Was Gatterer verschweigt
Ingemar Gatterer hat viele ehrgeizige Visionen. Das bewies er nicht zuletzt auf einer groß aufgezogenen Tagung im vergangenen Juli. Neben Prestigeprojekten wie der Dolomitenbahn oder dem Revival einer Überetscherbahn gibt es aber eine besondere Priorität auf der To-do-Liste des SAD-Mehrheitsaktionärs: das PPP-Projekt, das er angesichts des Verfalls der Konzessionen für alle öffentlichen Busdienste in Südtirol im kommenden Jahr anstrebt. Bereits am 28. November will der SAD-Chef an der Freien Universität Bozen vorstellen, wie er sich die Private-Public-Partnership zwischen den wichtigsten Playern auf dem heimischen Busmarkt und der öffentlichen Verwaltung vorstellt. Ein Modell, das dem Land hilft, doppelstellige Millionenbeträge zu sparen, wie Gatterer sein Projekt in dieser Woche gegenüber der Südtiroler Tageszeitung anpries. Die ebenfalls diskutierte Inhouse-Vergabe an die SASA würde dagegen rund die Hälfte des klein- und mittelständischen Busgewerbes vom Markt verdrängen, weil in dem Fall laut EU-Recht 70 Prozent der Leistung vom Konzessionär selbst erbracht werden müssten, argumentiert der Transportunternehmer. Ganz zu schweigen vom Schreckgespenst, dass bei einer europaweiten Ausschreibung der Südtiroler Buskonzessionen ohne PPP-Lösungen wie bereits in anderen italienischen Regionen europaweite Marktführer wie die Deutsche Bahn oder auch Trenitalia gewinnen würden. Ein Szenario, das der SAD-Chef entsprechend plakativ ausmalt:
„Wenn der Stadtverkehr in Bozen mit 80 Prozent Italienern der österreichische Postbus oder die Deutsche Bahn gewinnt, ist dies für eine ethnisch sensible Region wie Südtirol gleich provokant wie wenn Busitalia mit dem Logo der italienischen Staatsbahnen jeden Tag im Halbstundentakt beim Geburtshaus von Andreas Hofer im Passeiertal vorbeifährt.“
Zumindest aus dieser Perspektive sieht alles danach auch, als würden die Weichen ganz auf PPP mit Südtirol-Lösung gestellt. Sprich: ein gemeinsames Angebot von SAD, SASA, dem Konsortium der Linienkonzessionäre Libus sowie der Konsortium der Mietwagenunternehmer. Eine solche Gesamtlösung aller Südtiroler Anbieter hatte auch Landeshauptmann Arno Kompatscher eingefordert, nachdem die Idee eines PPP-Modells erstmals publik geworden war. Nach der Weigerung einiger Konzessionäre wie Libus-Präsident Markus Silbernagl eine entsprechende Verpflichtungserklärung gegenüber Gatterer einzugehen, kündigt sich laut Südtiroler Tageszeitung nun ein gemeinsamer PPP-Antrag von SAD und Libus unter Einbindung aller Subkonzessionäre an. „Stimmt nicht“, widerspricht Libus-Präsident Markus Silbernagl. „Uns wurde das PPP-Projekt bis heute nicht vorgestellt und es gab auch keinerlei Gespräche zu diesem Thema.“ Deshalb gäbe es beim Konsortium mit seinen 19 Mitgliedern auch keine klare Positionierung zu Gatterers Projekt: „Wir können nicht sagen, ob wir dafür oder dagegen sind“, sagt Silbernagl. „Denn wir kennen es leider nicht.“
"Gangbarere Alternative"
Weit besser kennt und schätzt man laut Silbernagl bei den Linienkonzessionären dagegen die Alternative zu Gatterers Vorschlag: eine Ausschreibung der Dienste in kleinen Losen. Die sei bei weitem nicht so gefährlich wie sie vom SAD-Chef dargestellt werde, meint Silbernagl. Zumindest sofern Qualitätskriterien ein entsprechendes Gewicht gegeben werde und man die Dienste in einem mehrstufigen Verhandlungsverfahren ausschreibe. Diese auch in Tirol übliche und von der EU vorgesehene Art der Ausschreibung erlaube es der öffentlichen Hand, die Betreiber zu Verhandlungsgesprächen einzuladen, in denen Leistungen und Preis gemeinsam ausgelotet werden. „Auf diesem Weg erhalten auch kleinere Anbieter die Möglichkeit nachzuverhandeln oder ihr Angebot zu verbessern“, sagt Markus Silbernagl.
Doch nicht nur das wird laut dem Libus-Präsidenten von Ingemar Gatterer verschwiegen, um „ein PPP-Projekt als Allheilmittel anzupreisen“. Eine Ausschreibung in kleinen Losen werde mittlerweile auch in Rom favorisiert, um der immer dominanteren Marktstellung der Deutschen-Bahn-Tochter Arriva sowie der Bustochter von Trenitalia Busitalia entgegenzutreten. Derzeit werde in den Kammern ein Gesetzesvorschlag zu den „serzivizi pubblici“ behandelt, der ausdrücklich vorsieht, dass innerhalb von Einzugsgebiete von mindestens 350.000 Einwohnern mehrere Lose vorgesehen werden müssen, um die Anzahl der Wettbewerbsteilnehmer zu fördern. Doch bereits das bestehende Staatsgesetz Nr. 138/2011 erlaube es den einzelnen Provinzen die Modalitäten der Ausschreibung in einem Umfang festzulegen, wie sie es für angebracht hält, argumentiert Busunternehmer Silbernagl. „Das heißt, es gibt keine gesetzliche Norm, die festlegt, dass das Ausschreibungslos mindestens Provinzgröße haben muss.“
Doch gerade das liegt offensichtlich eher im Interesse große Anbieter – ob sie nun internationale oder lokale Marktführer sind. Für die klein- und mittelständischen Busunterunternehmer ist laut Silbernagl dagegen eine Qualitätsausschreibung in kleinen Losen die bevorzugte Variante. „Wenn diese in einem Verhandlungsverfahren abgewickelt wird, hat auch die öffentliche Hand die Chance, das Bestmögliche heraus zu verhandeln“, sagt er. „Deshalb ist diese Variante für uns als Libus der für alle Seiten gangbarste Weg.“