Economia | Landwirtschaft

Grauzone Landwirtschaft

Immer wieder sorgen irreguläre Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft für Schlagzeilen. Doch wie sieht die Situation in Südtirol wirklich aus?
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale del partner e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
Anita Perkmann
Foto: CGIL/AGB
  • Vor ein paar Wochen sorgte sie für Aufregung: Die „Operazione Turione“ der Guardia di Finanza, die 488 irreguläre Arbeitsverhältnisse in sechs verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben aufdeckte. Vier dieser sechs Betriebe haben ihren Sitz in Südtirol. Grund genug also, um sich erstmal zu erschrecken. Denn eigentlich denken wir Südtiroler*innen ja gerne: „So etwas, das gibt es in Italien. Aber doch nicht bei uns!“ Oder?

  • Einzelfälle

    Anita Perkmann ist seit etwa einem Jahr Sekretärin der FLAI/CGIL. Sie beruhigt: „Was die Schwarzarbeit in der Landwirtschaft anbelangt, stehen wir in Südtirol eindeutig besser da als im restlichen Italien. Es gibt sie, aber sie ist sehr selten. Besonders verbreitet ist hingegen die Tatsache, dass Arbeitern nicht alles im Lohnstreifen verrechnet wird. Das heißt, die Arbeiter*innen haben einen regulären Arbeitsvertrag, es werden allerdings nicht alle Stunden gemeldet. Sehr oft wird die Mehrarbeit oder auch ein Teil des Lohnes schwarz gezahlt. Es gibt eine sogenannte Grauzone, die auf italienisch lavoro grigio genannt wird. Es handelt sich hier eindeutig um nicht reguläre Arbeitsverhältnisse, da Steuern und Sozialbeiträge nicht eingezahlt werden. Die Finanzwache hat auch diese zur Anzeige gebracht.“

  • Oder doch nicht?

    Diese Art von irregulären Arbeitsverhältnissen zählen zu den größten Missständen in der Landwirtschaft. Daneben gibt es aber auch noch andere: „Aufgefallen ist uns auch, dass die landwirtschaftlichen Verträge auch in Situationen angewandt werden, wo sie nicht unbedingt notwendig wären. Vermietet ein Bauer auch Unterkünfte oder hat sogar ein Hotel, dann ist es schon vorgekommen, dass die Putzfrau und der Koch einen landwirtschaftlichen Vertrag haben und auf den Hof laufen. Das ist zwar nicht verboten, aber auch nicht korrekt. Wir als Gewerkschaften können wenig dagegen tun. Es liegt einzig allein an den Arbeiter*innen über uns die Lohndifferenz einzufordern“, so Perkmann.

  • Macht und Geld

    In der Landwirtschaft herrscht zudem immer noch ein großes Machtungleichgewicht. „Bei einem landwirtschaftlichen Arbeitsverhältnis hat der Arbeitgeber, also der Bauer, eine große Flexibilität“, erklärt Perkmann. „Er kann den Arbeitnehmer nur ein paar Stunden pro Tag melden oder einen Tag schon den anderen nicht. Dies kann durch das Wetter, die Ernte, oder sonstige Art der Arbeit bedingt sein und hätte seine Berechtigung. Der Arbeitgeber zahlt dementsprechend auch nur die gearbeiteten Stunden bzw. Tage. Dies gibt bei einem „normalen“ Arbeitsverhältnis nicht, der Arbeitgeber zahlt hier immer den Wochenlohn. Egal ob Arbeit ist oder nicht!“

    Und die Arbeiterinnen und Arbeiter? „Für sie ist es ziemlich egal wie sie das Geld bekommen. Wichtig ist, dass sie bezahlt werden. Kein Arbeiter wird einen Bauer anzeigen, weil er ihm Schwarzgeld gibt. Hinzu kommt, dass 90% der Arbeiter in der Landwirtschaft aus dem Ausland stammen, vor allem aus Rumänien. Für sie ist das, was sie in Südtirol verdienen ‚gutes Geld‘. Aber das macht es auch so schwierig, gegen irreguläre Arbeitsverhältnisse vorzugehen.“

    Trotzdem hat sich die Situation in der Landwirtschaft in den letzten Jahren positiv verändert: „Als Gewerkschaft war unsere Kampagne in den letzten Jahren gegen die Schwarzarbeit und die hat Früchte getragen. Schwarzarbeit kommt nur mehr in Ausnahmefällen vor“, reüssiert Anita Perkmann. Außerdem betont sie die Wichtigkeit der ausländischen Arbeitskräfte: „Wir müssen uns bewusst sein, dass es die Landwirtschaft in Südtirol so nicht geben würde, wenn wir keine ausländische Arbeitskräfte hätten. Um es salopp zu sagen: Die Trauben würden nicht gewimmt werden und die Apfel würden nicht gepflückt, sondern auf den Bäumen hängen bleiben!“