Economia | Sanität
Teure Schlankheitskur
Foto: upi
"Es klingt heute wie schon damals im Jahr 2016 wie ein Witz“, sagt Andreas Pöder. Der Landtagsabgeordnete der Bürgerunion fügt dann sarkastisch hinzu: „Der Sanitätsbetrieb hatte vor zwei Jahren mit Zustimmung der Landesregierung einen 850.000 Euro-Auftrag an einen Bozner Unternehmensberater vergeben, um sparsames und kundenorientiertes Denken im Sanitätsbetrieb einzuführen.“
Was wirklich wie eine Fake News klingt, steht in im Beschluss des Südtiroler Sanitätsbetriebes Nr. 228 vom 28. Juni 2016.
In diesem Beschluss mit dem ellenlangen Titel „Zuschlag des Offenen Verfahrens EC 11/2015 für die Vergabe des Auftrages der Schulung, der Moderation und der Supervision als unterstützende Maßnahmen zur Einführung der Lean Thinking Prinzipien sowie der entsprechenden Umsetzbegleitung in verschiedene Dienste, Abteilungen und Ambulatorien des Südtiroler Sanitätsbetriebes“ vergibt der Sanitätsbetrieb einen lukrativen Beratungsauftrag.
Schlankes Management
„Lean Thinking“ könnte man mit dem deutschen Begriffen „Ballast abwerfen“ wohl am besten beschreiben. Das Prinzip lehnt sich an das bekanntere „Lean Management“ an. Es ist die Gesamtheit der Denkprinzipien, Methoden und Verfahrensweisen zur effizienten Gestaltung der gesamten Wertschöpfungskette in der Industrie. Diese Methode ist ab 1950 beim japanischen Automobilhersteller Toyota entstanden. Dabei gelang es den Produktionsprozess schmal zu organisieren und gleichzeitig die Qualität der Produkte zu steigern.
Die drei amerikanischen Wissenschaftler und Autoren James P. Womack, Daniel T. Jones und Daniel Roos vom „Massachusetts Institute of Technology“ (MIT) haben durch ihre Studien und Publikationen das „Lean Management“ zu einer Methode gemacht, die inzwischen weltweit in allen Bereichen eingesetzt wird. Sie haben auch den Begriff des „Lean Thinking“ erfunden.
Auch der Südtiroler Sanitätsbetrieb hat sich dieser Methode des geistigen und verwaltungstechnischen Abspeckens verschrieben. Im Herbst 2015 schreibt man deshalb ein offenes Verfahren „zur Einführung der Lean Thinking Prinzipien sowie deren entsprechenden Umsetzbegleitung“ aus. Zwei Bozner Unternehmen geben ein Angebot ab: die „Business Pool GmbH“ und „Matt & Partner Unternehmensberatung“.
Die technische Kommission des Sanitätsbetriebes kommt bei der Bewertung zum Schluss, dass nur „Matt & Partner“, die Voraussetzungen erfüllen den Auftrag auszuführen. Die Unternehmensberater mit Sitz am Bozner Dominikanerplatz führen in ihrer Dienstleistungspalette seit Jahren auch „Lean Management in der öffentlichen Verwaltung“ an.
Die Unternehmensberater bekommen den Auftrag, der am 1. August 2016 beginnt und bis zum 31. Juli 2019 dauert. Die Bezahlung dafür: 680.800 Euro. Mit Mehrwertsteuer und Sozialbeiträgen werden daraus 857.808 Euro.
Ein Auftrag, der sich durchaus sehen lassen kann.
Der Professor
Interessant dabei dürfte aber auch der Auftragnehmer sein. „Matt & Partner“ wurde 1979 gegründet und ist als Beratungsunternehmen in Südtirol, Italien, Deutschland, Österreich und der Schweiz tätig.
Kopf des Unternehmens ist Dominik Matt. Der Ingenieur und Professor ist vor allem eine akademische Koryphäe. Er ist Autor von über 150 wissenschaftlichen und technischen Beiträgen in Fachzeitschriften und Konferenzen sowie Mitglied in zahlreichen nationalen und internationalen wissenschaftlichen Organisationen und Beiräten.
Dominik Matt ist auch Inhaber des Lehrstuhls für Produktionssysteme und -technologien und zudem Leiter des Forschungsbereichs „Industrial Engineering und Automation (IEA)" an der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik der Freien Universität Bozen. Außerdem leitet Matt das im NOI-Park in Bozen angesiedelte „Forschungsinstitut Fraunhofer Italia“.
Allein diese beiden Jobs würden wahrscheinlich jedem anderem zu viel sein. Doch neben der akademischen Arbeit ist Dominik Matt hauptberuflich auch noch für seine Unternehmen „Matt & Partner“ tätig. Er scheint dort jedenfalls als Erstkontakt auf.
Es dürfte ein mehr als lukrativer Nebenverdienst für den Bozner Uniprofessor und Forscher zu sein. Das macht der 850.000-Euro-Beratungsauftrag des Südtiroler Sanitätsbetriebes deutlich.
Die Anfrage
Andreas Pöder will jetzt in einer Landtagsanfrage wissen, was aus dem 850.000-Euro-Auftrag wurde und wie weit man jetzt zwei Jahre nach der Auftragsvergabe mit sparsamen und kundenorientierten Denken im Sanitätsbetrieb ist.
„Der im September geplante Workshop des Sanitätsbetriebes für die höhere Verwaltungsebene, bei dem es unter anderem um Lean-Thinking und Lean-Management gehen wird, sollte auf unbestimmte Zeit verschoben werden, zumindest bis zur Ernennung und Einarbeitung der neuen Sabes-Führung", fordert Pöder.
Pöders Anfrage wird in der aktuellen Fragestunde des Landtags im September behandelt werden. Pöder will dabei auch wissen, „welche Vorteile für die Patienten und auch für das Sanitätspersonal“ die Lean-Thinking-Prinzipien bringen.
Man darf auf die Antwort gespannt sein.
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Wahnsinn....
Wahnsinn....
Interessant dürfte vor allem die Frage sein, über welche Referenzen und spezifische Expertise dieses Unternehmen im Sanitätsbereich verfügt......
Lean Management im Produktionsbereich angewandt auf Dienstleistungsbereich???
In Südtirol scheint alles möglich zu sein