Jodeln auf Feuerland
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Am vergangenen 11. Dezember 2025 hat die UNESCO mit einer Pressemitteilung die 19 Neuaufnahmen in die Liste des immateriellen Kulturerbes veröffentlicht. Eine dieser Neuaufnahmen ist das Jodeln, dem sich der Meraner Musiker Markus Prieth seit Jahren mit Engagement widmet.
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salto.music: Jodeln wurde kürzlich von der UNESCO in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Was sagst du dazu?
Markus Prieth: Herzlichen Glückwunsch, liebe SchweizerInnen und speziell natürlich all jenen davon, die das wirklich interessiert. Weil, warum tun wir immer noch so, als wäre diese Freizeitbeschäftigung unausweichlich Teil jeder Schweizer Seele, ein zweifelsfrei einzigartiger Gesang, der seine Repertoirequellen hauptsächlich ab dem 19. Jahrhundert bezieht? Und da wir hier nur einen Teil der „Jodellandschaft“ pauschal und innerhalb einer einzigen Nation zu einem Weltkulturerbe erheben, ist schon so schwierig, dass man munkeln möchte, der Tourismus habe am meisten davon. (Schon nach drei Sätzen so polemisch! Montagmorgen, sorry.)
Wir haben jetzt eine Schlagzeile: Jodeln ist Weltkulturerbe und gemeint ist damit nur ein Teil der Landschaft.
Und wie gesagt, für diejenigen, die das Jodeln feiern, so wie ich auch, kann es eine Wertschätzung sein, für andere kann es, weil es gerade medial präsent ist, ein Grund sein, mit dem Jodeln zu beginnen und sich dafür zu interessieren, auch schön. Mein Seufzer bei der Sache ist, dass wir anstelle eines Dialoges, bei dem mindestens vier Staaten beteiligt wären und den Antrag einreichen würden auf Basis einer schönen wissenschaftlich differenzierten Betrachtung, dieser vielfältigen Gesangsart, haben wir jetzt eine Schlagzeile: Jodeln ist Weltkulturerbe und gemeint ist damit nur ein Teil der Landschaft. Tja, irgendwie nur nett.
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salto.music: In der Liste wird die Schweiz wegen der weiten Verbreitung des Jodelns in der dortigen Gesellschaft als Bezugsland aufgeführt. Deine Gedanken dazu.
Markus Prieth: Naja (ich bin so nörglerisch heute), der Eidgenössische Jodelverband hat ca. 13.000 aktive JodlerInnen auf neun Millionen EinwohnerInnen, also gut gerechnet 0,2 Prozent der Bevölkerung. In Südtirol haben wir über 10.000 aktive Mitglieder in den Musikkapellen auf knapp 550.000 EinwohnerInnen, also ca. 2 Prozent (net letz!). Dennoch ist die „weite“ Verbreitung ein Grund für die Ernennung ganz einfach, weil die Weitergabe an sich immanenter Bestandteil bei der Bewertung zum UNESCO-Kulturerbe ist. Ich bin mir sicher und kann es doch nur schätzen, dass wir im restlichen Alpenraum mit einem Einzugsgebiet von vielleicht 12 Millionen Stimmlippen, auch auf diese Zahl kommen, nur sind sie dort nicht so leicht zählbar, da es den Jodelverband wie jenen der Schweiz außerhalb dieses Staates nicht gibt.
Tja, und wieder läuft bei mir alles auf die Frage hin: Warum hat man sich bei dieser schönen Sache nicht auf den Weg gemacht, einen gemeinsamen differenzierten und somit auch einen für die „Jodellandschaft“ repräsentativen Antrag zu stellen?
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Markus Prieth, Serafin Dariz Prieth und Monika Greif: „Der Oetz Jodler“ (Markus Prieth)(c) Markus Prieth
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salto.music: Du bist schon lange im Bereich des Jodelns unterwegs, sei es mit eigenen Projekten, sei es mit Workshops. Hat sich nach deiner Erfahrung etwas verändert in der allgemeinen Wahrnehmung des Jodelns?
Markus Prieth: In der neueren Jodelwelle, die ich ab den späteren Achtzigern ansetzen würde (hier muss ich durch meine Unkenntnis die Schweiz außen vorlassen), bin ich mit meinen 15 Jahren im Dienst und meinen 47 Jahren zu jung, um dies zu ausreichend zu beurteilen.
Für die Einen sind die anderen die Nestbeschmutzer, für die anderen sind dieselben die ewig Gestrigen.
Eine Erfahrung, die ich ständig mache: Als Veranstalter des „OU Jodelfestes“, als Volksmusik-Quereinsteiger oder besser als jemand, dem die Rootsmusiken aus ganzen Herzen egal sind – und nicht um sie links liegen zu lassen, sondern um sie erst recht an sich so frei wie möglich heranzulassen – gibt es bedauerlicherweise eine von zwei Seiten erbaute Glasmauer, die sich durch Vorurteile leider recht stabil hält. Für die Einen sind die anderen die Nestbeschmutzer, für die anderen sind dieselben die ewig Gestrigen.
Etwas Vernünftiges, was man aus dieser Situation machen könnte, wäre, sich zu begegnen und von einander zu lernen, denn da gibt es einiges und oft könnte sich das, was man eigentlich für sich beansprucht hat, im anderen finden und eine Runde gemeinsam staunen! Was anderes noch? Wer noch nie im Meer dieses Gesangs getaucht ist, verwechselt das gerne mit einer oft auch nervigen Pfütze.
Der Schlager hat die fette Kerbe ins Bewusstsein geschlagen, was Jodeln für viele definiert, doch wer weitergeht, wird in dieser Pfütze das Meer entdecken und die Möglichkeiten hierzu haben sich stark verändert und die Ernennung, oder sagen wir, die Schlagzeile könnte hier auch ein paar mehr dazu verleiten, ein wenig abzutauchen.
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salto.music: Gibt es für dich eine Art Essenz des Jodelns, im Sinne, was hält dich bei dieser Kunst-/Musikform?
Markus Prieth: Das erscheint mir zu absolut. Wenn ich mit jemandem jodle, das dauert wenn's lang ist, vielleicht eineinhalb Minuten, und wir uns dann zufrieden angrinsen, dann haben wir eine ganz menschliche Essenz, die der liebevollen ästhetischen Interaktion, erlebt. So cool!
Ich weiß nicht, ob ich dabei bleiben werde, ich lerne es immer weiter und trage es in meinem, auch sehr löchrigen Rucksack, ganz freudig mit!
Mein Wunsch ist es, an dieser gläsernen Mauer zu arbeiten.
salto.music: Was sind deine nächsten konkreten Aktivitäten, was das Jodeln betrifft?
Markus Prieth: Das „OU Jodelfest“ findet ab nächstem Jahr jährlich und nach zehnjähriger Wanderschaft im Schloss Goldrain statt. Mein Wunsch ist es, an dieser gläsernen Mauer zu arbeiten, dass sie schön löchrig wird und sich die Menschen neugierig liebevoll begegnen, dass das Fest weiterhin zwischen „Altem“ und „Neuem“ ständig miteinander verwechselt und beides sich in beidem wiederfindet, dass wir diese unglaubliche Kraft aus dem gemeinsamen Klang nützen und uns als friedvolle aktive Menschen begreifen. Ja, und sonst jodle ich von Hamburg bis Bozen und würde so gerne auch in Bari und auf Feuerland singen.
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Info:
Markus Prieth Homepage: https://www.markusprieth.com
YouTube-Kanal „Jodeln ist einfach genial“: https://www.youtube.com/@jodelnisteinfachgenial1717
Opas Diandl Homepage: https://www.opasdiandl.com
„Ou Jodelfest“ Homepage: https://www.oujodelfest.com
Liste der Neuaufnahmen in die Liste des immateriellen Kulturerbens der UNESCO: https://www.unesco.de/aktuelles/19-eintraege-in-unesco-listen-des-immateriellen-kulturerbes-der-menschheit/
Zur Neuaufnahme des Jodelns in die Liste des immateriellen Kulturerbens der UNESCO: https://ich.unesco.org/en/RL/yodelling-02287
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