Postdramatisch pragmatisch
Gerade sind wieder zwei Produktionen unter Dach und Fach gebracht. Die „Peepshow“, ein Eine-Frau-Stück um Liebe und Einsamkeit war im Mai im Brixner Anreiterkeller zu sehen, die jährlich wiederkehrende Produktion der Theatergruppe VonPiderzuHeiss. „Wir machen jedes Jahr im Frühjahr eine Aufführung für den Anreiterkeller in Stufels, freundlicherweise haben uns die Leute von der Dekadenz von Anfang an unter die Fittiche genommen und stellen uns die Bühne und ihre gute Beratung zur Verfügung,“ verrät Anna Heiss. Das zweite Stück der diesjährigen Saison, „Salvation“ war als Performance vor einer Woche in der Franzensfeste zu sehen. „Das haben wir im November 2014 in Zusammenarbeit mit dem Kunstraum Prawnegg & Wolf in Bruneck inszeniert und ist jetzt unser Beitrag zur Ausstellung 50x50x50; da haben wir ganz schön gearbeitet um den Raum in der Franzensfeste für unsere Theaterinstallation so hinzukriegen wie es sein sollte, es war anstrengend aber wir sind zufrieden.“
Die Gruppe um Anna Heiss und Nora Pider ist „selfmadewoman“ auf allen Ebenen, beim Bühnenbild, in der Recherche, Dramaturgie und Textarbeit, Regie und Choreografie, die Musik wird oft von den Freunden der Musikgruppe „The Artificial Harbor“ beigesteuert. Vor allem die Themen stammen aus der eigenen Erlebniswelt, sagt Anna Heiss, man strebt nach einer authentischen subjektiv-weiblichen Bühnenästhetik und einer zeitgenössischen Bühnensprache. Nora Pider und Anna Heiss haben sich über das Theaterpädagogische Zentrum in Brixen kennengelernt, wo man konsequent mit den individuellen Fähigkeiten der Spieler arbeitet, bei Kindern, bei Jugendlichen. Die ersten Schritte in die Theaterwelt geschahen dort. „Nora ist mehr in Richtung Tanz und Choreographie gegangen und ich bin nun die Regisseurin und Dramaturgin,“ beschreibt Anna Heiss die Zuschreibungen innerhalb der Gruppe. „Obwohl es natürlich so ist, dass wir unsere Stücke immer gemeinsam erarbeiten, besonders bei „Salvation“, das sehr körperbetont ist, war es vor allem Nora die die Szenen im Detail entwickelte, ich habe an der äußeren Erzählung und am dramaturgischen Konzept gearbeitet.“
Ein Erlösungsszenario soll Salvation sein, wie der Name bereits sagt. Wo findet der moderne Mensch sein Heilsversprechen, seinen Trost angesichts der Sinnenverwirrung unserer heutigen Zeit? Einst war es die Religion, und die sei immer noch stark präsent, meint Anna Heiss, Jahrgang 1988 und Tochter aus liberal-kritischem Haus. Nicht weil sie selbst oder ihre Generation die Religion neu entdeckt hätte, sondern weil vor allem die Rituale und Symbole der katholischen Kirche nach wie vor wie eingebrannt sind in das kollektive Unbewusste. Und weil die Suche nach Erlösung aller individuellen Leiden nach wie vor starkes menschliches Streben ist.
SALVATION ✝ VonPiderZuHeiss ✝ from Julian Angerer on Vimeo.
Im Stück wird die Liebe als Erlösungszenario dargestellt, aber funktioniert das? „Eine Zertrümmerung“ sei das Stück, schreibt Daniel Brandlechner in franzmagazine, und als „ Lehrbuchbeispiel für raumfassendes Spiel und Bühnenpräsenz" rezensiert Michael Denzer in der Dolomiten. „Salvation“ ist noch zu sehen, in der Festung Franzensfeste am 28. und 29. August.
Neben VonPiderzuHeiss gibt es aber noch andere Dinge zu tun: „Ich bin gerade dabei, meine beiden Studien zu beenden, die ich in Wien aufgenommen habe, Germanistik und Kulturmanagement, und ich arbeite bereits beim Theater Spektakel im 5. Bezirk mit, das ist eine ähnliche Einrichtung wie der Anreiterkeller in Brixen.“ Dort möchte Anna Heiss ihre organisatorischen Fähigkeiten erproben und am Aufbau eines Theater mitwirken. Regieführen sei zwar schön und die Professionalisierung der Theatergruppe VonPiderzuHeiss schreitet voran, doch kann sie sich auch ein Leben hinter den Kulissen vorstellen. „Ich mag die konzeptuelle Arbeit sehr gern und es könnte auch sein, dass sich beim reinen Künstlerdasein irgendwann einmal die große Frustration einstellt. Deswegen find ich es recht gut, wenn ich in dieser Arbeit beim Theater Spektakel den Künstlern zuspielen kann. Vielleicht könnte ich eher das tun, als selber kreativ zu sein, selber zu gebären.“