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Körper, Selbst und Melancholie

Die Historikerin Siglinde Clementi recherchierte zu den Selbstzeugnissen und dem Leben des Landadeligen Osvaldo Ercole Trapp. Ein Vorgeschmack zur Buchvorstellung.
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Foto: Foto: Geschichte und Region

Adelig, entmündigt, ohne Nachkommen – Melancholie spricht aus den Selbstzeugnissen des Trentiner-Tiroler Landadeligen Osvaldo Ercole Trapp (1634–1710), den die Historikerin Siglinde Clementi in ihrem kürzlich erschienenen Buch analysiert.

Osvaldo Ercole Trapp war der letzte Nachkomme einer der beiden italienischen Linien der Tiroler Adelsfamilie Trapp, die sich seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert im Besitz von drei Herrschaftssitzen im südlichen Tirol befanden: Schloss Beseno und die Magnifica Corte di Caldonazzo im Einflussberiecht des Fürstbistums Trient und die Churburg im Oberen Vinschgau in der Grafschaft Tirol. Nach dem Tod seines Vaters unter verschiedener Vormundschaft, trat Osvaldo Ercole Trapp mit 25 Jahren das Erbe als Lehens- und Gerichtsherr von Caldonazzo an. Doch dies war nur von kurzer Dauer, nach zehn Jahren wurde er entmündigt. Von nun an lebte der melancholische Landadelige als „Privatier“ in Trient und Caldonazzo und verfasste eine Beschreibung des eigenen Körpers, innen und außen, von Kopf bis Fuß, sowie autobiographische Schriften und eine kurze Chronik des Hauses Trapp-Caldonazzo – Selbstzeugnisse die einen wertvollen Beitrag zur Erforschung der Tiroler Adelsgeschichte und zur Selbstzeugnisforschung der Frühen Neuzeit darstellen.

Die autobiographischen Texte des entmündigten Melancholikers sind als Selbstausdruck eines sozial marginalisierten Menschen zu werten, der versucht, Deutungshoheit über sein Leben zu behalten und Spuren zu hinterlassen von seiner Gestalt, von seinem Lebensweg und seiner häuslichen und sozialen Situation, und sein Scheitern in Richtung Besonderheit umzudeuten.

Im Buch wird zudem die Biografie und Familiengeschichte Osvaldo Ercoles rekonstruiert und in den Kontext der Geschichte des Tiroler Adels der Frühen Neuzeit gestellt. Dabei geht es um Verwandtschaftsbeziehungen, um den Umgang mit Besitz und Vermögenstransfers über Erbe und Heirat, wirtschaftliches Scheitern (Konkurs), innerfamiliäre Konfliktkonstellationen, Vormundschaften und die Entmündigung. Weiters spürt die Autorin wichtigen Diskursen nach, wie etwa der Frage nach der adeligen Männlichkeit – für einen Entmündigten, Unverheirateten und Kinderlosen eine nicht unbedeutende Angelegenheit; ebenso wie jenen zu Familie, Haus und Linie – mit ihm stirbt die Linie Trapp-Caldonazzo aus. Nicht weniger zentral in den Selbstzeugnissen von Osvaldo Trapp sind Zeugungstheorien und Erziehung, da er der Tatsache, dass er von seinem Vater im Greisenalter gezeugt worden ist, und dem Erziehungsstil seiner Mutter große Bedeutung für sein späteres Scheitern beigemessen hat.

Der regionalgeschichtliche Verein „Geschichte und Region“ – Herausgeber der gleichnamigen geschichtswissenschaftlichen Zeitschrift – umrahmt auch dieses Jahr seine Mitgliederversammlung mit einer öffentlichen Buchpräsentation. Heuer konnte er sein langjähriges Mitglied, vormalige Geschäftsführerin und Vorsitzende, Siglinde Clementi – nun Leiterin des Forschungsbereichs Frauen- und Geschlechtergeschichte am Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen – für die Vorstellung ihres Buches „Körper, Selbst und Melancholie“ gewinnen. Im Gespräch mit dem Schweizer Historiker und Selbstzeugnisforscher Sandro Guzzi-Heeb (Universität Lausanne),  stellt sie am Freitag, den 19. Januar 2018 um 19.30 Uhr an der Freien Universität Bozen ihr neues Buch vor.