Politica | Ermittlung

Teure Briefe

Die Staatsanwaltschaft Bozen wirft der Süd Tiroler Freiheit Betrug am Staat vor. Es geht um ein Referendum und 600.000 Euro an nicht bezahlten Postspesen.

Werner Thaler bekam am Montagmorgen unerwarteten Besuch. Beamte der Carabinierisondereinheit ROS beschlagnahmten beim Obmann der „Süd Tiroler Freiheit“ Computerdateien und Unterlagen. Noch am Vormittag wurden die Beamten auch Sitz der Partei vorstellig.
Der Hintergrund der spektakulären Aktion gegen die Partei von Eva Klotz ist eine Ermittlung der Staatsanwaltschaft Bozen, die seit Monaten läuft und die jetzt in die entscheidende Phase geht. Geleitet werden die Ermittlungen von Oberstaatsanwalt Guido Rispoli. Hypothetisches Anklagepunkte: Betrug zu Lasten des Staates und Verletzung der Privacy-Gesetzgebung. „Im Ermittlungsbericht der Carabinieri wird ein klares Szenario festgehalten, das durch andere öffentliche Staatsorgane bestätigt wird“, sagt Rispoli zu salto.bz.

Das Referendum

Ausgangspunkt der Ermittlungen ist das Selbstbestimmungs-Referendum der Süd Tiroler Freiheit 2013 vom vergangenen Frühjahr. Vom 1. September bis zum 30. November 2013 konnten die Südtiroler über die Selbstbestimmung abstimmen. Am 14. Jänner 2014 stellte die Parteiführung dann stolz das Ergebnis des Referendums vor: 61.189 Bürgerinnen und Bürger habe sich an der Abstimmung beteiligt. Davon votierten 56.395 (92,17 Prozent) für die Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes.
Abstimmen konnten die Wahlberechtigten auf einer eigens eingerichteten Wahl-Seite oder über Wahlkarten, die den Wahlberichtigten zugeschickt wurden. Insgesamt verschickte die Süd Tiroler Freiheit so 400.958 Briefe. Genau diese Briefaktion steht jetzt im Zentrum der Ermittlungen.

Der Trick

Nach dem staatlichen Wahlgesetz haben Parteien anlässlich von Landtagswahlen Anrecht auf einen ermäßigten Posttarif. Briefe und Wahlsendungen unter 70 Gramm können um den Sondertarif von 0,04 Euro pro Sendung verschickt werden. Zugelassen Höchstanzahl ist die Anzahl der Wahlberechtigten.
Genau das hat die Süd Tiroler Freiheit dann auch getan. Sie hat die Briefe für ihr Selbstbestimmungs-Referendum ganz einfach als Wahlwerbung für die Landtagswahlen vom 26. Oktober 2013 deklariert. Unterzeichnet wurde die Erklärung bei der Post von Werner Thaler. Deshalb wird jetzt auch formal gegen ihn ermittelt.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass es sich bei dem Antrag um eine Falscherklärung handelt. Denn die Briefe waren nicht Wahlwerbung und können somit nicht unter den dafür zugelassenen Ermäßigungstarif fallen. Die Ermittler gehen somit von einem Betrug zum Schaden des Staates aus. Der errechnete Betrugssumme: Über 600.000 Euro.

Das Preisausschreiben

Doch es gibt noch einen zweiten Ermittlungsstrang. Unter den Teilnehmern des Referendums haben die Promotoren auch eine Schottlandreise im Wert von 2.500 Euro verlost. Die Ermittler gehen davon aus, dass dieses Preisausschreiben in Kombination mit der Abstimmung – vor allem online – dazu führt, dass die Parteizentrale genau und namentlich nachvollziehen kann, wer wie abgestimmt hat. Bereits im vergangenen Herbst hatten mehrere Internet-Experten auf die technischen Fehler bei der Online-Abstimmung hingewiesen und die Promotoren mussten deshalb mehrmals nachbessern.
Die Staatsanwaltschaft hat das Preisausschreiben in Kombination mit dem Referendum deshalb vom staatlichen Garanten für die Privacy überprüfen lassen. Das Resümee der Rechtsämter der staatlichen Aufsichtsbehörde ist eindeutig: Das Abstimmungsverhalten ist namentlich nachvollziehbar und es liegt damit ein klarer Gesetzesverstoß vor.