„Ein Kampf David gegen Goliath“
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Herr Lasota, Sie klagen am Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen Apple. Worum geht es in diesem Prozess?
Lucas Lasota: Ich würde zunächst gerne erklären, warum dieser Prozess so wichtig ist - für die Free-Software-Community aber auch für die Gesellschaft insgesamt, und dafür muss ich ein bisschen ausholen. Heutzutage besitzt fast jeder von uns ein Smartphone und diese Smartphones haben mittlerweile derart viele Funktionen und Fähigkeiten, dass wir in fast allen Bereichen unseres täglichen Lebens darauf zurückgreifen. Das heißt, wir sprechen inzwischen von einem „Allzweckcomputer“, der für die Ausführung einer Vielzahl von Aufgaben konzipiert ist und nicht mehr auf bestimmte Funktionen, wie Telefonieren oder Nachrichten verschicken, beschränkt ist. Warum dieser Punkt so wichtig ist, werde ich später noch genauer erklären. Diese Vielzahl an Nutzungsmöglichkeiten birgt zum einen nicht unerhebliche Risiken hinsichtlich Privacy und Datensicherheit. Zum anderen ist es so, dass ich, wenn ich ein neues Smartphone kaufe, erst mal ein Onlinekonto anlegen muss, um es überhaupt zu starten. Dann bringen die Geräte eine Vielzahl an vorinstallierten Apps mit, von denen sich ein Großteil nicht entfernen lässt. Diese Apps belegen nicht nur unnötig Speicherplatz, sie verbrauchen auch einiges an Akkuleistung. Gleichzeitig bin ich bei der Auswahl neuer Apps auf die gängigen App-stores von Google oder Apple angewiesen, Plattformen für freie Software wie zum Beispiel F-Droid waren lange Zeit nicht zugänglich. Oder der Browser - nach dem Betriebssystem die wichtigste Software auf jedem Gerät - ist standardmäßig von Google Chrome. Dann das Problem der Batterien, die sich heutzutage nicht mehr einfach herausnehmen und austauschen lassen, sondern mich dazu zwingen, ein ansonsten noch perfekt funktionierendes Gerät durch ein neues zu ersetzen. Diese Liste ließe sich endlos verlängern.
Das sind alles Probleme, die die meisten von uns kennen und über die sich viele auch ärgern, wo genau setzt ihre Klage an?
Die zentrale Frage ist, ob wir tatsächlich die Kontrolle über unsere Geräte besitzen oder ob wir immer mehr in unseren Rechten und unserer Freiheit eingeschränkt werden. Wir als Free Software Foundation Europe (FSFE) setzen uns für Geräteneutralität ein. Geräte, wie unsere Smartphones, die als Allzweckcomputer fungieren, müssen darauf ausgelegt sein, mit der Software zu arbeiten, die der Nutzer oder die Nutzerin installiert.
Warum ist Ihnen diese Geräteneutralität so wichtig? Die meisten von uns kommen ja mit der vorinstallierten Software ganz gut zurecht…
Es geht darum, dass Gerätehersteller wie Apple oder Internetplattformen wie Google längst eine Monopolstellung erreicht haben und so eine Gatekeeperfunktion in Bezug auf Software, Hardware und Dienste, die über das Smartphone abgewickelt werden, ausüben. Da geht es nicht nur um die Frage, welche Software ich nutzen kann oder nicht, sondern auch darum, was mit meinen Daten passiert. Wir wirken deshalb schon seit Jahren auf Entscheidungsträger in der EU ein, damit Regeln geschaffen werden, die im Sinne der Nutzer und Nutzerinnen sind.
Genau das ist ja das Ziel des Digital Markets Act (DMA), den die EU im Jahr 2022 verabschiedet hat.
Absolut. Die Europäische Union will damit die Monopolstellung der großen Techkonzerne durchbrechen. Wie schwierig und gleichzeitig wie notwendig dieses Unterfangen ist, lässt sich mit einigen Zahlen verdeutlichen: Google und Apple haben ein größeres finanzielles Gewicht, als viele Staaten dieser Welt, nimmt man beide Konzerne zusammen sind sie eine größere finanzielle Macht als Russland. Das sollte uns wirklich zu denken geben. Der DMA sieht nun also unter anderem vor, dass Endkunden die Möglichkeit haben müssen, jedwede Software zu installieren oder zu deinstallieren, die sie wollen. Dafür müssen dann auch alternative Appstores oder Bezahlsysteme zugelassen werden. Das Gesetz gilt neben Google und Apple übrigens auch für die Techriesen Microsoft, Meta und Tiktok.
Vor allem Apple ist nicht glücklich mit dem DMA und versucht sich zu wehren. Mit welchen Mitteln?
Vor ziemlich genau einem Jahr hat Apple einen Rechtstreit mit der EU begonnen, indem der Konzern die Rechtmäßigkeit des Digital Markets Acts anzweifelt. Die aus unserer Sicht wichtigsten Punkte betreffen die Appstores und die Interoperabilität der Geräte, also die Möglichkeit des Datenaustauschs zwischen Apple und anderen Systemen. Beides hat großen Einfluss auf die Freie Software, denn wenn zum Beispiel Apple keine anderen Appstores als die eigenen zulässt oder keine anderen Zahlungssysteme, dann bleibt den Entwicklern und Entwicklerinnen Freier Software der Zugang versperrt und den Nutzern und Nutzerinnen eine Vielzahl an hervorragenden Apps. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, dass wir als FSFE in dieses Gerichtsverfahren einsteigen. Und es war nicht einfach vom Gericht als Prozessbeteiligte akzeptiert zu werden, aber wir konnten nachweisen, dass wir in diesem Verfahren die Zivilgesellschaft vertreten.
Dieser Prozess scheint ein Kampf David gegen Goliath zu sein, wie stehen die Chancen auf einen Sieg?
Es ist bereits ein Sieg, dass wir überhaupt an diesem Prozess teilnehmen dürfen, und wir sehen es auch als große Verantwortung. Wir unterstützen in diesem Verfahren die Ziele der EU-Kommission. Es geht nicht darum, Apple zu enteignen oder was auch immer, aber es ist äußerst wichtig, dass sich Apple dem DMA beugt. Unser Ziel ist es daher, dass der EuGH die Klage von Apple abweist. Andere Konzerne wie z.B. Google haben ihre Lektion bereits in den vergangenen Jahren gelernt und wurden auch mithilfe von Strafen in Milliardenhöhe zum Einlenken gebracht. Bei Apple steht dieser Lernprozess noch aus, dort behauptet man aktuell, dass I-Phones keine Allzweckcomputer sind und deshalb der DMA nicht greift. Das ist genau das Gegenteil von der Idee, die Apple-Gründer Steve Jobs im Jahr 2007 vorgestellt hat: Einen Computer, den man in die Tasche stecken kann.
Inwiefern ist dieser Prozess von Bedeutung für kleine und mittlere Unternehmen z.B. auch in Südtirol?
Im Jahr 2022 hat die EU-Kommission eine Studie zur Softwareindustrie in Europa vorgestellt. Demnach besteht die Branche zu mehr als 90 Prozent aus kleinen oder mittelständischen Unternehmen und 94 Prozent dieser Unternehmen haben weniger als neun Beschäftigte. Diese kleinen Unternehmen, die oft fantastische Dienstleistungen anbieten, wären niemals in der Lage mit den riesigen Softwarekonzernen aus dem Silicon Valley zu konkurrieren. Deshalb brauchen wir Regeln, die diesen Unternehmen den Zugang zum Markt erleichtern. Ich spreche hier gerne von Vertrauenswürdigkeit. Menschen, nicht nur in Südtirol, nutzen gerne Firmen, denen sie vertrauen, egal ob es nun um Software geht oder anderes. Lokale kleine und mittlere Unternehmen können aber nicht einmal bei der Werbung mit den Großkonzernen mithalten. Es gibt für alle Anwendungen auf dem Smartphone auch hervorragende Open-Source-Lösungen und wenn diese im Appstore zu finden sind, werden sie auch genutzt. Der DMA bietet also gerade auch für kleine und Mittlere Unternehmen enorme Entwicklungschancen.
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Mehr Infos zur SFSCON 2024 gibt’s unter sfscon.it.
Dr. Lucas Lasota ist Legal Programme Manager bei der Free Software Foundation Europe (FSFE). Sein Hauptinteresse gilt dem Telekommunikations- sowie dem Software- und IT-Recht. Er hat einen Master und einen Doktortitel in Rechtswissenschaften. Aktuell ist er als Postdoc an der Humboldt Universität in Berlin tätig. Lucas Lasota hat am 8. November auf der SFSCON im NOI Techpark in Bozen einen Vortrag zum Thema: „Apple vs. Europäische Kommission: ein Plädoyer für Softwarefreiheit“ gehalten.
SFSCON wurde von der EU im Rahmen des EFRE-Projekts 1048 IMPACT kofinanziert. -
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