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Società | Eiertreter*in

Glendr

Den Tag, an dem aus mir noch ein bekömmlicher Zeitgenosse wird, würde ich im Kalender rot anstreichen – wenn denn ich einen hätte. Wo hernehmen und nicht stehlen, denn die Auswahl ist beschränkt.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
Papiermüll
Foto: Goggel Totsch
  • Ich habe es jetzt vierzehn Tage lang versucht - wirklich. Mich irgendwie an dieses Scheißding zu gewöhnen. Ist ja nicht hässlich. Kennt man ja so oder ähnlich schon: Fast A3-Format, mit den üblichen Panoramaansichten. Braucht deshalb sogar zwei Befestigungspunkte. Also wenn er nicht von der Medienkrake wäre, würde ich den Glendr ja behalten, aber in diesem Fall rettet ihn nicht mal das bekannte: „Einem geschenkten Gaul, schaut man nichts ins Maul“. Hätte der Schenkende eigentlich wissen müssen, dass mir Produkte der christlichen Brüder (bald nur mehr im Singular zu verwenden) nicht über die Türschwelle kommen. Ab damit in den Altpapiercontainer. Kann er dem Reimmichl Volkskalender Gesellschaft leisten.
    Um genau zu sein ist der „Luftbildkalender Dolomiten 2025“ ja nicht vom Mutterhaus, sondern von diesem Verlag in Lana, den es 2014 aufgekauft hat. Ein Monopolist hat sozusagen einen anderen Monopolisten geschluckt, denn um Luftbilder und den Bildband „Südtirol aus der Luft“ rankt sich ein Mythos. Wenn’s drlogn isch, liag is nåch: In Zeiten, als jedes Bild aus der Luft wegen möglicher Fotogrammetrie oder dem unbeabsichtigten Fotografieren militärischer Einrichtungen durch das Militär freigegeben werden musste, waren Kontakte zur Zensurbehörde Gold wert, um seine Bilder frei zu bekommen - noch wichtiger aber war es, dass die Fotos eventueller Nachahmer dieser Geschäftsidee im Genehmigungsverfahren in Rom stecken blieben. Kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass sich so ein Monopol aufbauen lässt? Auch nicht in Zeiten, als noch keine Drohnen um jedes Gipfelkreuz schwirrten, aber Amis und Russen mit ihren Spionagesatelliten den „Calvin Klein“-Schriftzug auf deiner Badehose lesen konnten, wenn du dich auf den Brettern am Völser Weiher in der Sonne räkeltest. Welches Interesse hätten die Naioni gehabt, für eine Flasche Vernasch und eine Bretteljause die Panoramabilder der Konkurrenz zurückzuhalten?

  • Das Jahr der Lotterer

    Auf jeden Fall brauche ich jetzt irgendwie Ersatz. Und der darf nicht von Kalendermarken wie Harenberg, Heye, Weingarten oder Eiland Verlag stammen, denn die hat der Weinbergweg schon vor Jahren geschluckt. Zu blöd, dass ich den Glendr der Feuerwehr ebenfalls entsorgt habe. Kaum waren die Mandr mit meinen 20 Euro Neujahrsgeld abgezogen, legte ich Einsatzbericht, Fresszettel mit ihrer Steuernummer für die 5 Promille und den Hochglanzwisch mit Einsatzfotos und dem „Ein gesegnetes Jahr 2025“ umgehend unter „P“ ab. „P“ wie Papierkorb, wenn Sie verstehen was ich meine. Neujahrwünscher. Pah! Dieses Jahr ist irgendwie alles schief gelaufen. Normalerweise, halte ich über den Jahreswechsel die Jalousien den ganzen Tag geschlossen, lasse einige ungeöffnete Rechnungen aus dem Briefkasten hängen und parke meinen Grotten drei Straßen weiter, um den Eindruck zu erwecken ich sei verreist. Dieses Jahr war ich nachlässig und habe prompt alle abgefasst: Musi, Sternsinger, Bergrettung, Schützen, Männerchor. Irgendwie alles, was einen eigenen Block in einer „Hoch-Unser-Frauentag“-Prozession hat. Ich bin ja nur froh, dass ich nicht in Maria Himmelfahrt wohne, wo die Bozner Großkopfeten, die ein Sommerfrischhaus am Ritten ihr Eigen nennen, in der Prozession als „Rote Mäntel“ mitmarschieren. Nach dem Motto: Wir sind zwar was ganz besonderes, aber gehören doch irgendwie dazu und das soll man auch sehen. Wäre ich Oberbozner würde ich ihre Einladung zum Holbmittog nach der Prozession demonstrativ ausschlagen. Ich frage mich, ob die Gscherten zu Neujahr auch von Haus zu Haus schnorren gehen? Zuzutrauen wäre es den geldgierigen Klemmseckl auf jeden Fall. Dieses Gewünsche geht mir so auf den Keks! Ich gehe ja auch nicht von Tür zu Tür und wünsche in Erwartung einer Finanzierung meines Hobbys ein „Guats Nuis“. Sagte ich, dass ich aus Streichhölzern Architekturmodelle der Stilrichtung des Brutalismus nachbaue? Sie wissen schon, Othmar Barth, Cusanus Akademie und so. Haben sie eine Ahnung, was mich ein Modell der ehemaligen Lehranstalt für Frauenberufe in Tschötsch an Zündholzschachteln kostet? Da reichen die 100 Euro, die mich der Jahreswechsel 2025 gekostet hat, bei weitem nicht aus. Moment, 110 Euro. Der Musi habe ich 10 Euro mehr versprochen, wenn sie dem Spielen augenblicklich aufhört. Dudelten „Es ist ein Ros entsprungen“ für Blasmusik adaptiert. Das gruseligste Weinnachtslied von allen. Habe nie verstanden, warum es seit 1599 - als das Lied erstmals in einem Speyerer Gesangbuch abgedruckt wurde - nie gelungen ist, den Ackergaul einzufangen und so anzubinden, dass er nicht an jedem 24. Dezember aufs neue türmt. Ich versteh das nicht. Südtirol, das Land der Anbindehaltung schlechthin, kriegt sowas nicht gebacken. Ich schweife ab.

  • Das Jahr der Schlange

    Wer könnte sonst noch einen Glendr für mich haben? Bei den Katholen brauche ich nicht nachfragen. Schon als Ministrant wurde mir eingebläut, dass das Kirchenjahr nicht schnöde am 1. Januar beginnt, sondern am 1. Sonntag im Advent. Würde heißen, laut deren Kalender hätten wir jetzt schon Februar. Also Februar 1125 - das Jahr, als das Kreuzfahrerheer Balduin II. aus dem Königreich Jerusalem in der Schlacht von Azaz die Seldschuken vernichtend schlug. Ohne Zweifel stecken die Katholen mit ihrer Weltsicht weiter im finsteren Mittelalter fest. In deren Timeline gibt es weder die Aufklärung noch die Einsicht, dass Frauen nicht nur zum Kirchenputzen taugen, sondern auch zum Kochen.  
    Das einzig erstaunliche ist, dass die Pfaffen imstande waren, dem Rest des Erdkreises ihre Zeitrechnung aufzudrücken. Laut dem Koreanischen Kalender wären wir nämlich im Jahr 4.358 der Dangun-Ära; laut dem 60-Jahre-Zyklus der Chinesen beginnt am 29. Januar das Jahr der Schlange. Apropos, das Gerichtsjahr beginnt auch erst am Ende des Monats. Das wird dieses Jahr der 24. Januar sein. Der genaue Tag, an dem die Richter des Kassationsgerichts in ihren roten Roben aufmarschieren, wird vom Justizminister festgesetzt. Das ist zur Zeit Carlo Nordio, dem wir zwei Dinge zu verdanken haben: Die Abschaffung des Amtsmissbrauchs als Straftat und dass der Neubau des Tschumpus in Bozen Süd erst einmal gründlich überdacht werden muss. (Würde man den Justizminister nur 24 Stunden im Bozner Knast probewohnen lassen, würde das Nachdenken sicher schneller von statten gehen).
    Es gibt noch einen zweiten Grund, warum ein Kalender der walschen Gerichtsbarkeit nicht gut geht: Die arbeiten in völlig anderen Zeiträumen als wir. Also nicht in Jahren sondern Jahrzehnten. Von meiner Mutter habe ich seinerzeit nicht nur ihre Singer-Nähmaschine und die alten Fotoalben geerbt, sondern auch einen Prozess mit dem Nachbarn. Wie üblich ging es um Gartenzäune, Abstände und fünf Quadratmeter Gemüsebeet, die er glaubte über die Jahre ersessen zu haben … Als meine Mama das Zeitliche segnete, lief der Prozess mit Gutachten, Gegengutachten, Teilungsplan, Prozessverschiebungen wegen Krankheit, Todesfall und WeissderKuckuck schon sieben Jahre und ich habe dann nochmal vier Jahre dran gehängt. Ich schmeiß mich ja immer weg, wenn sich ein Unschuldsvermuteter vor die Kameras stellt und „Vollstes Vertrauen in die Justiz“ hat. Ich habe vollstes Vertrauen, dass aus der Walsch nie ein Rechtsstaat wird - vorher verjährt das „Fatto la legge, trovato l’inganno“.
    Das ist das Stichwort, für einen Berufsstand der ganz und gar losgelöst von jeglicher Zeitrechnung agiert: Den Fare-Legge. Getreu dem Zitat Konrad Adenauers: "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?", wird heute versprochen, was morgen nicht eingehalten wird. Nach der aufgehoben Mandatsbeschränkung für die Dorfkaiser, wird es dem 15-Jahre-Limit für Landesräte und Landeshauptmann an den Kragen gehen, weil unsere Onorevoli in Rom keine Lust haben, für den Studienabbrecher und den ehemaligen geschäftsführenden Präsidenten der Seiseralm-Bahn ihr warmes Plätzchen zu räumen. Ich werde das Gefühl nicht los, die Politik kreist nur noch um sich selbst und wundert sich dann, dass wir so verdrossen sind. Auf unsere Politiker passen die Sternzeichen des chinesische Kalenders wie angegossen: Schlange, Ochse, Schwein, Affe … nicht zu vergessen die Ratte. Und nein, sie werden von mir jetzt keinen Hinweis bekommen, welches Tier ich Deeg, Locher, Wirth-Anderlan, Holzeisen oder dem, dessen Name ich niemals nenne, zuordnen würde.
    Gott! Ich kann sie nicht mehr hören. Alle Wir-werden...-Sätze sind bereits Makulatur bevor sie überhaupt gedacht wurden. Nimm beispielsweise die Heimsuchung, die im Vier-Jahres-Rythmus über die Menschheit hereinbricht: Olympia. Im Biathlon-Stadion in Antholz könnten morgen Spiele stattfinden, nachdem es für die WM im Coronajahr aufgehübscht wurde - hieß es. Jetzt kostet es uns 53 Millionen und die Antholzer auch noch ordentlich Schadensersatz. Hat mich auch nicht überrascht, dass die Riggertalschleife, sowie die Umfahrungen von Kiens und Percha nicht wie geplant vor Beginn der Olympischen Spiele fertiggestellt werden. Klar, dauert ja noch drei Jahre bis zu den Landtagswahlen 2028. Zeitgebunden ist in der Politik nämlich nur der Countdown vor dem nächsten Wahltag. Da ist dann der Terminkalender proppenvoll mit Einweihungen und Banddurchschneidungen. Richtig gegruselt hat es mich als ich gelesen habe, dass der Beton-Daniel mit dem Schienennetzbetreiber RFI ein Protokoll zum Abbau der Bahnübergänge unterschrieben hat. Das heißt die ladinische Dreifaltigkeit der Südtiroler Mobilität Alfreider-Vallazza-Dejaco werden uns mit 48 Pressemitteilungen, für 48 Untertunnelungen, von 48 Bahnübergängen im Land beglücken. Ich frage mich, ob es in den Ausschreibungen für öffentliche Arbeiten eine Position für die Spesen der Bandldurchschneidungen gibt: 400 Schnittchen mit Lachs auf Toastbrot, 150 Kniakiachl, 100 Euro Trinkgeld für die Musi, Plörre des Südtiroler Bier-Monopolisten 7.500 x 0,33l.

    Haben Sie’s bemerkt? Schon wieder das Wort „Monopolist“? Bringt mich nach meinem Ausflug ins Gemüsebeet der niederen Politik zurück zu meinem Kernthema des Kalender-Monopolisten. Ich glaube, das nennt man eine Klammer? Toll habe ich das wieder mal gemacht. Muss mich einfach mal loben - tut ja sonst keiner. Ich sollte in die Politik gehen. Lösungen anbieten. Lösungen für Probleme, die wir ohne Politiker nicht hätten: Wohnungsnot beispielsweise, weil die touristische Kurzzeitmiete steuerlich günstiger ist, als an Doige lang zu vermieten. Weil die Bauernpartei SVP ihren größtenteils steuerbefreiten UaB-Bauern nicht zumuten wollte, sich über die GIS auch mal an der Finanzierung des Gemeinwohles zu beteiligen. So ein Problemlöser wäre ich allemal. Sogar für mein Kalenderdilemma. Denn mittlerweile ist mir eine Lösung eingefallen, wie ich zu einem ethisch/moralisch vertretbaren Kalender komme: Ich nehme einfach den Beate-Uhse-Kalender vom letzten Jahr!

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Salto User
nobody Gio, 01/16/2025 - 21:16

Musste erst googeln. Zwenga dem Rambold, beim Bullen von Tölz. Diese Figur wurde genial gespielt vom Gerd Anthoff (laut Alleswisser Guugl). Mit den Jahren bin ich dann draufgekommen: Den Typen gibt's ja wirklich, zuhauf. So ähnlich ists beim Goggl: Zuerst lacht mann/frau, dann kommt mann/frau drauf - da gibts ja gar nix zum Lachen.

Gio, 01/16/2025 - 21:16 Collegamento permanente