Società | Polemik

Die üblichen Verdächtigen

Ein Skitag für Asylbewerber schreckt die Lega Nord auf: "Ihr habt richtig verstanden, wir bezahlen dafür!" Die Fakten widerlegen die Aussage. Doch die Debatte artet aus.

Sie scheinen es nicht lassen zu können. Zuerst die Aufregung um ein mysteriöses Video, das einen Bewohner des Hotel Alpi beim Dealen mit Drogen zeigen soll, und sich angeblich im Besitz der Lega Nord Bozen befindet, allerdings nie vorgelegt wurde. Dann die Empörung über eine Gruppe Muslime, die anlässlich des Geburtstages ihres Propheten durch Bozen ziehen und von der dortigen Lega des Sympathisantentums mit dem islamistischen Terror verdächtig werden. Und nun ein vermeintlicher Skandal rund um eine Gruppe Asylbewerber, die einen Tag im kleinen Wipptaler Skigebiet Ladurns verbringen, der die Lega im ganzen Land aufschreien lässt. “Ja, ihr habt richtig verstanden, wir Südtiroler spendieren unseren ‘neuen Mitbürgern’ auch einen Kurs im Skifahren – eine jener Sportarten, auf die viele Italiener aufgrund der maßlos überhöhten Kosten verzichten. Für sie ist es aber möglich!” Mit “sie” meint Massimo Bessone die Asylbewerber, die in Wiesen-Pfitsch untergebracht sind und am Samstag zum ersten Mal in ihrem Leben auf den Skiern standen.


Folgenreicher Skitag

Nach dem ereignisreichen Skitag stellt die Skischule Gossensass ein Foto der Gruppe auf ihre Facebook-Seite. Es dauert keine Stunde, bis die Lega Nord und mit ihr weitere dem rechten politischen Spektrum zuzuordnende Parteivertreter auf Foto und Aktion aufmerksam werden. Und sich, ohne Näheres darüber zu wissen, in mittlerweile gewohnter Manier über den Skiausflug  zu entrüsten beginnen. An vorderster Front: der Brixner Lega-Gemeinderat Massimo Bessone. Am Sonntag Vormittag veröffentlicht er einen Blogeintrag mit dem Titel: “Mentre gli Italiani sono sempre più poveri, i migranti frequentano i corsi di sci.” Seine Hauptkritik: Während es unter “uns” zahlreiche Familien gebe, die nicht wissen, wie sie über die Runden kämen, geschweige denn ihren Kindern einen Skikurs finanzieren könnten, würden sich “die” über jeglichen Komfort und einen Tag im Schnee freuen dürfen. Und “wir” würden das auch noch bezahlen.

Sì, avete capito bene, noi Altoatesini ai nostri “nuovi concittadini” offriamo anche il corso di sci, uno degli sport al quale tanti Italiani rinunciano per i costi esorbitanti, per loro si può!
(Massimo Bessone)

Hätte nun aber Bessone, und ein jeder sonstige Skeptiker etwas akribischer nachgefragt, so hätte er erfahren, dass kein Cent öffentlichen Geldes geflossen ist, um den Asylbewerbern den Skitag zu ermöglichen. So wurde etwa die gesamte Skiausrüstung von Privaten zur Verfügung gestellt. Auf Initiative von Mitarbeiterinnen des Flüchtlingsheims, die auch Kontakt zu einer ihnen bekannten Skilehrerin herstellten. Mit deren Hilfe hielten vier Freiwillige, darunter auch Mitarbeiter der Skischule Gossensass, den Ski-Unterricht ab. Ehrenamtlich und in ihrer Freizeit. Skipass wurde keiner benötigt, weil kein Lift benutzt wurde. Soweit die Fakten.

Das Argument, dass sich “Auswärtige” “auf unsere Kosten” im Schnee vergnügten, während zahlreiche Familien im Land sich das nicht leisten können beziehungsweise damit nicht “beglückt” werden, lässt sich somit wohl nicht mehr halten. Auch, weil den Südtiroler Schulkindern Jahr für Jahr die Möglichkeit geboten wird, kostenlos erste Erfahrungen auf der Piste zu sammeln oder an ihrer Technik zu feilen. Im Rahmen von Aktionen wie “Kids Snow Day” oder “Ich habe Spaß, ganz sicher!” wird alles, was für einen Skitag benötigt wird, gratis zur Verfügung gestellt: Ausrüstung, Skipässe, Skilehrer. Organisiert werden die Initiativen unter anderem vom Land Südtirol gemeinsam mit dem Verband der Seilbahnunternehmer und der Landesberufskammer der Skilehrer. Das einzige Problem bei diesen Aktionen: Sie werden kaum genutzt, wie von mehreren Seiten bestätigt wird.

Der Stein des Anstoßes, das Foto, das die Lega aufschreien lässt. Foto: Facebook


Erneut ausgeartet

Doch die Aufklärungsversuche werden wohl zu spät kommen. Inzwischen hat das Foto, mit entsprechenden Spekulationen versehen, bereits virtuell die Runde gemacht. Missgünstige und zum Teil ausfällige Kommentare sind die Folge. Da ist die Rede von “abnormen Begünstigungen”, die den Asylbewerbern zuteil geworden seien, von einem vermuteten “PR-Gag” oder einer “Fotomontage”. Es fallen schwer beleidigende Worte. Eine Userin wünscht sich: “Se almeno una valanga li avesse sepolti……”.

Von den Beleidigungen lassen sich aber zahlreiche Facebook-User nicht einschüchtern und ergreifen das Wort für die Ski-Aktion und die Menschen, die sie ermöglicht haben: “Diese Aktion wird Integration genannt! Immer wird gemeckert, die Flüchtlinge sollen sich integrieren und dann, wenn Integrationsaktionen gestartet werden, wird wieder gemeckert”, schreibt einer. Gleichzeitig werden Bessone und all jene, die in seine Kritik eingestimmt haben, zurecht gewiesen. So wird die Frage aufgeworfen: “Wie arm im Geiste ist ein Land, das solche Politiker hat?” Der Auslöser der wochenendlichen Facebook-Debatte, das Foto, wurde inzwischen von der Seite der Skischule Gossensass entfernt. Der fahle Nachgeschmack aber bleibt.

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Salto User
Sepp.Bacher Lun, 01/18/2016 - 11:28

Ob das Integration ist? Eine einmalige Selbsterfahrung im Schnee mit Ski und Steckn. Es ist ein sehr kleiner Schritt zur Integration: die jungen Afrikaner haben ein bissl erlebt, wie wir uns im Schnee vergnügen und uns die Zeit vertreiben. Sie hatten sicher eine Gaudi dabei, haben Fotos gemacht und in ihre Heimat geschickt. Wichtig ist, dass man den Migranten keine falschen Hoffnungen damit macht.
Grundsätzlich finde ich solche Aktionen - und es gibt viele andere - sehr sympatisch und herzlich. Auf dieser Plattform wurde viel kritisiert und bemängelt in Zusammenhang mit Flüchtlingen. Ich glaube, es ist an der Zeit festzustellen, dass auch vieles gut gelaufen ist, dass sich an den Orten, wo Bewerber um Politisches Asyl untergebracht sind, fast überall tolle Initiativen entstanden sind und sich verschiedenste Menschen um die neuen Mitbewohner kümmern. Ich glaube, man könnte ihnen eine entsprechende Wertschätzung aussprechen, was ich hiermit von meiner Seite tue. Aber vielleicht könnte dieses Thema auch von der Redaktion in irgend einer Form aufgegriffen werden!

Lun, 01/18/2016 - 11:28 Collegamento permanente
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Mensch Ärgerdi… Lun, 01/18/2016 - 12:42

Ich glaube auch, dass jede Aktion die von Privaten und Vereinen gemacht wird in erster Linie Lob kassieren sollte. Das mit der falschen Hoffnung sollte man der Politik und Verwaltung nahelegen, oder zumindest sollte von dieser Seite reiner Wein eingeschenkt werden.

Lun, 01/18/2016 - 12:42 Collegamento permanente
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Michael Bockhorni Mer, 01/20/2016 - 09:09

grenzen diese Halbwahrheiten und Wahrheitsverdrehungen nicht an Verleumdung, Rufschädigung usw. Sind es nicht jene Personen, die immer ganz laut schreien Straffällige, Kriminelle sollen ganz schnell aus "unserer/ihrer" Gesellschaft verschwinden? Und wie halten sie es, wenn sie es selber betrifft? Wie viele rechtskräftig Verurteilte gibt es in dieser Szene (denke da nur an den PEGIDA Gründer und viele andere).

Mer, 01/20/2016 - 09:09 Collegamento permanente