Cultura | Salto Weekend
„Visionen sind immer ehrgeizig“
Foto: Hannes Waldner
Von den Watt-Stammtischen abgesehen gab es in Südtirol keine spezifische Selbstvertretung von und für Gamer. Im Selbstverständnis von „Dung“ (englische Aussprache) will man Dünger für die Südtiroler Gaming Szene sein und das schließt analoges Spielen, wie Brettspiele oder Pen-and-Paper Spiele - etwa Dungeons and Dragons - dabei nicht aus. Hannes Waldner nennt das im Interview „unterschiedliche Formen des Gleichen“.
(Aufschlüsselungen der gekennzeichneten, nur schlecht oder nicht ins deutsche übersetzbaren Videospiel-Anglizismen, finden sich am Ende des Artikels in der grauen Infobox)
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Salto.bz: Herr Waldner, wenn man ein Videospiel startet, ist meist die Wahl einer Sprachversion der erste Input. Warum hat man sich bei Dung als „Arbeitssprache und Hauptkommunikationssprache“ für Deutsch entschieden?
Hannes Waldner: Wir arbeiten intensiv mit BeYoung zusammen, die etwa Game Ground gestartet haben und stark die italienische Sprachgruppe ansprechen. Wir wollten sozusagen eine Ergänzung bieten, so dass man gut mit beiden Gruppen arbeiten kann. Englisch ist dann das verbindende Element, das darüber hinaus geht. Wir kommunizieren viel auf Englisch, was auch viel der Gamer-Sprache ausmacht. Da wir aber auch die Bevölkerung sensibilisieren und nach außen arbeiten wollen und ein Großteil der Mitarbeiter, die bei Dung gestartet sind deutscher Muttersprache ist, arbeiten wir hauptsächlich auf deutsch.
Ansonsten wäre Gaming ein Sektor, wo sich die Trennung der Sprachgruppen im Land gut umschiffen ließe. Ist das ein Ziel für die Zukunft?
Ja, absolut. In diese Richtung wollen wir arbeiten. Was wir aber auch mitbekommen ist, dass man zum Beispiel durch die Aufteilung der Sprachgruppen auf Landesebene in gewissen Bereichen fast schon genötigt wird in eine gewisse Richtung zu arbeiten um Ansprechpartner und Fördergelder zu haben. Da wollen wir, vor allem in der Zusammenarbeit, wenn es um ganz Südtirol geht, Schritte setzen, damit das dann irgendwann nicht mehr nötig ist.
Warum setzt man, verzeihen Sie die direkte Frage, im Online-Auftritt stark auf Stoller-Klischees?
Das ist unter anderem auch durch den Namen entstanden. In der Gaming-Szene wird übertriebenes und etwas aneckendes Verhalten gern gesehen und ist Teil der Kultur. Das provoziert manchmal, regt vielleicht auch zum Nachdenken an. Dung ist sicher auch nicht ein Allerweltsname für einen Verein, damit spielen wir auch gezielt. Von dem was wir bis jetzt sehen konnten, kommt gerade das extrem gut an. Es erzeugt Resonanz und ein wenig Irritation. Das ist eine Linie, die wir weiter fahren wollen. Wobei, vielleicht nicht immer in die - wie Sie es gesagt haben Stoller-Richtung - sondern auch in anderen provokanten Formaten und Bildsprachen.
Das ist Teil der Gesellschaft und ein Querschnitts-Thema, das nach außen getragen werden kann und soll.
Gaming ist als Hobby in gewisser Weise tabuisiert. Gamer sprechen mehr untereinander über ihre Erfahrungen, eher selten mit Außenstehenden. Erschwert das den Zugang zu Hilfestellungen, falls etwa eine Suchtproblematik vorliegt?
Neben dem Dasein für die Community ist das sicher eine unserer Hauptintentionen, den Gamer:innen, die sich sonst eher im Kleinen treffen, eine Bühne geben und auch aufzeigen, dass das kein Tabu mehr sein soll: Das ist Teil der Gesellschaft und ein Querschnitts-Thema, das nach außen getragen werden kann und soll. Gerade im deutschsprachigen Raum spielen laut Statistiken mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung, in irgendeiner Form. Viele sicherlich „nur“ Handy-Spiele, also Personen die sich selber wahrscheinlich auch nicht als Gamer:innen wahrnehmen.
Man hat zur Vereinsgründung ein Dokument mit den Zielen für das Jahr 2027 erstellt. Ist das auch eine Provokation? Diese Ziele scheinen sehr ehrgeizig…
Visionen sind immer ehrgeizig. Deswegen ist es auch als Vision und nicht als Ziel formuliert und so, als wäre es schon umgesetzt: Es ist alles im Präsens geschrieben. Das sind Ziele, oder Visionen, von denen wir uns sagen, dass wir, weit in der Zukunft, dort hin möchten. Man möchte dementsprechend auch Leute darauf aufmerksam machen, was prinzipiell möglich wäre und sich daran orientieren. Dass das nicht alles direkt umsetzbar ist, ist klar, aber man weiß, wohin man gehen will.
Allein die Uni Bozen bietet an Fakultäten alles, was es für eine gute Ausbildung braucht: Design, Informatik und Wirtschaft.
Sowohl in der Presse-Aussendung, als auch in den Visionen für 2027, wird angedeutet, dass man auch das wirtschaftliche Potential des Gaming nutzen will. Es handelt sich dabei um einen Sektor, der Schätzungen zufolge in der Mitte der 10er Jahre die Marke von 100 Milliarden Dollar an globalem Umsatz überschritten hat. Wie kann man Südtirol einen Teil vom Kuchen sichern?
Es geht im ersten Moment darum, dies aufzuzeigen und eine Basis zu schaffen, damit auch in Südtirol das Thema Gaming ein Wirtschaftsfaktor werden kann. Nicht, dass wir davon profitieren wollen, es geht darum zu sagen, dass es, sei es auf der Entwicklungsseite, wie auf der Seite der Nutzer großes Potential gibt. Es gibt ja schon ein paar Leute, die, als Streamer oder im Bereich E-Sports* aktiv sind. Es gibt einige Südtiroler, die in der Gaming-Industrie arbeiten, aber alle nicht in Südtirol, weil es hier kein Studio, keinen Entwickler gibt, obwohl wir alles hätten, was es dafür braucht. Allein die Uni Bozen bietet an Fakultäten alles, was es für eine gute Ausbildung braucht: Design, Informatik und Wirtschaft. Das versuche ich seit Jahren in Gesprächen immer wieder anzustoßen, dass das toll wäre, wenn an der Uni Bozen eine Fakultät für Game-Development angedacht würde. Seit 2019 setzt die Gaming-Industrie meines Wissens nach mehr Geld um als die Film- und Musikbranche. Wenn man das mit dem Stellenwert der Filmförderung vergleicht, ist das interessant.
Wenn man nun über das Jahr 2027 hinaus denkt, um realistischer zu bleiben, was böte Südtirol der Spieleentwicklung über den Universitäts-Standort hinaus? Wenn man nur die Universität aktiviert, dann würden wieder qualifizierte Fachkräfte abwandern.
Genau. Da hätte einerseits der NOI-Techpark eine interessante Position, für die Förderung und Unterstützung junger Spieleentwickler bei der Firmengründung. Natürlich ist das mit Förderungen immer ein Thema. In Deutschland wurde da glücklicherweise erst wieder ein Topf aufgestockt, da laufen nun 70 Millionen Euro in die Entwicklungsförderung und das soll in den nächsten Jahren ausgebaut werden. Ich glaube, es ist eine junge Branche und alles, was junge Menschen dazu bringt an einem Ort gerne zu leben und zu arbeiten, würde helfen. Ich persönlich bin kein großer Fan von Förderungen, da sie immer recht punktuell greifen. Es gilt auch die Rahmenbedingungen für junge Menschen zu schaffen: Günstiger Wohnraum, Büroräume, Internet-Ausbau… Letzterer ist ein großes Thema, da sich sehr viel auf Distanz arbeiten lässt. Ich arbeite zum Beispiel für ein Studio, das seinen Sitz in Innsbruck hat. Ich arbeite von Zuhause, von Meran aus, habe aber große Probleme mit dem Internet. Das erschwert die Arbeit und dann bin ich irgendwann vielleicht weg, deswegen.
Wir können als kleiner, junger Verein nicht für alle alles bieten. Das geht Zeit- und Ressourcen-technisch nicht...
Kommen wir zu den Gamern zurück: Wie möchte man hier Geschmäcker zusammen bringen? Wer sich für Shooter interessiert, hat nicht notwendigerweise ein Interesse an Rollenspielen und umgekehrt…
Wir wollen Vielfalt in die Angebote bringen und auch Hilfestellungen bieten, für jene die selber Angebote schaffen wollen. Wir können als kleiner, junger Verein nicht für alle alles bieten. Das geht Zeit- und Ressourcen-technisch nicht, wir sind Ansprechpartner für alle, die Lust haben selbst etwas aufzubauen. Der erste von drei Aspekten, die wir versuchen abzudecken ist das digitale Spielen im Allgemeinen, wo wir gerade das zweite KiMM Together, eine Lan-Party**, am 17. und 18. Dezember vorbereiten. Das wird eine 24 stündige Gaming-Party, auf welcher auch Räume für das analoge Spiel bieten, Brettspiele und Rollenspiel-Ecken um damit auch in Kontakt zu kommen. Zum Aspekt des Game-Development haben wir den Game-Jam*** gestartet, wo mit der Uni ebenfalls eine zweite Ausgabe in Vorbereitung ist. Dann gibt es noch das Blackout Gaming, was komplett ins Analoge geht und wo wir auch mit Spieletreffs im Land arbeiten. Wir versuchen diese Anknüpfungspunkte zu schaffen, an welchen wir Leute auch physisch zusammenbringen.
Gibt es auch Möglichkeiten die beim Game-Jam entstandenen Spielentwürfe anzuspielen?
Ja, sie sind auf itch.io noch abrufbar, eines der Spiele wurde mit Unterstützung des Amts für Jugendarbeit auch weiter entwickelt und wird als Beitrag des Amtes zu den Autonomiefeierlichkeiten erscheinen. Es ist ein Citty Game, man läuft auf einer digitalen Schatzsuche durch die Stadt. Das Spiel wurde von einem Team von jungen Frauen, die an der Uni Bozen studiert haben, weiterentwickelt, eine ist aus Trient und zwei sind aus Brasilien. Anfang Dezember wird es vorgestellt.
Stichwort „Mobile Gaming“, also Spiele auf dem Handy. Diese haben unter Gamer:innen oft auch zu Recht einen schlechten Ruf. Will man hier auch eine Plattform bieten?
Wir geben ja nicht einzelnen Spielen eine Plattform, sondern der Kultur des Gamens an und für sich. Aus meiner Sicht ist jemand, der am Handy spielt genau so Gamer:in, wie jemand der Brettspiele oder jeden Tag World of Warcraft zockt, weil das unterschiedliche Formen des Gleichen sind. Bei Handy-Spielen besteht häufig eine Problematik, ähnlich wie bei vielen anderen Online-Spielen auf Konsole oder PC: Gemeint sind Ingame-Käufe, eine endlose Progression, Loot-Boxen****, durch welche Abhängigkeits-fördernde Mechanismen eingebaut werden. Das ist die dunkle Seite des Gamings. Da wollen wir Aufklärungsarbeit betreiben, wie man damit umgehen und worauf man achten sollte. Dementsprechend nehmen wir das ernst und wahr.
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