Kirchturm versteckt, im Glockenhaus, wie wir das nannten. Dort haben die Menschen dann ununterbrochen Rosenkranz gebetet.“
Dem Bombenkrieg im Wipptal ist ein Buch gewidmet, das am heutigen Freitag Abend im Kulturhaus Trens vorgestellt wird. „Luftkrieg über der Alpenfestung 1943–1945“ von Thomas Albrich, außerordentlicher Universitätsprofessor an der Uni Innsbruck. Das Buch bietet eine auf dem letzten Stand der Forschung basierende Darstellung der Luftkriegsereignisse im Gau Tirol-Vorarlberg und in der Operationszone Alpenvorland, also in Südtirol, im Trentino und in Belluno, und es kommen zahlreiche Zeitzeugen – alliierte Bomberbesatzungen sowie deutsche Jagdpiloten und Zivilisten – zu Wort.
Zeitzeugen, wie auch Luis Benedikter einer ist. Der Lehrer, Schauspieler, Sprecher, Erzähler und Theaterpädagoge liest Passagen über den Bombenkrieg in Freienfeld aus einem zeitgenössischen Bericht des Stilfer Kooperators Franz Jud und aus der Maulser Pfarrchronik. Außerdem wird eine Ausstellung mit Fotos über die Bombardierungen im Wipptal gezeigt, die auch am Samstag, den 16. Mai 2015, von 10 bis 12 und 15 bis 17 Uhr für das Publikum geöffnet ist.
Organisiert wird der Abend von der Geschichtswerkstatt Freienfeld, erzählt Rita Wieser. Sie ist nicht nur die rechte Hand des Präsidenten der Geschichtswerkstatt, sondern seit 2012 auch Landeschronistin. Gemeinsam mit zwölf Mitstreitern sucht sie nach neuen Wegen der Geschichtsvermittlung, bemüht sich um die Erhaltung der historischen Kulturgüter, um das historisch-kulturelle Bildungsangebot und den Auf- und Ausbau des Chronistenwesens.
Auch, indem Geschichte hautnah und lebendig dargestellt wird, mit Bildern und Zeitzeugenberichten. Die durchaus unterhaltsam sein können, wie wenn Luis Benedikter erzählt, wie er die Fahrt mit der alten Dampflok geliebt habe, die die Menschen zum Luftschutzbunker gebracht hatte: „Das große Feuerloch, der Geruch nach Kohle, der Dampf – für einen fünfjährigen war das lustig.“
Oder zum Nachdenken anregen: „Als der Krieg zu Ende war, hat meine Mutter die Jalousien zugetan, obwohl es Sommer war“, erzählt Luis Benedikter. „Und dann hat sie ganz leise gesagt: Jetzt haben wir Frieden.“