Società | Landwirtschaft

Luis II.

Die Bauern sind wütend! Auf die EU, auf die Politik samt ihrer Bürokratie und darauf dass die Wertschätzung fehlt. Ihr großer Hoffnungsträger: Luis Walcher.
Luis Walcher
Foto: SALTO/AT
  • Mit rund 200 Traktoren sind die Bauern heute in Bozen zur Demo angerollt, um ihren Unmut zu kundzutun. Vor dem Magnago-Platz versammelte sich eine Hundertschaft von Landwirten aus allen Landesteilen. Aufgerufen hatte dazu die Arbeitsgruppe Zukunft Landwirtschaft rund um Georg Gallmetzer und Günther Ambach, die damit ihre Solidarität mit den Bauernprotesten in anderen europäischen Ländern wie Deutschland, Frankreich, Holland und Polen demonstrieren wollten. Die Initiative dazu wurde laut Gallmetzer ergriffen, nachdem der Bauernbund nicht bereit war, selbst tätig zu werden. Und bis gestern sah es noch so aus, als ob die Führungsspitze des mächtigen Verbandes der Veranstaltung geschlossen fernbleiben wollte – grad so, als würde man die Motive ablehnen. 

  • Daniel Gasser: Auch der neue Bauernbund-Obmann ist zu der Bauern-Demo nach Bozen gekommen. Foto: Seehauserfoto

    Wie es in den Bauernkreisen hieß, waren wohl weniger die verschiedenen und berechtigten Anliegen der Bauern das Problem, obwohl der vor Kurzem aus dem Amt geschiedene Bauernbund-Obmann Leo Tiefenthaler erklärt hatte, dass Bozen der falsche Ort sei, um zu demonstrieren, als vielmehr das „nicht sehr gute Verhältnis“ zwischen Gallmetzer und Tiefenthaler. Hinter vorgehaltener Hand wurde auch deutlich die Frage geäußert, weshalb man ausgerechnet diesen Termin – unmittelbar nach der Klausur und ohne die Möglichkeit, sich im neuen Vorstand eingehender darüber zu beraten – gewählt hatte. Nichtsdestotrotz sind sowohl der neue Obmann, Daniel Gasser, wie auch seine beiden Stellvertreter Manfred Vallazza und Michael Kaufmann zur Veranstaltung gekommen, ebenso zahlreiche Vertreter der Bezirke wie beispielsweise Hannes Dosser aus dem Burggrafenamt und anderer Ortsgruppen. Nachdem der neue Landesrat für Tourismus und Landwirtschaft, Luis Walcher, seine Zusage gegeben hatte, konnte der Bauernbund allerdings auch schlecht mit seiner Abwesenheit glänzen. Was Walcher betrifft: Mit diesem politischen Schachzug ist es ihm gelungen, die Kundgebung nicht allein den politischen Oppositionellen wie Jürgen Wirth Anderlan (JWA), Andreas Leiter Reber (Freiheitliche), Markus Hafner, der bei den Senats- und Landtagswahlen für das Team K angetreten war, oder Hannes Rabensteiner (Süd-Tiroler Freiheit) zu überlassen und ihnen damit einiges an Wind aus den Segeln zu nehmen. 

  • Gegen alles und jedes?

    Im Vorfeld standen viele Medien etwas ratlos dieser Demonstration gegenüber. Man wusste mit den Themen, der Kritik und den Anliegen, die zu diffus erschienen und nicht auf einige wenige Schlagworte heruntergebrochen werden konnten, nicht viel anzufangen. Zusammenfassend forderten die Redner und Rednerinnen die Entbürokratisierung der Landwirtschaft, welche die großen Konzerne fördere, die kleinen aber zum Aufgeben zwinge, die Abschaffung der „absurden und nicht erfüllbaren“ Vorgaben, die mit dem Green Deal umgesetzt werden sollen und die Abkehr der EU von der Zerstörung der europäischen Landwirtschaft, während gleichzeitig Lebensmittel aus anderen Ländern billig importiert werden. 

  • Andreas Leiter Reber von den Freiheitlichen nahm in seiner Rede die Bauern ins Gebet, die wieder mehr Verantwortung übernehmen und Eigeninitiative zeigen müssten. Anstatt bei den Genossenschaftsversammlungen jene auszulachen, die nachfragen und sich interessieren, wie diese und jene Entscheidungen zustande kommen, sollte man selbst aktiv werden und sich nicht nur für den Bereich Produktion interessieren, sondern auch für den „Verkauf“. Schließlich gehörten die Genossenschaften den Bauern und nicht umgekehrt. 

    Veronica Giovannini, Sprecherin der Trientner Bauernprotestbewegung, beklagte in ihrer sehr emotionalen Rede das Wolfsmanagement sowie das „allerneueste bürokratische Geschenk“ an die Bauern, das eine Reduzierung der tierärztlichen Versorgung mit Antibiotika vorsieht. Was in der Massentierhaltung und bei Tausenden Schweinen und Hühnern sehr wohl Sinn macht, weil bereits zur Vorsorge dem Futter Antibiotika beigemischt wird, führt in der kleinstrukturierten Landwirtschaft dazu, dass man seine Tiere nicht mehr behandelt. „Wo ist da das Tierwohl?“, fragte Giovannini. 

  • Wider den Green Deal

    Forderungskatalog der Bauern: Von fairen Preisen bis hin zu CO2-Zertifikaten. Foto: Arbeitsgruppe Zukunft Landwirtschaft

    Neben dem zehn Punkte umfassenden Forderungskatalog traten in den Gesprächen mit den Bauern aber noch weitere Themen zutage: In der Gesellschaft scheint sich zunehmend eine Stimmung breit zu machen, welche die Landwirtschaft pauschal als Umweltzerstörer, Giftmischer und Tierquäler sieht. „Zuerst sind wir dran, dann geht es dem Tourismus an den Kragen“, so eine Aussage. Kurzum man fühlt sich auf der Abschussliste. So wundert nicht der Seitenhieb Gallmetzers auf Hanspeter Staffler, Geschäftsführer des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz, der gestern (16. Februar) in seiner Pressemitteilung den Vinschgau unter einer Pestizidwolke verortete. Die 200.000 Euro, die dieser Verband an Förderungen erhalte, könnten wohl sinnvoller ausgegeben werden, so Gallmetzer. Wie der Sprecher der Initiative weiters betonte, habe man es satt, von jenen, die man satt mache, ständig kritisiert zu werden. Die Bauern haben genug von der Bevormundung und fordern, dass unlautere Handelspraktiken im Lebensmittelhandel verhindert werden und vor allem faire Preise für die Lebensmittel gezahlt werden sollen, damit die Bauern von den Erlösen leben können. Markus Hafner vom European Milk Board stieß in dasselbe Horn und kritisierte die Großkonzerne, welche die europäische Politik dominieren und erteilte dem Green Deal eine klare Absage. Dadurch würde die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe in Existenznot gebracht. Auch die Importe an landwirtschaftlichen Produkten aus der Ukraine, die unter jeglichem Standard produziert würden, bedrohten die europäischen Bauern, die mit dieser Billig-Importware nicht konkurrieren könnten. 

  • „Es lebe die Landwirtschaft!"

    Nach rund eineinhalb Stunden kam dann jener Redner zu Wort, auf den viele gewartet hatten. „Die längste Zeit hatten wir keinen Luis mehr und ich hoffe, er ist ebenso tüchtig wie sein Namensvetter Luis Durnwalder“, kündigte Gallmetzer den neuen Landwirtschaftslandesrat an und erklärte, dass man ein sehr gutes Verhältnis zueinander pflege und hoffe, dass es noch zu weiteren fruchtbaren Treffen komme. „Ich empfinde diese Veranstaltung als Zeichen der Solidarität mit unseren Berufskollegen in ganz Europa und absolut nicht als Kritik an der bisherigen Südtiroler Landwirtschaftspolitik, an der Landesregierung oder gar an mir“, so Landesrat Walcher und betonte: „Bauern produzieren zwar hochwertige Lebensmittel, können davon aber leider nicht mehr leben – trotz Subventionen.“ 

     

    „Wissen schafft Sicherheit bei den Menschen.“

     

    In Südtirol sei bis dato eine vernünftige Landwirtschaftspolitik betrieben worden, und auch nur deshalb gebe es noch so viele Betriebe in diesem Land. In anderen Regionen sehe die Situation deutlich dramatischer aus. Walcher rief zu Einigkeit auf, die immer die Stärke der Bauern gewesen sei. „Reden wir vor allem auf Augenhöhe mit der nicht-bäuerlichen Bevölkerung, erklären wir ihnen, was wir tun und warum wir es tun – denn Wissen schafft Sicherheit bei den Menschen“, erklärte der Landwirtschaftslandesrat und forderte die Anwesenden dazu auf, dass ein jeder Botschafter seines Standes sein solle, so gut er es in seinem Umfeld vermöge. „Es lebe die Landwirtschaft“, schloss Walcher seine Rede unter dem Applaus der Anwesenden.