Cultura | Salto Weekend

Unter pharaonischer Aufsicht

Kapitel 1 eines Langzeit-Projekts führt vom Centro Trevi mit Zwischenstopp in Turin nach Ägypten. Vorgestellt wurde „Kunstgeschichten mit den großen Museen“ gestern.
„Die alten Ägypter: Meister der Kunst“
Foto: Privat
Bei der Präsentation anwesend war - neben dem Resort-Direktor für italienische Kultur, Umwelt und Energie, Antonio Lampis, sowie Giuliano Vettorato, Provinzrat für italienische Kultur und Kurator Paolo Marini vom Ägyptischen Museum in Turin - auch Ramses II., dritter Pharao der 19. Dynastie. Letzterer war zumindest ideell, in Form einer Glasfaserkunststoff-Kopie jenes Kunstwerkes anwesend, welches François Champollion, Entzifferer der Hieroglyphen und Vater der modernen Ägyptologie, auf eine Stufe mit dem Apoll von Belvedere stellte. Das Original steht wie kaum ein anderes für das Ägyptische Museum in Turin, das als weltweit wichtigste Institution seiner Art außerhalb Kairos gilt. So obliegt es dem sitzenden Pharaonen bereits jetzt, vor der Sommerpause auf die im Herbst (vom 21. September bis zum 10. Dezember) geplante Ausstellung „Die alten Ägypter: Meister der Kunst“ hinzuweisen. Christian Grecco, Direktor des Museums, ließ eine Videobotschaft abspielen.
Antonio Lampis unterstrich dabei, in Hinblick auf das Projekt „Kunstgeschichten“, den besonderen Fokus, welchen man auf die Einbindung Geringverdienender und der Kultur ferner Personen legen möchte. Die Ausstellung wird bei freiem Eintritt zugänglich sein. Lampis verriet auch, dass der zweite Teil bereits in Ausarbeitung sei und uns im kommenden Jahr, in Zusammenarbeit mit dem Etruskischem Nationalmuseum Villa Giulia, in das Forte einer weiteren renommierten Kulturinstanz einführen wird. Mit Teil 3 werde sich das Projekt dann zusehends weiter in Richtung Gegenwart vorarbeiten.
Von den mehr als 40.000 Stücken, welche im Museo Egizio ausgestellt oder verwahrt sind, hat sich Kurator Paolo Marini zur Aufgabe gemacht, eine Auswahl von 19 Originalfundstücken zu treffen, die einen repräsentativen Überblick von der prädynastischen Zeit (3900 bis 3300 vor Christus) bis in die griechisch-römische Epoche (332 vor, bis 395 nach Christus) bieten sollen. Einige der Objekte werden in Bozen zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgeführt. Dabei betonte Marini den Wert der einzelnen Exponate und dass es sich bei den Stücken aus dem Archiv keineswegs um weniger interessante Objekte handle. Es gehe vielmehr immer darum - in Turin wie auch in Bozen - eine kuratorische Entscheidung zu treffen, welche Stücke nun zueinander passen und welche nicht.
 
„Die alten Ägypter: Meister der Kunst“
„Die alten Ägypter: Meister der Kunst“: Zu Fuße des Pharaos sitzen, von links nach rechts: Antonio Lampis, Giuliano Vettorato und Paolo Marini. | Foto: LPA/Crocco
 
Wenngleich er den Begriff „Künstler“ aus einer heutigen Sicht für anachronistisch erklärte, so zeigte sich Marini dennoch überzeugt, dass man durch die Ausstellung in Bozen in der Lage sein werde, spannende Einblicke in die Kultur des alten Ägypten zu bieten, welche in gewisser Weise bis heute fortbestehe. Im Anschluss an die Pressekonferenz haben wir mit dem Ägyptologen und Kurator über die kommende Ausstellung gesprochen.
 
Salto.bz: Herr Marini, Sie haben darauf hingewiesen, dass das Ummünzen eines Künstlerbegriffs, wie wir ihn heute verwenden, problematisch sein kann. Worin bestehen die größten Unterschiede?
 
Paolo Marini: Das erste Problem betrifft das Ausmachen künstlerischer Personen, was mit der Organisation von Arbeit zu jener Zeit zu tun hat, als diese zumeist gemeinschaftlich verrichtet wurde. Denken wir heute über altägyptische Kunstwerke nach, so steht meist der Auftraggeber im Vordergrund und nicht jene Personen, welche eine Arbeit geschaffen haben. Das macht es fast unmöglich in direkten Kontakt mit diesen künstlerischen Personen zu treten, von denen wir nur wenig wissen. Einige Namen haben uns aber erreicht, etwa jener von Imhotep. Methodologisch besteht ein weiteres Problem darin, dass der Begriff des „Künstlers“ erst zwischen dem 8. und 9. Jahrhundert erfunden wurde. Man beginnt ab diesem Zeitpunkt auch, zwischen Kunst und Kunsthandwerk zu unterscheiden, was von uns überwunden werden muss, wenn wir uns mit einer Zivilisation wie der Ägyptens befassen. Das erlaubt uns anzuerkennen, dass Objekte wie die Grabmaske Tutanchamuns oder die Büste der Nofretete Kunstwerke und nicht bloß Kunsthandwerk sind.
 
Nach welchen Kriterien wurde der zeitliche Rahmen für die Ausstellung abgesteckt?
 
Wir haben eine Entscheidung getroffen, die auch durch die Objekte mitbestimmt wurde, welche wir verwenden können. Sie deckt eine lange Zeitspanne ab: Das älteste Objekt ist eine prädynastische Vase, welche in etwa auf 3200 vor Christus datiert wurde, während das jüngste Objekt eine Grabmaske aus der Zeit der Ptolemäer ist. Es war ausgesprochen schwierig eine Auswahl zu treffen und über diesen Zeitraum ließe sich viel sagen, so dass wir eine Auswahl treffen mussten, von welcher wir hoffen, dass das Publikum mit ihr zufrieden ist.
 
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„Die alten Ägypter: Meister der Kunst“: Ein Steingutfigürchen aus der Zeit des Mittleren Reiches (2137 bis 1781 v. Chr.). | Foto: Museo Egizio
 
In welchen Bereichen besteht in Ihren Augen die Kultur des alten Ägypten fort?
 
Auch hier haben wir es wieder mit einem methodologischen Problem zu tun: Das Ende einer Ära ist nur eine kunsthistorische Konvention. Wenn ich persönlich vom antiken Ägypten spreche, dann verwende ich den Begriff pharaonisches Ägypten, weil diese Figuren für die Zeit in welcher sie an der Macht waren prägend gewesen sind. Erklärte man bis vor einiger Zeit die antike Kultur noch um etwa 300 vor Christus, mit der Ankunft von Alexander dem Großen für beendet, so wissen wir dass sich diese, zumindest auf territorialer Ebene, weiter entwickelt hat. Dasselbe passierte mit Oktavian-Augustus oder dem Tod Cleopatras. Die Kultur entwickelte sich und sollte als Echo in den Koppten fortbestehen.