„Zeitdiebe sind allgegenwärtig“
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SALTO: Welches Buch hat Sie in Ihrer Kindheit nachhaltiger geprägt, als Sie damals je geglaubt hätten?
Sarah Scherer: Definitiv Michael Endes Momo. Damals habe ich vor allem die Geschichte genossen, aber heute sehe ich, wie tief sie mich geprägt hat. Die Zeitdiebe sind allgegenwärtig und ich spüre immer mehr, dass das Leben jenseits von Effizienz stattfindet. Momo ist eine Warnung, die ich auch heute noch im Kopf habe.
Welcher letzte Satz eines Romans ist und bleibt für Sie ganz großes Kopfkino?
Der letzte Satz aus Luigi Pirandellos Einer, keiner und hunderttausend: ‚Ich existiere nicht mehr für mich selbst, ich bin gestorben; ich bin ein Lebender geworden, der nicht mehr weiß, dass er lebt.‘ Diese Zeilen hallen nach, als stünden wir auf einer Bühne, die Pirandello selbst entworfen hat – real und doch eine Maske.
Ein kleines Puzzle des Bekannten, ohne das Risiko echter Gefahr.
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Reimen ist doof, Schleimen ist noch doofer… Auf welches – anscheinend gute – Buch konnten Sie sich nie wirklich einen Reim machen?
Thomas Manns Der Zauberberg. Die Welt lobt seine literarische Größe, aber ich habe mich immer wieder in den langen Sätzen verloren, als wäre ich selbst auf einem endlosen Berghang gefangen. Vielleicht finde ich eines Tages den Zugang – oder einen kürzeren Weg.
Ein Fall für Commissario Vernatschio. Wie erklären Sie einem Außerirdischen die geheimnisvolle Banalität von Lokalkrimis?
Ein Lokalkrimi ist wie ein kleines Heimatmuseum für Nervenkitzel – spannend für jene, die wissen, dass diese kleinen Straßen existieren, und irgendwie beruhigend, weil die großen Weltgefahren außen vor bleiben. Ein kleines Puzzle des Bekannten, ohne das Risiko echter Gefahr.
Gewichtig! Welchen Buch-Tipps schenken Sie noch uneingeschränkt Vertrauen?
Alles von Amélie Nothomb. Ihre Bücher sind ein Feuerwerk aus Klugheit, Witz und schonungsloser Ehrlichkeit. Ihre Stimme bleibt in jeder Zeile unverwechselbar – und sie schafft es, selbst die dunkelsten Themen mit Leichtigkeit zu erzählen.
Was für ein Fehlschlag! Welches Buch würden Sie auf einer einsamen Insel zurücklassen?
Vielleicht könnte ich auf Shades of Grey gut verzichten – besonders auf einer einsamen Insel, wo ein wenig Anspruch und geistige Anregung willkommener wären.
Das Rauschen des Blätterns. Welches Buch würden Sie auf keinen Fall am E-Book-Reader lesen?
Theaterklassiker wie Shakespeare brauchen die haptische Nähe eines Buches, weil sie auf der Bühne lebendig werden. Das Blättern zwischen den Dialogen ist wie das Schmökern in den Kulissen eines Stücks.
Welches Buch zu Südtirol oder eines/einer Autors/Autorin aus Südtirol würden Sie unbedingt weiterempfehlen?
Haga Zussa. Die Zaunreiterin von Anita Pichler. Es schafft eine ganz eigene, raue Welt, die zwischen Poesie und Realität schwebt. Ein Buch, das man nicht so schnell vergisst.
(c) Bayrische StaatsoperWYLDArticoli correlati
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