Società | Gewalt an Frauen
Großteil der Verfahren eingestellt
Sie ist 17 Jahre alt. Als sie eines Tages in der Schule von dem Hausmeister im Intimbereich angefasst wird, beweist sie Mut und zeigt den Mann bei der Polizei an. Vor wenigen Tagen entschied das zuständige Gericht in Rom, dass dieser Akt sexueller Belästigung zu wenig lange gedauert habe, um bestraft zu werden, nämlich kürzer als zehn Sekunden.
Das Urteil sorgte in den sozialen Medien für Aufschrei, unter dem Hashtag #10secondi wird die Entscheidung heftig kritisiert. Laut der italienischen Tageszeitung Corriere begründet das Gericht die Entscheidung damit, dass der Übergriff "ungeschickt, aber frei von lüsternen Absichten" war. Die Staatsanwaltschaft hat hingegen eine Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verlangt. "Das war, zumindest für mich, kein Scherz", erklärt die Schülerin gegenüber dem Tagesblatt.
Dass wegen geschlechtsspezifischer Gewalt angezeigte Personen unbestraft bleiben, ist kein Einzelfall. In Österreich wurden von 2019 bis 2021 von 3.872 Anzeigen wegen Vergewaltigung 2.242 Verfahren eingestellt, also knapp 58 Prozent der Fälle. Gerichtsverfahren bei sexuellem Missbrauch gelten in der Rechtsprechung als schwierig. Meist fehlt es an Zeug*innen und es steht damit Aussage gegen Aussage. In Südtirol ergibt sich ein ähnliches Bild der Datenlage.
In den Jahren 2018 bis 2022 wurden bei der Staatsanwaltschaft des Verwaltungsgerichtes Bozen insgesamt 2.864 Fälle abgeschlossen. Davon mussten 66,48 Prozent archiviert werden, die Fälle wurden damit nicht weiter untersucht. In einem Fünftel der Fälle (22,1 %) wurde ein ordentliches Strafverfahren vor dem Gericht eingeleitet, während in den übrigen 11,42 Prozent der Fälle ein alternatives Verfahren beantragt wurde.
Wieso ein Großteil der Strafanzeigen nicht weiter verfolgt wird, habe laut einer Mitarbeiterin des Frauenhausdienstes in Bozen, die anonym bleiben möchte, zwei Gründe: Zum einen fehle es häufig an Beweismitteln, etwa Einweisungen in die Notaufnahme oder Aussagen von Zeug*innen. "Zweitens ziehen Frauen die Anzeigen häufig zurück. Sie haben kein Interesse daran, dass ihr gewalttätiger Partner bestraft wird, sondern es geht ihnen lediglich darum, der Gewalt zu entkommen."
Dabei spielt die Beziehung zwischen Opfer und Täter*in eine wichtige Rolle: "Nicht selten wird die Gewalt von einer Person ausgeübt, der die Frau wohlgesinnt ist, etwa der Partner oder Ehemann. Sie schämen sich und haben Angst, dass ihnen nicht geglaubt wird, oder ihr Partner ins Gefängnis muss. Wenn eine Person lange in einer Gewaltsituation lebt, sinkt ihr Selbstwertgefühl. Es kann auch passieren, dass der ehemalige Partner die Trennung nicht respektiert und beginnt, sie zu stalken."
Sind Personen mit geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert, können sie bei der Polizei Anzeige erstatten. Die Fälle werden der Staatsanwaltschaft weitergeleitet und unter dem sogenannten "Codice Rosso" (Gesetz Nr. 69 / 2019) erfasst, dabei geht es vor allem um häusliche und sexuelle Gewalt sowie Stalking. Auch ärztliche Stellen können auf Verdacht häuslicher Gewalt Anzeige erstatten, bei Verdacht sexueller Gewalt ist diese Möglichkeit nur Betroffenen vorbehalten.
Die Gesetzgebung hat dabei berücksichtigt, dass es sich bei letzterem um intime, traumatische Erfahrungen handelt. Wird die angeklagte Person freigesprochen, kann das Gerichtsverfahren für die Klägerin oder den Kläger weitere traumatische Erfahrungen zur Folge haben.
"Viele Frauen werden von ihrem Partner oder ihrer Familie bedroht und sie trauen sich nicht zur Polizei zu gehen oder ziehen ihre Anzeige zurück", erklärt die Mitarbeiterin des Frauenhauses. Vor allem Familien aus Nordafrika oder Pakistan würden Druck auf die Frauen ausüben. "Hier hat die Herkunftsfamilie eine große Bedeutung, das kommt aber auch in italienischen Familien vor."
Wer mit geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert ist oder von einem Verdachtsfall weiß, kann sich an die Frauenhäuser wenden, die kostenlose Beratung sowie soziale und psychologische Unterstützung und eine vorübergehende Unterkunft in einem sicheren Umfeld bieten. Unter der grünen Nummer sind die Südtiroler Frauenhäuser rund um die Uhr erreichbar. Wer die Frauenhäuser unterstützen und Wohnungen an Frauen mit Gewalterfahrung vermieten möchte, kann sich ebenso an sie wenden.
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Prozesse dieser Art sollten
Prozesse dieser Art sollten wohl eher von Richterinnen abgehandelt werden, statt vor Täter-v e r s t e h e n d e n Richtern.
Dass Anklagen von Gewalt an
Dass Anklagen von Gewalt an Frauen archiviert werden, wirft ein schlechtes Licht auf diese Justiz. Das zuständige Gericht wird dringend ersucht, diese Anklagen wieder aufzunehmen und ehestens zu bearbeiten ! Ein Archivieren dieser Anklagen ermutigt die Gewalttäter unverfroren weiterzumachen.
Das Flirten, früher nannte
Das Flirten, früher nannte man es das „Anbandeln“, wird offenbar immer schwieriger!
Zukünftig ist es besser, wenn man immer eine Stoppuhr bei sich hat, um die im Gerichtsurteil festgelegten ominösen 10 Sekunden nicht zu überschreiten!
Diese ironische Feststellung wäre zum Lachen wenn sie nicht so traurig wäre und auch nachdenklich machen würde.
9 Sekunden sind noch in Ordnung, aber 11 Sekunden sind schon ein Grund für eine Anzeige?
Nein, bereits 1 Sekunde Berührung oder Flirt mit einem/r Betroffenen/er ohne klar erkennbare Bereitschaft derselben ist bereits zu viel und bedarf einer klaren Entschuldigung!
Ganz einfache Benimmregeln beachten, das wär’s schon!
Flirten, Kokettieren, Komplimente und Bewunderung, auch mit einer nicht näher bekannten Person, sind die schönsten Formen in der Kommunikation zwischen Menschen und diese bedürfen keiner Stoppuhr!
Jeder, ob Mann oder Frau, freut sich über ein Kompliment!
Es genügt Hausverstand basierend auf einer in unseren Breitengraden normalen und üblichen Erziehung von Kindesbeinen an!
Bemerkung und Korrektur:
Bemerkung und Korrektur:
Eine „Staatsanwaltschaft des Verwaltungsgerichtes“, wie es im Text direkt nachfolgend dem Titel Codice Rosso 2018-2022 steht, gibt es nicht.
Die Staatsanwaltschaften sind an den Landesgerichten (Tribunali) angesiedelt, die Generalstaatsanwaltschaften an den Oberlandesgerichten (Corti d’appello).