Ambiente | Zweierlei Maß?

Ausbleibende Skandalrufe

Sepp Noggler wundert sich: Da gibt es ein Mittel zur Bekämpfung der Tigermücken, das in der Landwirtschaft am liebsten ganz verboten würde und in der Stadt gleich mengenweise in die Kanalisation gekippt wird.

Misst das Land in Sachen Umwelt- und Gesundheitsschutz mit zweierlei Maß? Der Verdacht, dass dem so sei kommt nicht etwa von der Opposition, sondern aus den eigenen Reihen. Der SVP-Landtagsabgeordnete Sepp Noggler hat in der aktuellen Fragestunde im Landtag vor Kurzem auf einen “bemerkenswerten” Umstand aufmerksam gemacht.

“Mit einer Verordnung verpflichtet die Stadt Bozen seine Bürger, beim Kampf gegen die lästige Tigermücke mit zu machen”, fasst Noggler zusammen. “In einem eigenen Kampagnenvideo wird auch gleich erklärt wie: Die Bürger sollen Insektizid-Tabletten in die Gullis der Stadt werfen. Damit sollen die Larven der Mücke getötet werden.” Empfohlen wird für diesen Vorgang das Mittel Diflubenzuron. Das Mittel sei in jeder Apotheke erhältlich. Es soll mindestens alle vier Wochen aber jedenfalls nach jedem Regenguss ausgebracht werden, weil dann das Insektizid von den Gullis in die Kanalisation abfließt.

Das Datenblatt des Herstellers schreibt für alle ersichtlich vor, dass das Mittel nicht ins Wasser darf und sofort die Behörden zu informieren sind, falls das Insektizid trotzdem in Gewässer oder die Kanalisation eindringt. In Bozen ist es hingegen gerade die Behörde, die es vorschreibt, das Mittel in die Kanalisation zu werfen. (Sepp Noggler)

Das für Noggler interessante Detail: “Der Wirkstoff im Diflubenzuron kommt beziehungsweise kam auch in der Landwirtschaft zur Anwendung, jedoch fern von Wasseransammlungen.” Laut EU-Einstufung ist das Mittel sehr giftig für Wasserorganismen und kann längerfristig schädliche Wirkung haben. Daher seien laut Noggler ähnliche Produkte, die in der Landwirtschaft gegen Schädlinge verwendet wurden, zusehends angezweifelt, verpönt und schließlich kaum mehr verwendet worden. Für ihn geht die Rechnung nicht ganz auf: “In der Landwirtschaft am liebsten ganz verbieten und in der Stadt gleich mengenweise in die Kanalisation kippen. In der Landwirtschaft nur mit Spritzmittelausweis erhältlich. In der Stadt in der Apotheke nebenan.”

Besonders brisant beim Mittel Diflubenzuron: Es dürfe laut Datenblatt des Herstellers “keinesfalls in die Kanalisation gelangen”, so Noggler. Umso verwunderlicher für den SVP-Abgeorndeten, dass nicht schon längst die “sonst so eifrigen Umweltaktivisten” auf den Plan getreten seien. Wo bleiben die Skandalrufe, fragt sich Noggler. Denn schließlich werde das Mittel flächendeckend von Mai bis Oktober und jeweils nach jedem ergiebigen Niederschlag mit Wiederholung in die Bozner Kanalisation geworfen.

In einer Anfrage verlangte Noggler am Mittwoch eine Stellungnahme von Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler. Ihm sei die Problematik bekannt, bestätigte Schuler. Auf die Frage Nogglers, ob die für den Pflanzenschutz sensiblen Zonen nur für die Landwirtschaft oder auch für Stadtgebiete gelten, antwortete Schuler: “Der Aktionsplan für Pflanzenschutzmittel in sensiblen Zonen wird derzeit nur in den ländlichen Gebieten umgesetzt.” Es sei allerdings anzudenken, die Regelung auch auf die Anwendung in bewohnten Gebieten auszuweiten, so der Landesrat. Noggler bleibt perplex: “Ich habe vollstes Verständnis, dass man gegen diese Plage vorgehen muss. Vor allem die Gärtnereien haben jedes Recht, sich gegen die Tigermücke zu wehren. Sicherlich muss gleich wie gegen Schädlinge in der Landwirtschaft eingeschritten werden können, wo es notwendig ist. Aber man soll insgesamt nicht mit zweierlei Maß messen”, so seine Erklärung.