Politica | Kommentar

Skandalöse Entscheidung

Einige Mitglieder der Bozner Taxikommission sollten umgehend suspendiert werden. Denn Carlo Vettori & Co sind eine Gefahr für den gesunden Menschenverstand.
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Foto: upi
Es bedarf einer persönlichen Vorbemerkung.
Ich bin alles andere als ein „forcaiolo“, das heißt ein Anhänger der harten Justiz- und Strafverfolgung. Nur allzu oft habe ich Polizeiwillkür am eigenen Leib erfahren müssen. Auch kann man miterleben, dass viele der von Staatsanwaltschaft, Ermittlern und Medien groß aufgebauschten Strafverfahren am Ende oft wie eine Seifenblase platzen.
Was die Polizei sagt und die Zeitungen schreiben, ist weder das Evangelium noch muss es die einzige Wahrheit sein. Dies gilt auch im Fall des Bozner Taxifahrers.
Was sich aber am Mittwoch in der Taxikommission der Landehauptstadt Bozen abgespielt hat, ist ein Skandal. Es ist ein Anschlag auf den gesunden Menschenverstand und ein Ausdruck eines menschenverachtenden Zynismus, der Frauenfeindlichkeit, Rassismus und vor allem eine gehörige Portion Feigheit in sich vereint.
 
Der grünen Stadträtin Maria Laura Lorenzini, dem Gewerkschafter Agostino Accarino und dem Meraner Taxifahrer Anton Nindl gebührt Hochachtung. Allein diese drei Kommissionsmitglieder haben für die zeitweilige Aussetzung der Lizenz des Bozner Taxifahrers gestimmt.
Für eine Suspendierung hätte sich angeblich auch Tobias Planer ausgesprochen. Von bemerkenswerter Naivität getragen, verließ der grüne Gemeinderat aber vor der Abstimmung den Sitzungssaal. Er musste zur Sitzung einer Jury für einen Musikwettbewerb. Die richtige Einschätzung der politischen und gesellschaftlichen Relevanz von Entscheidungen scheint nicht die Stärke des grünen Gemeinderates zu sein.
Gegen die Aussetzung der Lizenz haben am Mittwoch in der Kommission die Taxifahrer Bruno Pedroni und Erich Domanegg sowie Mauro Ortombina, Präsident der Bozner Genossenschaft „Radiotaxi“ gestimmt.
Ortombina zweifelt gegenüber dem Alto Adige schamlos die Echtheit der Aufnahme an, auf der die Frau die Beschimpfungen des Taxifahrers festgehalten hat, und macht damit das Opfer zum Täter. Es ist das grausame Spiel, das man vom Umgang mit Vergewaltigungen kennt. Man kann darin Korpsgeist sehen oder die Verteidigung der eigenen Pfründe. Oder vielleicht nur Dummheit?
Carlo Vettori dürfte aus bewusstem politischem Kalkül gegen die Suspendierung gestimmt haben. Dem Lega-Gemeinderat muss man böswillig unterstellen, dass der Hauptgrund für sein Gegenstimme die Hautfarbe des Opfers ist.
Vettori begründet seine Entscheidung öffentlich so:
 
„Intendiamoci nessuno vuole assolutamente difendere il tassista, ci mancherebbe, ma vogliamo essere certi che la Procura apra un’inchiesta sul suo conto: non vorremmo procedere alla sospensione della licenza e rischiare di esporre il Comune ad una pesante richiesta danni.“
 
Gegen die zeitweilige Aussetzung der Taxilizenz haben sich aber auch zwei Frauen in der Kommission ausgesprochen: Die Stadtpolizistin und Leitern der „Prüfstelle für gefälschte Dokumente“, Hauptmann Edda Ranalli, und die Bozner Anwältin Sara Tonolli.
Spätestens hier wird es aber schwer, dem Geschehen mit normalen Denkkategorien zu folgen.
 
Die Kommission der Gemeinde Bozen für die Taxidienste ist kein Gericht. Sie hat weder ein Urteil zu fällen noch Ermittlungen durchzuführen. In einem Rechtsstaat gilt jemand als unschuldig, solange er nicht rechtskräftig verurteilt ist. Dieses Rechtsprinzip gilt selbst für einen Taxifahrer, der verrücktspielt, eine Frau bedroht, sie verprügelt und ihr das Nasenbein bricht.
Auch wenn für einige noch nicht endgültig klar ist, was in der Nacht auf den 2. Dezember im Taxi Nr. 22 wirklich passiert ist: Tatsache ist, dass der Kommission die Handyaufnahme vorlag und ein Bericht des Bozner Quästors an den Bürgermeister, der die erhobenen Fakten auflistet und bestätigt, dass gegen den Taxifahrer Anzeige wegen schwerwiegender Straftaten erstattet wurde.
 
Einzige Aufgabe der Kommission ist es zu beurteilen, ob der Taxifahrer gegen die „Taxidienstverordnung“ der Gemeinde Bozen verstoßen hat. Genau das aber ist in diesem Fall auch dann unbestritten, wenn man blind, taub, Stadtpolizist oder „leghista“ ist.
Unter den „Verhaltensvorschriften für Taxifahrer“ wird in der Verordnung aufgelistet, was verboten ist. Dort heißt es unter anderem:
  • aus eigener Initiative einen Umweg zu fahren, um das vom Kunden angegebene Ziel zu erreichen;
  • den Wagen anzuhalten oder den Dienst zu unterbrechen, wenn nicht die Fahrgäste selbst, ein Ereignis höherer Gewalt oder eine offensichtliche Gefahr es verlangen
Gegen beide Verbote hat der Taxifahrer in jener Nacht unbestritten verstoßen.
Vor allem aber gibt es in der Verordnung den Artikel 36 mit dem Titel „Suspendierung der Lizenz“, der auf den Fall maßgeschneider scheint. Dort gibt man der Kommission einen breiten Handlungsspielraum:
 
„Die Suspendierung der Lizenz für eine Zeitdauer vom mindestens 2 (zwei) Tagen und höchstens 6 (sechs) Monaten wird - über die Fälle hinaus, die in anderen Artikeln dieser Verordnung angeführt sind - bei allen Verstößen angewandt, die als besonders schwerwiegend betrachtet werden.“
 
Im Umkehrschluss heißt das, dass die sechs Mitglieder der Kommission zum Schluss gekommen sind, dass die Vorfälle vom 2. Dezember nicht schwerwiegend genug sind. Der beschuldigte Taxifahrer darf weiterhin mit Fahrgästen durch Bozen fahren, so als wäre nichts gewesen.
 
Die einzige Hoffnung liegt nun auf Renzo Caramaschi. Der Bürgermeister sollte nicht nur die Entscheidung der Kommission revidieren und dem gewalttätigen Taxifahrer – wenigstens bis zu gerichtlichen Klärung – das Handwerk legen, sondern er sollte auch jene Kommissionsmitglieder suspendieren, die für diese skandalöse Entscheidung verantwortlich sind.
Die Begründung: Verursachung eines kaum mehr wiedergutzumachenden moralischen Schadens.