Cultura | SALTO AL CINEMA

Traumhafter Albtraum

Gestern feierte der vergangene Woche in Venedig ausgezeichnete Film "Vermiglio" von Maura Delpero Südtirol-Premiere. SALTO war dabei und hat die Regisseurin befragt.
Maura Delpero
Foto: SALTO
  • „Ich hatte einen Traum, einen dieser Träume, der die Kraft einer Vision hatte, in dem Sinne, dass er sehr, sehr real war“, erzählte Maura Delpero gestern nach der Vorführung ihres in Venedig preisgekrönten Films Vermiglio. Sie hatte in ihrem ominösen Traum über ihren kurz zuvor verstorbenen Vater geträumt, der als Kind in Vermiglio zu Hause war, einem kleinen Dorf im Val di Sole. Die Regisseurin habe nach diesem einschneidenden Traumerlebnis begonnen an dieser Geschichte zu arbeiten, die überigens mit wenig Sonne sehr erhellend daherkommt. Im Nu sei der Saal nach der Ankündigung zur Bozner Vermiglio-Filmpremiere ausverkauft gewesen, berichtete Filmclub-Präsident Luigi Loddi, der das Gespräch mit der Bozner Regisseurin nach der Projektion führte. Auch Landeshauptmann Arno Kompatscher war gemeinsam mit seiner Frau Nadja Ahlbrecht zur Südtirol-Premiere erschienen. In Trient wurde der Spielfilm gestern ebenfalls gezeigt, in Vermiglio bereits am Samstag, im Rahmen eines großen Dorffestes.

  • Reden über Vermiglio: Regisseurin Maura Delpero und filmclub-Präsident Luigi Loddi bei der Südtirol-Premiere am gestrigen Sonntag (15. September 2024). Foto: SALTO

    Ein Traum als Auslöser für eine albtraumhafte Geschichte, die dann noch in Venedig vor einer Woche mit einem traumhaften Preis belohnt wurde. Im Gespräch mit Loddi erinnerte Delpero an die ersten Schritte für Vermiglio und ihre ersten Kindheitserinnerungen an diesen Ort. Sie erzählte wie sie für das Filmprojekt zu recherchieren begann und Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen führte. „Das war sehr schön, weil man auch oft sagt, dass ältere Menschen sich besser an ihre Kindheit erinnern können als an das, was sie am Tag zuvor getan haben.“ 
     

    Ich liebe Kinder sehr. Und wenn man sie liebt, spüren sie das.


    Maura Delpero erzählte zur Trentiner Mundart, der diese Filmgeschichte trägt, aber auch über die Wichtigkeit finanzieller Trägerschaften: „Die Stärke der öffentlichen Förderung besteht darin, dass die Filme nach ihren künstlerischen Qualitäten, nach ihrem organischen Charakter, nach der Stärke des Drehbuchs bewertet werden“, sagt sie. Welchen Einfluss aber habe der italienische Filmregisseur und Drehbuchautor Ermanno Olmi auf sie gehabt, den manche Kritiker in Delperos Filmsprache erkennen wollen?  „Ich denke nie daran, einen Film im Stil von Olmi zu machen“, entgegnet Delpero. Ihre Inspiration komme aus der Literatur und der Malerei. Sie erinnere sich aber, wie sie einst „in der Grundschule von St. Jakob“ ihren „ersten Kinofilm gesehen“ habe, der von besagtem Olmi gewesen war. Auch habe sie gute Erinnerungen an die ersten Musikstunden, „wo der Musiklehrer das Gefühl vermittelte, dass jedes Instrument ein Tier wäre. Das sind die Dinge, die man nicht vergisst.“ 

  • Volles Haus bei Vermiglio: Begeisterung in Bozen, Trient, Vermiglio. Und in Venedig. Foto: SALTO

    Die Regisseurin und junge Mutter redete nicht nur gerne über ihre eigene Kindheit, sondern räumte der Sichtweise von Kindern auch in Vermiglio viel Platz ein. „Ich liebe Kinder sehr. Und wenn man sie liebt, spüren sie das.“ Kinder würden „andere Blickwinkel“ aufzeigen, seien „frischer und direkter“ und würden obendrein über eine große Vorstellungskraft verfügen und viel „ungewollte Ironie“ mitbringen. „Selbst in einem Film wie diesem“, betont Delpero, „in dessen Mittelpunkt eine Tragödie steht, schaffen Kinder es, die Dinge zu sagen, die wir alle denken, uns aber nicht mehr erlauben zu sagen.“ 
    Wie die weitgereiste Boznerin im Ausland ihre Herkunftsgegend beschreibe, wollte Loddi außerdem wissen. „Mich hat immer ein wenig diese gewisse Blindheit gestört, die ich manchmal in Kommentaren in Bezug auf unsere Zweisprachigkeit zu Südtirol gehört habe“, meinte Delpero. Sie sei stolz, „an einem Ort geboren zu sein“, wo es eigentlich normal ist „andere Sprachen zu hören und mit Menschen aus anderen Kulturen zusammenzuleben.“ 

  • Con Maura Delpero, regista e autrice di "Vermiglio"
    Interview: Martin Hanni
    Video: Mauro Podini
    Produktion: SALTO © 2024
    (c) SALTO