Egetmann schnappt nach UNESCO
Seit 7. Jänner ist Tramin im Ausnahmezustand. Wie jedes Jahr eigentlich. Denn entgegen der gängigen Meinung, dass die Faschingszeit alljährlich am 11. November um 11.11 Uhr ihren Anfang nimmt, wissen die wenigsten, dass in den alpenländischen Regionen der Fasching am Tag nach dem Dreikönigsfest beginnt, also am 7. Jänner. Doch dieses Jahr ist etwas anders in Tramin. Wie in jedem ungeraden Jahr eigentlich. Der Egetmann Hansl geht wieder auf Brautschau. Aber dieses Mal unter ganz besonderen Vorzeichen.
Stolz auf “kontrolliertes Chaos”
Schon bald könnte dem Egetmann eine hohe Ehre zuteil werden. Man will ihn, besser gesagt, den Umzug, der alle zwei Jahre anlässlich seiner Hochzeit veranstaltet wird, in das immaterielle Weltkulturerbe der UNESCO aufnehmen. “Man”, das sind in bester Egetmann-Tradition – Frauen ist die Teilnahme am Umzug seit jeher nicht gestattet – Günter Bologna, Obmann des Egetmannvereins, Tramins Bürgermeister Wolfgang Oberhofer, der Direktor des Volkskundemuseums in San Michele, Giovanni Kezich, und einzelne Politiker in Bozen und Rom. Sie alle haben sich gemeinsam mit ihren Mitarbeitern die Unterstützung des Ministeriums für Kulturgüter, kulturelle Aktivitäten und Tourismus gesichert. “Das ist eine Premiere für Südtirol”, meint Philipp Achammer stolz. Umgeben von drei “Wudelen”, den lärmenden Schnappviehern, die den Egetmann-Umzug anführen, einigen Ratsherren und weiteren Figuren des Traminer Faschingstreibens, sitzt der Kulturlandesrat am Freitag Morgen im Pressesaal der Landesregierung.
Ausnahmezustand bis Aschermittwoch
Dass der Egetmann-Umzug mehr als eine jahrhundertalte Tradition, mehr als ein einfacher Brauch und daher einzigartig ist, darüber sind sich alle Anwesenden einig. Kezich gerät ins Schwärmen, als er ausführlich erklärt, was den Traminer Faschingsumzug für einen Experten wie ihn ausmacht: “Ich habe in 15 europäischen Ländern etwa 100 Faschingsumzüge erforscht, und wenn mich jemand von einem anderen Kontinent fragen würde, wo es einen Umzug zu sehen gibt, der sozusagen ein Herzstück der Faschingskultur darstellt – ich würde ihn nach Tramin schicken.” Dort wird die fünfte Jahreszeit, wie Bürgermeister Oberhofer den Fasching nennt, seit Jahrhunderten ausgiebig gefeiert. Wochenlang wird an den Wägen und Kostümen für den Egetmann-Umzug gebaut und getüftelt. Und jedes Jahr steigt die Teilnehmerzahl: Bei den letzten Umzügen waren bis zu 800 Aktive dabei – eine ansehnliche Zahl für ein Dörfchen mit etwas mehr als 3.000 Einwohnern. Kein Wunder, dass auch mehr und mehr Schaulustige von dem Treiben in den Traminer Gassen angelockt werden. So heißt es etwa für den heurige Ausgabe, die am Faschingsdienstag am 28. Februar um 13 Uhr beginnt, bereits: “Kommen Sie früh genug, es können leider nur 10.000 Besucher zugelassen werden.”
Was sollte dem Titel “UNESCO-Weltkulturerbe” also noch im Wege stehen? “Eigentlich nichts”, ist Oberhofer überzeugt. Günter Bologna stimmt zu. “Wir stehen anderen Umzügen um nichts nach”, sagt der Obmann des Egetmannvereins in reinstem Traminer Dialekt. Er ist kein Mann der großen Worte, doch die braucht es an an einem Tag wie diesen auch nicht. Voraussichtlich am 27. März wird die Entscheidung der UNESCO-Kommission über den Antrag auf die Aufnahme ins Weltkulturerbe fallen. “Wir sind bereit, den Titel mit Stolz und Würde zu tragen”, meint Landesrat Achammer am Ende der Pressekonferenz. Und spricht damit wohl allen Anwesenden aus der Seele – auch den “Wudelen”, die kräftig Lärm machen bevor die Mikrofone ausgeschaltet werden.