Società | Kinderbetreuung

Konzept statt Flickwerk

Doris Albenberger von der Allianz für Familie kritisiert den Stillstand in Südtirols Bildungspolitik: „Bildung und Betreuung werden getrennt gedacht.“ Das sei falsch. Sie fordert ein ganzheitliches Konzept, das Familien verlässlich unterstützt.
Konzept statt Flickwerk
Foto: Markus Spiske, Pexels
  • Seit mehr als zehn Jahren tritt die Bildungspolitik in Südtirol auf der Stelle. Zu diesem Schluss kommt die Allianz für Familie, die in ihrer jüngsten Stellungnahme eine ernüchternde Bilanz zieht. Co-Sprecherin Doris Albenberger warnt vor einem „Dornröschenschlaf“, in dem sich das deutschsprachige Bildungssystem befinde. Zwar gebe es Fortschritte bei Gehaltsverhandlungen für Lehrkräfte, doch die entscheidenden Baustellen blieben ungelöst. „Wir haben das Gefühl, dass mehr gegen die Familien gearbeitet wird als für sie“, fasst Albenberger zusammen.

     

    „Statt Fortschritte erleben wir Rückschritte.“

     

    Eltern stünden tagtäglich vor organisatorischen Hürden. Besonders nach den langen Sommerferien sei die Belastung spürbar: „Statt Fortschritte erleben wir Rückschritte. Eltern berichten von Frust und Unmut, und das nicht ohne Grund.“ Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bleibe eine Dauerbaustelle, weil eine klare bildungspolitische Vision fehle.

  • „Probleme werden verschoben, nicht gelöst“

    Doris Albenberger: ist Sprecherin der Allianz für Familie. Foto: Allianz für Familie

    Ankündigungen, Arbeitsgruppen und Gesprächsrunden mit der Politik hätten bislang keinen greifbaren Zukunftsplan hervorgebracht. Im Gegenteil: das Betreuungsangebot am Nachmittag sei geschrumpft und der Freitagnachmittag im Kindergarten gestrichen. „Das ist besonders bitter, weil gerade hier Synergien möglich wären. Statt auszubauen, wird abgebaut“, kritisiert Albenberger. Die Allianz für Familie, die seit Jahren als Interessenvertretung auf Probleme im deutschsprachigen Bildungssystem hinweist, fordert deshalb konkrete Lösungen und ein Umdenken.

    Auch das Eintrittsalter in den Kindergarten wurde geändert: Kinder müssen bis 31. Dezember drei Jahre alt sein, früher galt der 28. Februar. „Damit wurde das Problem der knappen Kitaplätze nicht gelöst, sondern nur verschoben“, so Albenberger. Viele Kinder bleiben länger in den Kitas, was dort zu Engpässen führt. „Wenn die Elternzeit im März endet, gibt es schlicht keinen Platz mehr. Für viele Familien bedeutet das Kündigungen, Arbeitslosigkeit und Rentenlücken.“ Als kurzfristige Entlastung schlägt die Allianz einen zweiten Eintrittstermin im Jänner vor, um Plätze im laufenden Jahr frei zu machen.

     

    „Von Chancengleichheit kann keine Rede sein.“

     

    Auch die Unterschiede zwischen den Gemeinden seien groß. Während manche Orte bis zu zehn Wochen Sommerkindergarten und vielfältige Nachmittagsangebote bereitstellten, gebe es in anderen nur minimale Betreuung. „Das bedeutet: In Südtirol hängt es vom Wohnort ab, ob Eltern arbeiten können oder nicht. Von Chancengleichheit kann keine Rede sein.“

  • „Wenn die Elternzeit im März endet, gibt es schlicht keinen Platz mehr. Für viele Familien bedeutet das Kündigungen, Arbeitslosigkeit und Rentenlücken“, so Doris Albenberger Foto: Pexels - Tatiana Syrikova
  • Bildung und Betreuung zusammen gedacht

    Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat die Allianz für Familie einen umfassenden Forderungskatalog vorgelegt. Hier steht ein ganzheitliches Bildungssystem im Mittelpunkt, welches Kinder im Alter von null bis 14 Jahren begleitet und nicht künstlich zwischen Vormittag (Schule) und Nachmittag (Genossenschaften/Betreuung) trennt. „Das bringt Brüche für die Kinder und Chaos für die Eltern“, sagt Albenberger. 

    Bildungseinrichtungen, Musikschulen, Vereine und Betreuungseinrichtungen sollen enger zusammenarbeiten, um Brüche für Kinder zu vermeiden und Eltern mehr Planungssicherheit zu geben. Darüber hinaus drängt die Allianz auf einen verbindlichen Reformprozess, der klare kurz-, mittel- und langfristige Ziele festlegt.

     

    „Solche Modelle müssten Standard werden.“

     

    Dass Veränderungen möglich sind, zeigen konkrete Beispiele, von denen Albenberger berichtet. Der Kindergarten im NOI-Tech Park in Bozen, wo Kindergärtnerinnen und Betreuerinnen eng zusammenarbeiten, verdeutlicht, dass Synergien funktionieren können, sofern die politischen Rahmenbedingungen stimmen. „Solche Modelle müssten Standard werden“, so Albenberger.

    Auch ein kleines Dorf in Osttirol zeige, wie es gehen kann: Dort haben Schule und Kindergarten gemeinsam ein flexibles Betreuungssystem aufgebaut, wo Eltern über eine App tagesaktuell Nachmittagsbetreuung buchen können.

     

    „Neue Strukturen stoßen anfangs oft auf Skepsis.“

     

    Auch in Südtirol selbst gibt es ermutigende Erfahrungen. Auf dem Ritten etwa hieß es lange, eine Kita sei nicht nötig, weil es genügend Tagesmütter gebe. Erst mit der Eröffnung einer Kita zeigte sich, wie groß die Nachfrage tatsächlich war. Für Albenberger ist das eine klare Botschaft: „Neue Strukturen stoßen anfangs oft auf Skepsis. Aber sobald ein verlässliches Angebot da ist, wird es auch genutzt.“

  • Kindergarten im NOI-Techpark: verdeutlicht, dass wenn Kindergärtnerinnen und Betreuerinnen eng zusammenarbeiten, dass Synergien funktionieren können. Foto: Wud/Noi Techpark
  • Reformprozess statt Scheinbeteiligung

    Die Allianz betont im Forderungskatalog auch, dass es nicht nur um Einzelmaßnahmen gehen dürfe. „Wir brauchen endlich ein systematisches Vorgehen mit klaren kurz-, mittel- und langfristigen Zielen. Es reicht nicht, jedes Jahr ein neues Loch zu stopfen“. Als Negativbeispiel nennt Albenberger die groß angekündigte „Bildungszeit von null bis 14 Jahren“ von Landesrat Philipp Achammer, die nie umgesetzt wurde. „Das war Scheinbeteiligung: Viele Gespräche, keine Ergebnisse“.

     

    „Am Ende bleibt alles beim Alten.“

     

    Echte Mitbestimmung sehe anders aus: Eltern, Schülervertretungen, Lehrpersonen, Betreuungspersonal und Vereine müssten verbindlich gemeinsam Lösungen erarbeiten. Nur so könne ein Zukunftsplan entstehen. „Heute werden Verantwortlichkeiten hin- und hergeschoben. Das führt dazu, dass in einem Bereich etwas verbessert, in einem anderen aber wieder abgebaut wird. Am Ende bleibt alles beim Alten“.

    Gehaltserhöhungen für Lehrpersonen seien zwar wichtig, aber nicht ausreichend. „Wenn Rahmenbedingungen nicht stimmen, macht ein höheres Gehalt den Arbeitsplatz langfristig nicht attraktiver“. Es fehle an Integrationslehrkräften, Ressourcen für Kinder mit besonderen Bedürfnissen und Unterstützungspersonal. „Wir sprechen von inklusiver Schule, aber Lehrkräfte brauchen die Voraussetzungen, um das auch erfüllen zu können“.

     

    „Wir wollen Ergebnisse sehen.“

     

    Für Doris Albenberger ist klar: Südtirol braucht endlich Politikerinnen und Politiker mit Mut und Visionen. „Wir reden seit über zehn Jahren über dieselben Probleme. Wir wollen Ergebnisse sehen. Alles andere ist Flickwerk und das reicht nicht“.