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Cultura | Zur Reiselust

Auf und davon

Ein Blick zurück in die Geschichte kann durchaus lehrreich sein, auch was Fragen und Probleme betrifft, die sehr aktuell sind, etwa den Massentourismus.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
Massentourismus
Foto: Seehauserfoto
  • Auf und davon

     

    Wer war Seneca? Sicher kein Kabarettist, sondern ein hellsichtiger römischer Schreiber, der vor gut 2000 Jahren lebte. Doch Manches, von dem, was er schrieb, hat für uns heute durchaus kabarettistische Züge. Zum Beispiel seine Notiz über die Reiselust seiner römischen Mitbürger. Da heißt es: 

    «Deshalb unternimmt man ziellose Reisen, treibt sich an der Küste herum, und bald auf dem Meer, bald auf dem Land zeigt sich die Unrast, die stets das Gegenwärtige verabscheut. „Fahren wir nun nach Kampanien!" „Das Luxusleben ödet mich schon an." „Dann sehen wir uns in der Wildnis um und suchen Bruttium und Lukaniens Schluchten auf!" „Etwas wird man allerdings in der wüsten Gegend vermissen, etwas Hübsches, bei dessen Anblick sich ein kultivierter Mensch von der endlosen Öde rauher Gegenden erholen kann." „Gehen wir doch nach Tarent, zu dem berühmten Hafen, zur Winterfrische mit dem milderen Klima, in eine Landschaft, die schon in alten Zeiten dicht besiedelt war." „Kehren wir doch gleich um, nach Rom; allzulange haben meine Ohren keinen Beifall und kein Schwerterklirren gehört. Schon macht es wieder Freude, sich am Anblick von Menschenblut zu weiden." Eine Reise nach der andern unternimmt man, ein Spektakel läßt man dem andern folgen …»

    Und in diesem Sinne greift Seneca folgende Bemerkung seines Kollegen Lukrez auf: «So will jeder sich selber entfliehn. Doch, wie es zu gehn pflegt, sich entrinnt er gewiß nicht.» Daraus folgert Seneca schließlich: «Doch was hilft's, wenn er sich nicht entflieht? Er begleitet sich selber und fällt sich zur Last als unangenehmster Gefährte.»

    Aus jener antiken Unrast ist dank des technischen Fortschritts heute eine Art grenzenlosen Tourismus geworden und d. h. mit Seneca, aus der antiken Flucht vor sich selbst eine moderne, logistisch durchorganiserte. So zeigt sich der Massentourismus unserer Tage dementsprechend als großangelegte Vermarktung einer Flucht vor sich selbst, zu der die Tourismusindustrie mit allen erdenklichen Mitteln verhilft – das ist ihr Geschäft! Mag Fluchthilfe sonst auch strafbar sein, wird diese hier allerdings noch mit öffentlichen Mitteln gefördert. Nur muß all das unbedingt ignoriert werden, und zwar nachhaltig, denn welcher der alten Römer hätte sich schon eingestanden, dass das Ziel der Reisen, die er unternimmt, die Flucht vor sich selbst ist? Wer solche Verhältnisse aufdeckt, muß schon ein Schelm sein: Seneca. 

     

    Moritz Amselbrück

     

  • Foto: mamselbruck
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Christian I Ven, 08/16/2024 - 14:07

"So will jeder sich selber entfliehn": was fùr eine grosse Wahrheit steht hinter diesem Satz!
Ich muss es zugeben, ich habe die Welt umrundet, hatte Kontakt mit vielen fremden Kulturen, manchmal auch Uhreinwohner. Fùr mich war es eine sehr grosse Bereicherung und eine noch gròssere Lehre, die Natur, die Umwelt und die "Anderen" zu schàtzen und zu respektieren. In letzter Zeit fahren wir hòchstens am Garda, und ja, es ist eine Flucht vom unertràglichen (Arbeits)Alltag, vom tàglichen Stress und von uns selbst.

Ven, 08/16/2024 - 14:07 Collegamento permanente
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K V Ven, 08/16/2024 - 17:38

Um sich selbst zu entfliehen, muss man heutzutage nicht mehr verreisen. Es ist viel mehr ein Dauerzustand unserer modernen Welt. Dementsprechend ist das aktuelle Geschäftsmodell eher die Begegnung mit sich selbst. Ob im Urlaub oder Alltag.

Ven, 08/16/2024 - 17:38 Collegamento permanente
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Salto User
nobody Ven, 08/16/2024 - 21:58

Wie wahr.
Zum Thema Übertourismus: Die Piefke-Saga ist ja auch nicht mehr so aktuell. Also ein Problem, das man lange schleifen hat lassen. Mit allen negativen Begleiterscheinungen.

Ven, 08/16/2024 - 21:58 Collegamento permanente
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K V Dom, 08/18/2024 - 08:49

In risposta a di Stefan S

Nein, bedeutet es nicht. Der Karl Friedrich hat damit ja immer in typisch deutscher Art seine Unzufriedenheit demonstriert. Vielleicht wird ja selbst den Touris der Overtourismus zu viel oder sie lesen irgendwelche gesprayte/geklebte Botschaften, so war es gemeint. Und wenn schon der Wechselberger Franz samt seinen Profit die Scheiß-Piefkes kaum ausholt, was soll dann der Rest der Bevölkerung sagen ;-)

Dom, 08/18/2024 - 08:49 Collegamento permanente