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Vollblüter

Eine bitterböse Geschichte trifft auf zwei kreative Persönlichkeiten und den letzten Kinoauftritt von Anton Yelchin. Immer her damit!
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Foto: Universal Pictures

Das Spielfilmdebüt des amerikanischen Regisseurs Cory Finley setzt auf Frauenpower. Hier haben zwei junge Damen, gerade dem Teenageralter entwachsen, das Sagen, überzeugend besetzt und gespielt von Olivia Cooke und Anya Taylor-Joy. Erstere kämpfte sich erst dieses Jahr durch Steven Spielbergs Romanadaption „Ready Player One“, während letztere vor allem durch ihre Zusammenarbeit mit M. Night Shyamalan oder dem neuenglischen Horrormärchen „The Witch“ bekannt wurde. Eine ungewöhnliche Kombination, die Finley so für die Verkörperung seiner schrulligen Figuren wählt. Doch wovon ist eigentlich die Rede? Cooke ist Amanda, ein gefühlskaltes, stoisches Mädchen, welches von sich selbst sagt, keine Emotionen zu verspüren. Eine Tatsache, die ihren Eltern große Sorgen bereitet. Ihr gegenüber steht Taylor-Joy, die Lily spielt, und im Kern das genaue Gegenstück zu Amanda darstellt. Sie kommt aus gehobenen Hause, bekommt regelmäßig (vertröstende) Geldgeschenke von ihrem Stiefvater und führt ein Leben zwischen Schule und verstaubten Filmklassikern. Eben jener Stiefvater, der nach dem Tod ihres leiblichen Schöpfers in das prächtige Herrenhaus eingezogen war (oder war es umgekehrt?), bereitet Lily nun Kopfzerbrechen. Wie es der Zufall will, treffen sich die beiden Mädchen nach vielen Jahren Trennung, denen eine tiefe Freundschaft vorausgegangen war, wieder. Sie verbringen Nachmittag um Nachmittag in den aufwändig ausgestatteten Räumlichkeiten von Lilys Zuhause und prügeln sich Lernstoff ins Gehirn. Als der ungeliebte Stiefvater immer wieder unangenehm dazwischenfunkt und einen Keil zwischen die so unterschiedlichen Freundinnen treiben will, sieht Amanda Handlungsbedarf. Als würde sie vorschlagen, beim Bäcker Brötchen zu holen, wirft sie die Möglichkeit, den Stiefvater zu ermorden, in den Raum. Was erst als absurder Einfall eines psychisch angeknacksten Geists wirkt, entwickelt sich mit der Zeit zu einer echten Alternative in Lilys Kopf. Doch Morden will gelernt sein, und Morden ist nichts für Jedermann. Und warum sollte man sich die Finger selbst schmutzig machen? Der Kleinkriminelle Tim, wunderbar gespielt vom 2016 verstorbenen Ausnahmeschauspieler Anton Yelchin kontrastiert in einer geschickt arrangierten Dreieckskonstellation aus Gefühlskälte, Rachsucht und Selbstüberschätzung. Und davon lebt der Film, er ist Schwimmbecken für Finleys kuriose Figuren, die sich in kammerspielartigen Szenen durch die Geschichte bewegen.

THOROUGHBREDS - Official Trailer [HD] / Quelle: Youtube

Die Inszenierung verhält sich dabei wie Amanda, sie zeigt wenig Emotionen, sondern analysiert und beobachtet, bringt im richtigen Moment jedoch den entscheidenden Impuls. Lange, glatte Kamerafahrten durch Lilys Haus, dazu ein von blauen Farben bestimmtes Innenleben des Gebäudes und gleißendes Licht, welches durch die Fenster fällt – Finley schafft eine klinische Atmosphäre, die jedoch an den richtigen Stellen auszubrechen weiß und dann entweder die Räumlichkeiten verlässt, oder erschreckende Wahrheiten in einer oft am Rande zur Unglaubwürdigkeit stehenden Geschichte offenbart. Wenn der weiße Stoff eines Sofas mit dem klebrigen, frisch gezapften Blut von Wemauchimmer geschmückt wird, treffen Welten aufeinander. Die Dekadenz der Reichen und Schönen beginnt unter der Macht und dem Willen zweier entschlossener Mädchen zu wanken. Was nun möglicherweise klingt wie ein Film, der die ansonsten oft unterrepräsentierten und zur Untätigkeit verdammten Frauenfiguren zu stolzen Kämpfernaturen gegen die männliche Herrschaft stilisiert, führt in die Irre. Finley umschifft die plumpe Auslegung seiner Geschichte geschickt und klagt niemals an, er unterwirft sich nicht der politischen Korrektheit und lässt seinen Film nicht zum Sklaven einer feministischen Weltanschauung werden, die, erst mal von der Leine gelassen, zu so absurden Hashtags wie #MenAreTrash führen kann.

Aber auch abseits dessen präsentiert sich der Film überzeugend, ein treibender, experimentell gehaltener Soundtrack tut sein übriges zur ansonsten guten Atmosphäre, wenngleich einige kleine handwerkliche Kinderkrankheiten das Gesamtbild etwas stören. Darunter fällt die Spiegelung einer Kamera oder offensichtliche, choreografierte Bewegungen der Schauspieler zugunsten einer Kamerafahrt. Das sind jedoch Marginalien und dürften den meisten Zuschauern nicht auffallen. Was der Titel nun mit der eigentlichen Handlung zu tun haben könnte, zeigt der Film bereits in der ersten Szene, und jeden, der die Antwort darauf erhalten möchte, und sich auf die zwei angenehm schrulligen Charaktere einlässt, erwarten hier gut investierte 90 Minuten Indie- Kino.