Palcoscenico | Alps Move

Spiel der weiblichen Kräfte

Alps Move geht in die zweite Hälfte über und hat Ende letzter Woche das Trevi bespielt. Drei Möglichkeiten zur sorgfältigen Bewegung von drei verschiedenen Tänzerinnen. Ein Abend übers Geben, den Klimaschutz und das Teil einer Gruppe werden.
Alps Move, Homo Donans, Santija Bieza, 2024, Centro Trevi
Foto: SALTO
  • „Homo Donans“, die erste Performance des Alps Move Abends, fand gleich im übervollen Foyer des Centro Trevi statt. Aus allen Richtungen und auch von der Gallerie aus hatte man große und kleine Zuseher und Zuseherinnen. Santija Bieza, die in Personalunion Konzept, Choreografie, Regie, Video und Kostüm in sich vereinte, sollte die Tanz-und-Video-Hybridform gemeinsam mit Co-Performerin Gaisma Morgavi Bieza umsetzen. Mehr auf Gesten basierend denn auf Tanzbewegungen, geht es zu meditativen Klängen anfänglich langsam zu, den Rhythmus der Sonnengrüße und Geschenkübergaben skandiert das Video. Besonders schön ist dabei das Bild eines schwarz-weißen Balles, dessen beide gegensätzliche Hälften mit der Geste einer gebogenen Hand zum Yin oder Yang werden. Zum Abschluss setzt man einen weiteren Moment wie für die große Leinwand um und beide Performerinnen gehen aus ihrer Stuhl-Tisch-Bildschirmsituation heraus. Leuchtkugeln werden unter dem Saalpublikum verteilt und besonders von Kinderhänden gern entgegengenommen.

  • Homo Donans: Der Akt des Gebens stand in der Performance, die im Verteilen von Leuchtkugeln endete, im Fokus. Foto: SALTO
  • Die zweite Performance ist auf sechs Personen ausgelegt: Dorothee Altgeld, Janna Beyer, Maren Meinhold, Laura Moths, Lucie Thron und Paola Zadra finden sich für „Di sasso“ einen Stock tiefer zusammen. Für die Tanzperformance ist Zadra hauptverantwortlich (Konzept, Choreografie, Regie, Foto, Video, Produktion), am Eingang gab es etwas Publikumspartezipation: Man durfte den zweisprachig präsentierten „Klimawandel bedeutet für mich…“ zu Ende führen. Gegen Ende der manchmal poetischen, manchmal auch plumpen Geschichte vom Gletscherschmelzen wurden Auszüge aus den Wortspenden verlesen.

  • Di sasso: Paola Madras Beitrag zum Tanzabend war im Kellergeschoss etwas überlang. Am Ende des Auftritts hätte man sich eine leichte Straffung gewünscht. Foto: SALTO

    Wir wollen dabei hoffen, dass man sich die erste Zettelrunde, mit Schwurbler-Sprüchen von „fake news“ und „fiktion“ mitgebracht hatte. Die zweite, von begründeten Klimafürbitten und Ängsten gekennzeichnete Vorlesestation ist da schon eher mit meinem Restglauben an die Menschheit vereinbar. Am Ende ist das Stück, das auf- und wachrütteln möchte, etwas zu überlang und bei der zweiten aus der Landschaft heraus erscheinenden Figur – eine kommt unter der Gletscherzunge, die andere aus Schaumstoff-Felsen hervor – hätte das Stück auf die Zielgerade einbiegen können. Die Schwere des Themas und das Fehlen einfacher Lösungen machen den Auftritt aussichtslos und der Tanz sollte zwar nicht, muss aber einfach enden.

  • Carefully: Simulierter Schneefall markierte eine Wende für den Abend, hin zu einem hoffnungsvollen Finale. Foto: SALTO

    „Carefully“ sollte das Dreigespann des Abends komplett machen. Dem Konzept von Lorena La Rocca folgend fand Choreografin und Solotänzerin Giulia Tornarolli eine Sprache, um mit dem weiblichen Chor „Corodoro“ in einen intensiven Austausch zu treten. Zurück im Foyer konnte man den Eingangsbereich in seiner Vertikalität gut nutzen: Gesang kam von oben, während von Tornarollis Darbietung – der ausdrucksstärksten des Abends – nichts ablenken konnte. In verschiedenen Klangsprachen, jedoch ohne einen erkennbaren Text, kommunizierten Tänzerin und Gesangskörper. Die Formeln, die zyklisch abgespielt werden, zehren immer stärker an der Tänzerin, bis diese scheinbar erschöpft zusammenbricht. Alle sanfte Kraft von gerade eben wird im surrealen Bühnenlicht unter einem Schneefall lautlos fallender Daunen begraben. Man hört den letzten, erhebenden Teil, für den sich Tänzerin und Chor auf den Treppen des Foyers begegnen. Der aus dem Selbsterzählungs- und Empowermentprojekt „Liscià“ der Officine Vispa hervorgegangene Chor nimmt die Tänzerin als eine der ihren auf. Die Hand auf der Schulter ist am Ende eine Geste der Verschwisterung, die ebenso absehbar wie unausweichlich war. Die dreifache Tanzpremiere im Trevi, als Tanzort eine weitere Premiere für sich, darf mit etwas Kitsch und sehr viel mehr Herz als Erfolg gewertet werden.

  • Alps Move

    Das Festival für zeitgenössischen Tanz aus den Alpen geht noch bis 27. Oktober. Nächster Termin ist am Freitagabend, 18. Oktober, ab 20 Uhr im Brunecker Stadttheater mit „Animo“ von Mirjam Plank und Lea Markgraf, sowie „Manufaktur Caring“ von Miriam Taschler und Carla Petzolt.