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Hilfe suchen und Hilfe bieten

Bei der Tagung zum Thema Mobbing, Gewalt und geschlechterspezifische Diskriminierung am Arbeitsplatz gab es Zahlen, Fakten und Fortbildungspunkte. Ein Lagebericht.
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Foto: SALTO/HM
  • „Dieser Monat steht im Zeichen des 25. November, dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“, meinte Gleichstellungsrätin Brigitte Hofer gleich am Anfang ihres Vortrags bei der vor über 300 Teilnehmenden – es gab Fortbildungspunkte für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Psychologinnen und Psychologen – stattgefundenen gestrigen Tagung zum Thema Mobbing, Gewalt und geschlechterspezifische Diskriminierung am Arbeitsplatz. „Gewalt hat viele Formen“, betonte sie, „auch im beruflichen Umfeld“, und man müsse „gemeinsam darüber sprechen, wie wir Betroffene schützen und strukturelle Veränderungen fördern können.“

  • Warum sind wir hier?: Bewusstsein schaffen. Netzwerke stärken. Anlaufstellen sichtbar machen. Foto: SALTO/HM

    Brigitte Hofer berichtete aus der täglichen Arbeit als Gleichstellungsrätin. Besonders belastend seienFälle sexueller Belästigung, die junge Frauen betreffen. Während die Täter oftmals unbehelligt bleiben, würden Betroffene ungerechte Konsequenzen erleben und Schweigen, Loyalitäten und mangelnde Sensibilität den Tatbestand verschärfen. Aber es gebe auch positive Beispiele, so Hofer, Unternehmen etwa oder auch Gewerkschaften würden aktiv Prävention betreiben und sichere Arbeitsorte schaffen. Die europäischen und nationalen Zahlen zeigen die Dimension: Millionen erleben sexuelle Belästigung, die wenigsten melden sie – aus Angst oder Scham. „Wir haben Plakate hier zum Mitnehmen, um unser Netzwerk weiter zu stärken, damit alle Menschen, unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Alter, mit Würde arbeiten können.“

    Nach Brigitte Hofer wurde von Moderatorin und Rechtsanwältin Silvia Basile – sie machte vor Kurzem zur Aufarbeitung der ersten Südtiroler Rechtsanwältin Amalia Fleischer von sich reden – Landesrat Hubert Messner auf die Bühne gerufen. „Das ist ein Thema“, sagte er, „das die Gesundheit von uns allen betrifft.“ Und es könne zu irreversiblen Schäden führen. Er sprach von Achtsamkeit, Selbstbewusstsein und von Teamarbeit, vom Kommunizieren und dem Ansprechen von Belastungen. Führungskräfte müssten Werte vermitteln, Orientierung geben und Konfliktmanagement fördern, betonte er. Eine starke, wertebasierte Führung schaffe dadurch ein Klima von Empathie, Integration und Kooperation. „Wir haben viel zu tun“, unterstrich der in Umfragen beliebteste Politiker Südtirols am Ende seines Vortrags, denn „wir haben erschreckende Zahlen.“
     

    Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz sind nicht nur individuelle Probleme, sondern strukturelle Herausforderungen, die ein koordiniertes Zusammenspiel von Gesetzgebung, Organisationen und Kulturwandel erfordern.

  • Über Rechte und Pflichten: Filippo Valcaover, Arabella Martinelli, Sonia Alvisi und Silvia Basile. Foto: SALTO/HM
  • Der Anwalt für Arbeitsrecht Filippo Valcaover berichtete zu den rechtlichen und organisatorischen Grundlagen zur Prävention von Mobbing sowie von belastenden und gesundheitsschädlichen Arbeitsumfeldern. Der Arbeitgeber hafte sowohl bei eigenem Fehlverhalten als auch bei Fehlverhalten anderer Angestellter, sofern er seiner Schutzpflicht nicht nachkomme. Die neue Gesetzgebung fordere eine proaktive Rolle. Entscheidend seien Informations- und Schulungsmaßnahmen für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer. 

    Die Anwältin für Arbeitsrecht Arabella Martinelli analysierte nach Valcaover die Koordination und Weiterentwicklung der Rechtsnormen im Bereich Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz. Die neueren Regelungen würden weniger die Intentionalität des Täters betonen, sondern die Wirkung auf die Betroffenen. Dies sei entscheidend, weil früher viele Verfahren scheiterten, da eine schädigende Absicht nicht nachweisbar war. Heute würden vor allem die objektive Verletzung der Würde und Integrität bemessen. Die zentrale Botschaft laute: Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz sind nicht nur individuelle Probleme, sondern strukturelle Herausforderungen, die ein koordiniertes Zusammenspiel von Gesetzgebung, Organisationen und Kulturwandel erfordern. „Prävention, Aufmerksamkeit und systematisches Handeln“, so Martinelli, „sind unverzichtbar“.
     

    Niemand soll aus Angst oder Scham darauf verzichten müssen, Hilfe zu suchen. 


    Die Arbeitsberaterin Sonia Alvisi, effektive Gleichstellungsrätin der Region Emilia-Romagna, betonte in ihrem Referat die große Bedeutung von Prävention, Weiterbildung und einer Null-Toleranz-Haltung gegenüber illegalem Verhalten am Arbeitsplatz. Trotz bestehender Gesetze werden „diskriminierende Praktiken weiterhin und vor allem zu oft geduldet“, sagte Alvisi, weshalb die Arbeit der Gleichstellungsrätinnen unerlässlich sei. Sie schilderte einen wenige Jahre zurückliegenden Fall, bei welchem junge Frauen belästigt wurden. Dank der Intervention der Gleichstellungsrätin und spezialisierter Juristen und Juristinnen konnte eine klare Entscheidung gegen die Verantwortlichen erreicht werden. Sie schloss mit dem Appell, dass „allen Menschen gleiche Chancen auf Bildung, Entwicklung und Wertschätzung zu garantieren“ seien.

    Mit Fragerunden, weiteren spezifischen Vorträgen und einer Diskussionsrunde über Prävention und Best Practices gegen Gewalt am Arbeitsplatz endete die Tagung. Sie war im Zeichen einer Kultur des Respekts gestanden und laut Brigitte Hofer dazu beitragen, „dass niemand aus Angst oder Scham darauf verzichten muss, Hilfe zu suchen.“ 

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