Cultura | Salto Weekend

Nature Writing

Martin Streitberger stellt sich an das Ufer des Eisack und trägt seine Lyrik vor. Das Duo "huja" jodelt dazu. Es ist ein Sommerabend der so (und nicht anders) dahinfließt
Nature
Foto: Unsplash

Wie viele Gedichte es waren, die Martin Streitberger an dem lauen Sommerabend gelesen hat – wer weiß es genau? Vielleicht waren es am Ende genau so viele, wie Enten und Menschen seinen Worten lauschten, die er zum Grundrauschen des Wassers vortrug. Dabei waren seine Gedichte durchaus vergleichbar mit dem Fluss, vor welchem er am Ufer seine Gedichte in die Natur-Arena hineintrug, verstärkt durch ein Mikro, damit der Eisack seine leisen Gedanken nicht übertönte. Kurz vor das Talfer-Wasser sich mit dem Eisack verdünnt, nur wenige Längen vorher, hatte der Bozner Poet zum abendlichen Naturspektakel geladen, zu Getränk und Gesang und zu seinen literarischen Ergüssen. Sie kommen von einem, der, wie er selbst sagt, sich beim Schreiben treiben lässt, manchmal ohne Rücksicht wohin ihn die Worte führen. Gedicht um Gedicht. Dazwischen gaben Heidi Clementi und Brigitte Knapp vom Duo huja  Gesangseinlagen, ohne Mikro und Verstärker, aber mit ungeheurer Wucht und in einer stimmlich einwandfrei abgestimmten Anmut. So wechselten sich beide ab, das Duo und der Dichter. Der Abend plätscherte dahin, bis die Dämmerung langsam das Licht ausschaltete.

rein

der weite blick auf mehr
vom see dem fluss auf berge
verräumt liebes vieles leer alles bleibt eins
eins und ich verträume insgeheim befleckt
vom meeresfrieden den großen wellen
und will vergessen die zähne der losen reihen der hellgezählten kriegssärge und
es steigt jene sorge auf die mich doch belehrt und mir die frage
zum paradiese noch gewährt 
vielleicht weist denn unschuld den reinen weg zur einkehr in die dunkle stille?
 

foto_1.jpg
Den Fluss im Rücken: Martin Streitberger bei seiner literarischen Perfomance am Eisack / Foto: Privat


Martin Streitberger ist einer der es vorzieht seinen Gedichten eine kleine Anmoderation mit auf den Weg zu geben, als müsse er die nachfolgenden Wortflüsse erklären. Er tut es, dem Publikum zuliebe, damit es sich auf seine zu Papier gebrachten Gedanken einstimmen kann. Wenn der Dichter in freier Natur mit Worten an der Angel nach Aufmerksamkeit fischt, dann nimmt er es freilich auch mit ihr auf, der Natur, kämpft an, gegen den wuchtigen Wasserlauf, gegen die immer wieder vorbeiziehenden Windstöße, die Tierwelt. Das ist nicht immer ein leichtes Spiel. Eine Besucherin soll angemerkt haben, es wäre bei dieser Naturlesung durchaus angebracht gewesen, ausgedruckte Textpassagen Streitbergers aufliegen zu lassen, sodass bei Bedarf die Möglichkeit bestünde, dem Vorgelesenen auch mit dem Auge zu folgen und um zu verhindern, dass eigene Gedanken abdriften, vom vorgegebenen Kurs abkommen und ins Uferlose ziehen. Als Unterstützungsmaßnahme sozusagen. Wäre der klangliche und natürliche Zauber der gleiche?

düfte

frühling gelebt
gestohlen weit weg
sei gepriesen die blume je
kleemai geht ihr dumm baden
und legt euch nieder gleich riesen
das ego strahlt ewig auf euch
und ihr müsst den Kopf gleich wenden
und fest doch lieb feucht niesen
bewahre uns jedoch
um dann taumelnd zu liegen
auf den aromatisierten wiesen.
 

j1.jpg
Allerlei Verjodeltes: Heidi Clement und Brigitte Knapp servierten uriges Liedgut in zeitnaher Umsetzung / Foto: Salto.bz


Martin Streiberger bestreitet den von ihm konzipierten Abend verhalten souverän. Er unterbricht seine größtenteils deutschsprachig vorgetragene Poesie, mal in Mundart, mal mit italienischsprachigen Gedichten. Es sind viele kleine Gedichte, mit der er der Naturgewalt immer wieder aufs Neue Paroli bietet und dabei ein ums andere mal erkennen müssen, dass die Natur selbst auch ein ebensolches ist. Tatsächlich ist ja auch sie ein Gedicht. Es ist nur bedauerlich, dass sich Politik und neoliberale Wirtschaftsfrevler auf sie keinen wirklich passenden Reim machen. Schade und eine Schande.
Nature Writing überschreibt Martin Streitberger seine Texte, es sind Naturbeschreibungen, die auf sanfte Art und Weise die Natur ausbeuten, die dadurch aber keineswegs Schaden nimmt. Streitbergers Verse sind im besten (Un)Sinn biodivers, er lässt jedes Pflänzchen blühen, Unkraut wie Rose, und lässt sie alle Platz nehmen auf der einen Wiese, am besagten Ufer, jodelnd untermalt mit urigem Liedgut. Und nur für diesen einen Abend. 

calate

fiori miei su di fuori
cuore mal tuoi in cuori
come faccio a piacerti li
vi sarà sempre il mio dubbio
qui a chiarire poi gelosamente se
su vaniglia rimane carazenzero
se noi meglio che vi risulta
il nostro naso che non ci perdona
quel vello che poi ti odora d'oro nei tuoi giorni.
 

e1.jpg
Enten und Menschen: Den Worten des Dichters lauschen / Foto: Salto.bz