Cultura | Salto-Gespräch

„Charlie Watts mag keine Knödel“

Klemens Riegler, Kopf des Steinegg Live-Festivals über den 20. Geburtstag des Festivals, die Stars in der Pampa, den Blues und die Südtiroler Rockszene.
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Foto: steinegglive

Salto.bz: Herr Riegler, Blues, das sind immer dieselben drei Akkorde. Wie kann man sich 20 Jahre so etwas anhören?

Klemens Riegler: Ach, was. Blues ist vielfältig. Blues wird nie sterben. Diese Musik ist direkt mit dem Menschen verbunden. Sie kommt aus dem Bauch und aus dem Herzen. Blues ist etwas Unveränderbares. Nehmen wir den Pop her. Alle zehn Jahre gibt es eine neue Poprichtung. Aber Blues, auch wenn man ihn erweitert oder weiterentwickelt, im Grunde hat er immer dieselben Wurzeln. Eben die drei Akkorde.

Blues hören ja nur mehr Alte und „Tschöggl“?

Nein, stimmt absolut nicht. Wenn man sich jetzt die Charts anhört und auch junge Künstler in der Sparte Alternativ, dann sind da immer wieder Blueselemente herauszuhören. Auch in der Singer, Songwritersparte ist viel, viel Blues drinnen. Das ist Blues. Nur dürften es die Meisten nicht mehr zu laut sagen..

Weil man Angst hat damit zum alten Eisen gezählt zu werden?

Es stimmt, man hat Angst vor der Wahrnehmung. Kein Singer oder Songwriter will sich als Blueser bezeichnen lassen. Weil es vielleicht ein bisschen uncool ist. Aber am Ende nehmen spielen sie ihn dann doch alle. Der Grund: Blues ist einfach das menschlichste Genre was es in der Musik gibt.

„Kein Singer oder Songwriter will sich als Blueser bezeichnen lassen. Weil es vielleicht ein bisschen uncool ist. Aber am Ende nehmen spielen sie ihn dann doch alle“.

Hätten Sie geglaubt, dass das Steinegg Live Festival bis zum 20. Geburtstag durchhält?

Nein. Das hat niemand gedacht und es war auch nicht vorgesehen. Nach der zwölften oder dreizehnten Ausgabe haben wir gesagt, jetzt ist Schluss. Mich hat erst vor kurzem einer darauf hingewiesen: „Du hast schon vor fünf Jahren gesagt, dass du es lasst“. Das stimmt. Aber nach der 15. Ausgabe des Festivals haben wir gesagt, ok wie machen noch eine. Als wir dann die 16. gemacht haben, war klar, dass wir die 20 voll machen.

Jetzt es soweit: Heuer gibt es die 20. Ausgabe von Steinegg Live.

Und jetzt ist es wirklich soweit. Es kann so schön sein wie es will. Es wird keine 21. Ausgabe mehr geben. Jedenfalls nicht mehr so, wie bisher. Entweder wir lassen es oder wir treten mit einem neuen Konzept an.

Gehen wir zurück zum Start 1996. Am Anfang stand eine Schnapsidee?

Es ist einfach klein gewachsen. In Steinegg gab es schon vorher eine „Friday Blues Night“. Dann gab es den Bluesweltrekord. Daraus ist dann das Festival geworden. Zuerst eintägig, dann zwei Tage, danach drei Tage. Irgendwann waren es fünf Tage. Und seit 15 Jahren geht das Festival acht, neun Tage lang. Gleichzeitig haben wir das Angebot ausgeweitet. Dazu kam die ursprüngliche Volksmusik, das Theater, der Film, das Kabarett und das Fest am Sonntag mit der Musikkapelle und Obkrainermusik zum Tanzen. Etwas für das ganze Dorf.

Johnny Winter: „ Blues wird nie sterben“.

Ihr hattet im Laufe der Jahre wirklich große Weltstars. Die Künstler müssen 20 Kehren in dieses Bergnest hinauffahren und stehen dann vor einen Kulturhaus, das an die frühen siebziger Jahre oder die DDR erinnert. Ist keiner dieser Stars sofort umgekehrt?

(lacht) Nein zum Glück noch nicht. Ich glaube, die meisten Musiker sind einiges gewohnt. Sicher bleibt diese Location vielen in Erinnerung, genau aus diesen von Ihnen genannten Gründen. Zuerst finden sie dieses Steinegg nicht und dann stehen sie eben im Kulturhaus. Aber ich finden den Saal eigentlich nicht hässlich oder ungeeignet. Für mich ist das Ganze ideal für diese Art von Festival. Der Saal ist so wie wir sind: Alt und in den den 70er und 80ern verbleiben. Es passt damit genau zu dem, was wir eigentlich darstellen. Zudem hat der Saal eine Galerie, das heißt es haben viele Leute auf engem Raum Platz.

Wie aber bekommt man solche Stars wie Jefferson Starship, Rolling Stones Drummer Charlie Watts, Supertramp-Gründer Roger Hodgson oder Fusionpapst Joe Zawinul nach Steinegg?

Früher waren es Ideen und Träume, die man hatte und die man dann einfach umzusetzen versuchte. Manchmal gab es persönliche Kontakte, so dass der eine, den anderen kannte, wie etwa bei Joe Zawinul und da ist man dann direkt zum Künstler gekommen. Am Ende landete man dann irgendwann beim Manager. Aber wir hatten bereits den Musiker auf unserer Seite. Damit war alles viel leichter. Vieles war aber auch einfach Zufall. Uns wurden Künstler angeboten und wir haben zugeschlagen.

Steinegg Live hat sich im Laufe der Jahre weit über Südtirol hinaus einen Namen gemacht?

Ab einem gewissen Moment waren jene die bei uns gespielt haben unsere Visitenkarte. Wir haben uns in der Szene und auch bei den Agenturen einen Namen gemacht. Die wusste was wir machen und es war dann einfach leichter, gewisse Künstler zu bekommen: Wir haben Charlie Watts gemacht, bei den Italienern Gianna Nannini oder Edoardo Bennato. Wir hatten viele große Namen. Damit ist dann alles einfacher. Die Künstler und die Agenten sagen, die haben den und den schon gemacht, so schlecht kann das also nicht sein.


Jefferson Starship: „Wir haben uns in der Szene einen Namen gemacht.“

Sie würden heute jeden bekommen?

Jeden? Jeden, der für uns bezahlbar ist. Aber es gibt viele Künstler, die wir uns einfach nicht leisten können. Im Vorstand gibt es zum Beispiel schon seit langem die Idee Zucchero nach Steinegg zu bringen. Entweder als Trio oder mit einer ganz kleinen Band. Aber das ist einfach nicht machbar. Das bleibt ein Traum. Das sind Leute, die spielen für andere Gagen. Zucchero schafft es 18 Mal die Arena di Verona zu füllen, bei Eintrittspreisen zwischen 50 und 100 Euro. Dann kann er nicht in Steinegg für 40 Euro spielen. Damit würde er seinen Marktwert abwerten. Das passt nicht in das Marketingkonzept dieser Stars.

Sie und der Vorstand haben jahrelang finanziell viel riskiert?

Wir haben mehrmals mit privaten Vermögen einiges riskiert. Wobei wir schon vor vielen Jahren eines getan haben: Nach der Gesetzeslage hatte der Präsident unseres Vereins für alles allein die Haftung. Wir haben deshalb vertraglich festgeschrieben, dass der gesamte Vorstand solidarisch haftet, sollte irgend einmal etwas wirklich schief gehen. Damit würden sich die Schulden wenigstens auf acht Leute aufteilen.

Bisher ist alles gut gegangen?

Zum Glück. Ein Jahr ist besser und ein Jahr schlechter gegangen. Wir haben aber nie ein riesiges Loch gemacht. Auch weil uns inzwischen wirklich viele Menschen gutgesinnt sind. Private Sponsoren aber auch die öffentliche Hand. Es gab wirklich viele Menschen, die wenn es knapp war uns wirklich finanziell ordentlich unterstützt haben.


Supertramp-Gründer Roger Hodgson (2008): Zufall und Glück

Erzählen Sie ein paar Anekdoten aus dem Backstage?

Irgendwie sind das alles Künstler und man muss jeden nehmen wie er ist. Was mir wirklich auf die Nerven ging, war die Gianna Nannini. Der Oberwirt, bei dem unsere Künstler immer einquartiert werden, hat ein wunderbares Abendessen vorbereitet, so wie sie es verlangt hat. Mit Fisch und Bündner Fleisch und viel mehr. Was passiert dann: Zum Konzert kommt der Henry Chenot und schleppt die Gianna Nannini nach dem Konzert ins Palace nach Meran ab. Dort hat sie dann auch geschlafen. Der Wirt ist damit auf seinem Essen sitzen geblieben und er hatte sie wirklich „voll“. Am Ende hatten wir dann die Ehre das Abendessen zu verdrücken. Das Ganze war einfach unangenehm. Aber der Großteil der Erinnerungen sind wunderbar. Es gibt Dutzende nette Geschichten.

Henry Chenot hat die Gianna Nannini nach dem Konzert ins Palace nach Meran abgeschleppt. Der Oberwirt ist damit auf seinem Essen sitzen geblieben und er hatte sie wirklich „voll“

Wie sind solche Menschen wie Charlie Watts. Kompliziert?

Charlie Watts ist natürlich ein Megastar. Aber es ist überhaupt nicht kompliziert. Für mich ist er ein echter Gentleman. Wenn er dich kennt und weiß mit wem er es zu tun hat, dann ist er einer der feinsten Menschen, die ich je kennengelernt habe. Er ist zurückhaltend, dankbar für jede Kleinigkeit. Vor allem aber ist er ehrlich. Wir waren mit ihm beim Lärchenwald oben essen. Dabei haben wir ihm natürlich die gesamte Südtiroler Küche ausgebreitet. Von den Schlutzkrapfen über die Knödel bis hin zum Braten. Charlie hat dann ganz ehrlich gesagt, dass ihm die Knödel nicht geschmeckt haben. Für die Schlutzer hingegen war er Feuer uns Flamme. Auch von den Nachspeisen wie dem Strudel war er begeistert. Aber er war ehrlich. Er hat nicht aus Höflichkeit gesagt, jetzt drück ich halt den Knödel hinunter oder sage, super. Nein, er hat offen gesagt, das schmeckt mir nicht. Er war absolut sympathisch und völlig normal. Also ganz anders als ein aufgeblasener Megastar.


Rolling Stone Charlie Watts in Steinegg: „Absolut sympathisch und völlig normal.“

Ihr habt eine bewährten Trick um die Stars zu beeindrucken. Ihr fahrt mit ihnen in die Berge.

Ja, das haben wir oft gemacht. Wenn schönes Wetter ist, dann fahren wir fünf Minuten Richtung Sportplatz hinauf und zeigen den Typen die Dolomiten. Das gehört dazu und das wirkt immer. Beim Charlie Watts war es so, dass es am Tag zuvor geschneit hat, und am Tag danach war ein wolkenloser Himmel. Sie müssen sich vorstellen: Man sieht Rosengarten, Schlern und den ganze Rundblick, alles weiß im Sonnenschein. Das ist für diese Musiker ein Erlebnis, das sie wirklich beeindruckt. Das sind einfach tolle Geschichten.

Sie sind seit über 30 Jahren als Manager, Konzertveranstalter und als technischer Dienstleister tätig, wie würden Sie die Südtiroler Musikszene beschreiben?

Ich würde sagen sie stagniert ein bisschen. Man hat immer wieder gehofft, dass irgend jemand den großen Sprung schafft. Freiwild oder Herbert Pixner haben zwar den Durchbruch geschafft, aber es kommt eigentlich wenig nach. Das liegt auch daran, dass wir Südtirol einfach verwöhnt sind. Wenn man sich die Newcomer aus den USA oder England anschaut, dann sind das Leute sich wirklich den „Culo“ machen. Das heißt sie riskieren, touren ohne Geld durch die Welt, in der Hoffnung entdeckt zu werden. Dieses Risiko geht bei uns fast niemand mehr ein. Derzeit versuchen es die Mainfeld. Aber sonst getraut sich aber fast niemand, sein Leben zu ändern und zu sagen, mit ist es egal, ich setze alles auf die Musik und tingle durch die Welt. Das liegt auch an unserem Lebensstandart und, dass es bei uns andere Möglichkeiten zum Leben und zum Geldverdienen gibt.

„Es getraut sich fast kein junger Südtiroler Musiker, sein Leben zu ändern und zu sagen, mit ist es egal, ich setze alles auf die Musik und tingle durch die Welt. Das liegt auch an unserem Lebensstandart und, dass es bei uns andere Möglichkeiten zum Leben und zum Geldverdienen gibt.“

Seit langer Zeit unterstützt das Land Südtiroler Musiker finanziell. Etwa bei Aufnahmen. Ist eine öffentliche Förderung nicht der Tod der Rockmusik?

Es ist sicher der Tod der Idee des Rock'n'Roll. Denn wenn ich nur etwas tue, wenn ich eine öffentliche Förderung bekomme, dann geht viel verloren. Sicher schreiben wir nicht mehr 1968. Aber das Revoluzzertum des Rock'n'Roll, die Protestseite ist nicht mehr so gegeben. Das liegt sicher auch am Wohlstand in unserem Land.

Sie haben Herbert Pixner erwähnt, auch er war jahrelang Teil von Steinegg Live und eröffnet heuer das Festival.

Er hat uns gern und wir haben ihm gern. Er hat früher für unseren Hoangort das Programm gestaltet. Das heißt die Ensembles ausgesucht und engagiert und er hat das fast allein durchgezogen. Wobei der Herbert damals etwas kompliziert war. Im Sommer war er verschwunden, das Handy hat er nicht abgehoben und Emails hat er nicht gelesen...

Das hat sich bis heute nicht geändert.

(lacht) Ein bisschen besser ist er schon geworden. Er lasst sich vom Büro viele Dinge erledigen und kann sich so auf das Wesentliche konzentrieren. Er kann heute als freier, angesehener und sehr erfolgreicher Künstler dastehen. Das ist das Schönste und ich freue mich für ihn.

Er hat vor allem in Manuel Randi einen kongenialen Partner gefunden?

Ja, sicher. Das ist der Kontrast, den der Herbert schon immer in sich hatte. Es gab immer diese zwei Seelen in Pixners Musik oder auch in der Art, wie er etwas gespielt hat. Mit Manuel Randi ist diese zweite Säule dazugekommen, die sein Projekt noch einmal mehr zu etwas besonderem gemacht hat. Manuel Randi ist einfach ein Ausnahmegitarrist. Er ist ein Genie.

„Es wird keine 21. Ausgabe mehr geben. Jedenfalls nicht mehr so, wie bisher. Entweder wir lassen es oder wir treten mit einem neuen Konzept an.“

Also noch einmal: Ist heuer wirklich Schluss?

In dieser Form sicher. Ich bin einer von acht Vorständen, die entscheiden. Aber ich sage: Fertig. Wir haben ein Problem und das ist meine Schuld. Wir haben dieses fixe Programm. Freitag Blues, Samstag Rock, Donnerstag Fusion und Dienstag sagen wir mehr Pop. Damit aber wird das Korsett unheimlich eng. Es ist einfach irrsinnig schwer, genau für diesen Freitag einen guten Blueser, oder für den Samstag ein Superrockband zu bekommen. Es ist immer wieder passiert, dass wir für wenig Geld einen Megastar für den Donnerstag bekommen hätten. Weil er gerade ein Loch im Konzertplan hatte. Kommt er aber am Freitag kostet er das Vierfache. Wir müssen in ein- und wieder ausfliegen, weil er vielleicht am Samstag ein Konzert in Helsinki hat. Heuer werden drei Künstler eingeflogen, weil sie es sonst nicht schaffen. Das sind riesige Kosten. Wenn wir das etwas anderes organisieren, dann könnte es billiger und besser gehen.

Wie schaut die neue Form aus?

Ich weiß es noch nicht. Aber mein Vorstandsfreud Peppi Schroffenegger hat gemeint: „Warum teilen wir das Ganze nicht einfach auf und sagen Steinegg Live dauert drei Wochen“. Wir müssen ja nicht jeden Tag etwas machen. Reißen wir das Programm auseinander und machen wir einfach die Tage, wann wir die Musiker bekommen. Das Vereinshaus ist ja frei. Diese Idee gefällt mir. Ob wir es dann machen, weiß ich aber nicht.

 

Das Festival-Programm

Do. 20.10. - Herbert Pixner Projekt (ausverkauft !)
Fr. 21.10. - Hoangort
Sa. 22.10. - Kindertheater + Rising Stars & Local Heroes
So. 23.10. - Steinegg Live Fest
Mo. 24.10. - Kinderfilm und 360°-Film im Planetarium - Zusatzvorführung um 21:30
Di. 25.10. - Albert Lee & his US-Band
Mi. 26.10. - Maxi Schafroth (Kabarett)

Do. 27.10. - Stanley Clarke Band

Fr. 28.10. - Dave Kelly Band + Sir Waldo Weathers Band

Sa. 29.10. - The Weights uva.