"Vielfalt ist keine Frage des Labels"
Wer hat die schönste Wiese im ganzen Land? Eine Antwort auf diese Frage wollte die EURAC nach 2014 auch im vergangenen Jahr haben. Um die besten landwirtschaftlichen Flächen Südtirols zu ermitteln, hat die Forschungseinrichtung 2015 die zweite Auflage der “Wiesenmeisterschaft” veranstaltet. Der Wettbewerb ging vor kurzem mit der Prämierung der Sieger zu Ende – 153 Bäuerinnen und Bauern hatten sich daran beteiligt. In vier verschiedenen Kategorien wurden an die jeweils ersten zehn Platzierten Preise vergeben: “Einschnittwiesen”, “Zwei- und Mehrschnittwiesen”, “Weinberge” und “Obstwiesen”. Die letzten beiden Kategorien waren zum ersten Mal vertreten, die daran teilnehmenden Landwirte wurden im Gegensatz zu den anderen auch nach der Art der Bewirtschaftung – Bio oder Nicht-Bio – gefragt. Das Ergebnis kann überraschen: Konventionelle scheinen den biologisch und biodynamisch bewirtschafteten Flächen in Sachen Artenvielfalt um nichts nachzustehen.
Von der Wiese ins Labor
Mit der Wiesenmeisterschaft will die EURAC Bauern prämieren, denen der Kompromiss zwischen Naturschutz und landwirtschaftlicher Produktion gelingt. “Es soll gezeigt werden, dass nur eine standortgerechte Nutzung artenreiche Wiesen als Lebensraum für Pflanzen und Tiere bewahren kann”, fasst EURAC-Präsident Roland Psenner zusammen. Und Ulrike Tappeiner, Leiterin des Instituts für Alpine Umwelt, ergänzt: “Landwirtschaftliche Flächen so zu bewirtschaften, dass sie gutes Futter für das Vieh beziehungsweise eine gute Obsternte liefern und zugleich möglichst vielen Pflanzen- und Tierarten einen Lebensraum bieten, ist eine wichtige Leistung. Auch für den Schutz des Grundwassers und für den Tourismus hat die Erhaltung dieser Flächen Bedeutung. Dies alles soll mit der Wiesenmeisterschaft stärker ins Bewusstsein gerückt werden.”
Es hat sich gezeigt, dass es im Obstbau hinsichtlich der Pflanzenvielfalt keine Unterschiede zwischen Bio und Nicht-Bio gibt. Die Biodiversität hängt hier einzig und allein von der Intensität der Bearbeitung ab, darunter der Anzahl und Art der Unterstockpflege. Und die kann bei beiden Formen intensiv oder weniger intensiv sein.
(Georg Niedrist)
Um in das Ranking der besten Wiesen aufgenommen zu werden, zählten Kriterien wie Artenvielfalt, Ertrag, Futterqualität des Grünlandes, Unterstockpflege im Obst- und Weinbau sowie landschaftliche Aspekte. Im vergangenen Frühjahr und Sommer untersuchten Biologen der EURAC die Flächen der 153 Teilnehmer. Eine Fachjury mit Vertretern aus Landwirtschaft, Umweltschutz und Wissenschaft wertete die gesammelten Daten anschließend aus und erstellte eine Top-Ten-Liste in den vier Kategorien. Der erste Platz bei den Einschnittwiesen ging an Benno Franzelin aus Glen bei Montan, die Mehrschnittwiesen führte Alois Pixner aus St. Martin in Passeier an. Bei den Weinbauern siegte Martin Höller aus Terlan, Platz eins bei den Obstwiesen belegte Marco Mittempergher aus Neumarkt. Über dessen Auszeichnung freut man sich in der Arbeitsgemeinschaft für die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise besonders. Denn Mittempergher ist ein langjähriges Mitglied und man sieht sich durch seinen ersten Platz in den Bemühungen für eine alternative Anbauweise bestätigt. Neben Mittempergher finden sich noch zwei weitere Demeter-Bauern in den Kategorien Wein- und Obstbau unter den ersten zehn.
Die beste Obstwiese liegt in Neumarkt und wird von Marco Mittempergher bewirtschaftet. Foto: EURAC
Bio nicht besser in Biodiversität
Durchaus keine Überraschung, möchte man meinen. Im Gegenteil, wäre es nicht eigentlich zu erwarten gewesen, vor allem biologisch beziehungsweise biodynamisch bewirtschaftete Wiesen unter den Bestplatzierten zu finden? “Eigentlich nicht”, sagt Georg Niedrist. Der Wissenschaftler forscht am EURAC-Institut für Alpine Umwelt und war für die Koordination der Wiesenmeisterschaften zuständig. Wie er berichtet, sei man “relativ ergebnisoffen” in die Auswertungsphase gegangen. Daher sei man auch nicht davon ausgegangen, dass unter den schlussendlich Prämierten mehr Biobauern landen würden.
Ein gesondertes Ranking für biologisch bewirtschaftete Wiesenflächen wurde ganz absichtlich nicht erstellt, erklärt Niedrist: “Bei der Anmeldung wurde bewusst darauf verzichtet, Bio- und Nicht-Bio zu trennen. Denn wir wollten sehen, ob wir positive, herzeigbare Beispiele von konventionellen Flächen finden, die es schaffen, mit den biologischen ‘mitzuhalten’.” Das Ergebnis: “Bei den Weinbergen ist das definitiv der Fall, bei den Obstwiesen sind Bio-Flächen stärker vertreten”, verkündet Niedrist. Konkret befinden sich unter den Top Ten der Weinberge neun konventionell bewirtschaftete Wiesen, die zehnte Fläche wird biodynamisch bestellt. Unter den zehn prämierten Obstwiesen hingegen finden sich nur zwei konventionell bewirtschaftete Wiesen, die restlichen werden nach Richtlinien biologischer oder biodynamischer Landwirtschaft gehegt und gepflegt.
“Frage der Intensität, nicht des Labels”
Voreilige Schlüsse will und kann man an der EURAC aus diesen Daten nicht ziehen. “Mehr Details erwarten wir uns von einer genaueren Auswertung in den nächsten Wochen”, meint Niedrist. Doch aus einer ersten schnellen Evaluierung hat der EURAC-Forscher bereits erste Erkenntnisse gewinnen können. Ein besonderes Augenmerk hat die Jury in ihrer Bewertung auf die Strukturvielfalt gelegt. Niedrist: “Es hat sich gezeigt, dass es im Obstbau hinsichtlich der Pflanzenvielfalt keine Unterschiede zwischen Bio und Nicht-Bio gibt. Die Biodiversität hängt hier einzig und allein von der Intensität der Bearbeitung ab, darunter der Anzahl und Art der Unterstockpflege. Und die kann bei beiden Formen intensiv oder weniger intensiv sein.”
Der bestplatzierte Weinberg von Martin Höller (Terlan). Foto: EURAC
Worin liegt dann die Stärke der Bio-Wiesen, die die Top-Ten-Liste im Obstbau dominieren wenn nicht in der größeren Biodiversität? “Den Unterschied der Siegerwiesen machen vor allem Hecken, Einzelbäume und Teiche aus, die von den Besitzern bewusst als Ausgleichsflächen auf den Parzellen gelassen werden”, antwortet Niedrist, “und hier scheint das Bewusstsein bei Bio-Landwirten stärker vorhanden zu sein”. Und beim Weinbau, wo fast alle ausgezeichneten Wiesen nicht biologisch bewirtschaftet werden? “Beim Anbau von Wein ist von Grund eine weniger intensive Bewirtschaftung erforderlich”, so Niedrist. Ein Umstand, der für ihn die überwiegend konventionellen Flächen unter den Preisträgern in dieser Kategorie erklärt.
Auffallend ist, dass im Obstbau bei allen zehn prämierten Flächen auf den Einsatz von Herbiziden verzichtet wird. Im Weinbau ist das bei acht der zehn Wiesen der Fall. “Der Herbizideinsatz ist für die Artenvielfalt, die der Jury besonders wichtig war, sehr wohl ausschlaggebend. Im Gegensatz zur Anbauweise, wie wir gesehen haben”, erklärt Niedrist. Zusammenfassend meint er: “Es ist interessant zu beobachten, dass eine mehr oder weniger große Biodiversität eine Frage der Intensität der Bewirtschaftung und weniger des Labels ist.” Genauere Aussagen wird Niedrist dann in einigen Monaten treffen können. Bis April/Mai soll eine detaillierte Auswertung der Daten vorliegen.
Titel und Untertitel des
Titel und Untertitel des Artikels lenken leider etwas von der Hauptaussage des Projekts ab: Eigentlich ging es bei der Wiesenmeisterschaft primär darum vorbildlich gepflegte Flächen zu prämieren, in denen -unabhängig von Bio und Nicht-Bio- ein guter Kompromiss zwischen Ökonomie und Ökologie gefunden wurde.
Die Biologische Anbauform wirkt sich schon alleine durch den Verzicht von Herbiziden sehr wohl positiv auf die Artenvielfalt aus. Dafür spricht ja schon die starke Präsenz von biologischen und biodynamischen Flächen unter den Top Ten in der Kategorie Obstwiesen. Meine Aussagen waren so gemeint, dass auch im konventionellen Anbau mit einer schonenden Anbauweise (wenig bis kein Herbizid, Erhalt von Landschaftselementen wie Bäumen und Hecken) eine hohe Vielfalt möglich ist.
In risposta a Titel und Untertitel des di Georg Niedrist
Diese Präzisierung war
Diese Präzisierung war notwendig! Ich bin beim Lesen auch stutzig geworden. Aber jetzt stimmt es für mich wieder. Dass mit Gülle gedüngte Wiesen meistens Blumen arm sind, hängt ja auch nicht ausschließlich von der Gülle ab sondern von der häufigen Überdüngung und oft auch vom hohen Stickstoffgehalt der Jauche.
Ich finde diese Arbeit der
Ich finde diese Arbeit der EURAC sehr wertvoll für uns Bauern, ich bin richtig froh dass sich die Wissenschaft mit wissenschaftlichen Methoden um dieses sehr wichtige Thema kümmert denn so können wir die richtigen Schritte für die Zukunft setzen.
Mit Bauchgefühl oder Ängsten, mit Rhetorischen Ansprachen und das an den Kopf werfen von Behauptungen und Schlagworten kann man keine Zukunft meistern und gut gestalten.
Mit wissenschaftlicher Aufarbeitung und klarem Kopf kann man für eine gute Zukunft bauen.