Bezirk Unterland: Rote Karte für die SVP?
Seit Rosa Thaler nicht mehr ist, herrscht Ungewissheit. Als Fixstarterin galt sie für den Südtiroler Landtag konnte sie doch über den Bezirk Unterland hinaus auf Stimmenfang gehen. Vom Bauernbund getragen war ihr ein Mandat gewiss, der SVP-Bezirk Unterland, ist klein. Oder 3.000 Mitglieder groß. „Um in den Landtag zu kommen braucht es erfahrungsgemäß zwischen 8.000 bis 12.000 Stimmen", erklärt Oskar Peterlini. Er muss es wissen, als Unterlandler Fachmann sozusagen. „Beim ersten Anlauf zur Kandidatur gelingen einem Kandidat aus unserem kleinen Bezirk vielleicht 2.500 Stimmen. Da braucht es schon viele Stimmen von außerhalb.“
Für Oswald Schiefer, der als Präsident der Bezirksgemeinschaft Unterland-Überetsch weit über die Bezirksgrenzen hinaus bekannt ist, könnte sich der Einzug in den Landtag genau deshalb ausgehen, meint Peterlini. „Der Schiefer ist auch im Überetsch gerne gesehen, als Lokalpolitiker und langjähriger Verwalter geschätzt und angesehen.“ Das könnte helfen - doch Halt. Der verschlafene, der vergessene Bezirk Südtirols hat ein langes Gedächtnis: Flugplatz, Fahrsicherheitszentrum, Militärschießstand am Ufer des Kalterer Sees. Brigitte Foppa, selbst Unterlandlerin, befindet: "Die Leute haben das Gefühl zubetoniert zu werden. Das ganze Schiache ist im Unterland. Die Umweltthemen vernehmen wir sehr deutlich." Doch Schiefer, der sich gut zu bewegen weiß, will die Nerven bewahren in diesem Wahlkampf: "Cool bleiben ist wichtig", sagt er. "Und brodeln? Ja brodeln tut es bei uns schon länger. Es gibt eine alte Unzufriedenheit im Unterland. Es ist eine Tatsache, dass bisher viel zu wenig auf uns gehört wurde im Land."
"Die Leute haben das Gefühl zubetoniert zu werden. Das ganze Schiache ist im Unterland. Die Umweltthemen vernehmen wir sehr deutlich." (Brigitte Foppa)
Stefan Zelger von der Südtiroler Freiheit ist Traminer und seit 2005 im Gemeinderat vertreten. Er kommt gleich zur Sache: „Die Regierungsbilanz der SVP für den Bezirk Unterland ist nicht nur schlecht, sie ist verheerend.“ Dass Thomas Widmann um neun Millionen Euro Wasserstoff-Busse kauft sei bloßer Hohn, „wir im Unterland werden mal wieder vergessen, unsere Verkehrsverbindungen gestrichen, überall wird ausgebaut, nur bei uns ist Abbau angesagt.“ Der Flughafen sei längst nicht mehr das einzige SVP-Projekt, das vor allem unterhalb Bozen misstrauisch beäugt wird, so Zelger. Oskar Peterlini bestätigt: „Die unglaubwürdige Geschichte des Flughafens ist noch nicht verdaut. Ja, es herrscht eine gewisse Frustration im Bezirk. Der Kompromiss, für den sich Rosa Thaler eingesetzt hat, ist nicht gut angekommen. Viele Menschen haben den Glauben an die Politik verloren.“
„Die unglaubwürdige Geschichte des Flughafens ist noch nicht verdaut. Ja, es herrscht eine gewisse Frustration im Bezirk. Der Kompromiss, für den sich Rosa Thaler eingesetzt hat, ist nicht gut angekommen. Viele Menschen haben den Glauben an die Politik verloren.“ (Oskar Peterlini)
Hier will Oswald Schiefer ansetzen, das Unterland zu neuer Stärke führen. Er weiß, einen starken Verband hat er nicht, der ihm zu Wählerstimmen verhelfen könnte . "Ich rechne mit Sympathistimmen", sagt er und erklärt sich selbst. "Ich bin niemand der große Versprechungen macht, aber ich werde mich für alle Unterlandler einsetzen. Nicht nur für die SVPler." Trotzdem will er die Gunst der Stunde nutzen und einschwören, SVP wählen sei das Einzige um einen Unterlandler in den Landtag zu bekommen. "Das ist absolut notwendig", unterstreicht er. "
Zelger kann dieses Argument nicht mehr hören. "Weil wir ein kleiner Bezirk sind, heißt es immer wieder, wie wichtig es ist, die SVP zu wählen. Ich sehe das anders. Südtirol braucht eine politische Konkurrenz. Ein Monopol nützt selten dem Konsument." Einschwören, um nicht zu verlieren?
"Weil wir ein kleiner Bezirk sind, heißt es immer wieder, wie wichtig es ist, die SVP zu wählen. Ich sehe das anders. Südtirol braucht eine politische Konkurrenz. Ein Monopol nützt selten dem Konsument." (Stefan Zelger, Südtiroler Freiheit)
Neben den Umweltthemen hält sich im Bezirk Unterland der "Mir-sein-Mir-Gedanke" hartnäckig. Protestwähler könnten zu den Grünen, aber auch zu den Freiheitlichen und zur Südtiroler Freiheit verstärkt abwandern. Schiefer springt auf und sagt: "Wir müssen die Eigenheiten der jeweiligen Kultur respektieren. Eine Kultur des Miteianders ja, aber die ureigenen Interessen der SVP, die dürfen wir nicht vergessen." Dann gibt er sich vorsichtig - natürlich, ein gutes Zusammenleben der Sprachgruppen sei wichtig, aber auch das Eigene müsse in den Vordergrund rücken. Die Heimat also, das Volkstum, "die Sicherung der deutschen und ladinischen Sprache und Kultur ", das liegt dem Unterlandler am Herzen. "Dieses Hin und Her der SVP im Unterland ist geradezu charakteristisch", sagt Foppa, "grad wie es ihnen passt springen sie auf die Themen auf. Wir hoffen mit unserer Kandidatin Elena Calliari, die ein großes Ansehen als Ärztin im Unterland genießt zu punkten. Natürlich auch bei den italienischen WählerInnen."
Wem also geben die Unterlandler ihr Vertrauen? Zelger, 29 Jahre alt, will realistisch bleiben: „Ich hab keine Glaskugel und mir geht es auch gar nicht darum wie viel Mandate wir erreichen werden. Wir haben den Wahlkampf stark mit unseren Themen prägen können. Nur mit Sitzen allein ist politischer Erfolg nicht messbar.“ Vorsichtig ist Zelger bei den Prognosen: "Ich denke, dass die SVP schon abgestraft wird, aber nicht genug", und auch Foppa tut sich schwer mit einer Einschätzung: "Das Jammern der SVP im Unterland kann ich schon nicht mehr hören. Sie bewegt sich wie eine Opposition. Das macht es uns nicht gerade leicht." Oswald Schiefer hat den richtige Satz parat um einen Vertrauensvorschuss der Unterlandler zu ergattern: "Wenn ich gewählt werde, werde ich bringen, was die Leute von mir erwarten." Flexibilität und Bandbreite. Anpassung also, getarnt als Erneuerung.