Ambiente | Nitrat-Problem

„GVE-Rechnung ist das Problem“

Der Viehbestand ist zu hoch, sagt die Südtiroler Biologenvereinigung und fordert eine drastisch Wende in der Südtiroler Landwirtschaftspolitik.
Gülle Gsies
Foto: Privat
  • Die Diskussion rund um die Gülle-Ausbringung in den Natura 2000-Gebieten hat letzthin hohe Wellen geschlagen. Nach Äußerungen von Peter Gasser, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Dachverbandes für Natur- und Umwelt, der sowohl in einem Interview mit SALTO als auch RAI Südtirol die Landwirtschaftspolitik bzw. das Förderungssystem infrage stellte, ist nun eine Grundsatzdiskussion rund um den Viehbestand entbrannt. Neben Gasser kritisiert jetzt auch die Vereinigung der Südtiroler Biologen den ihrer Meinung nach zu hohen Viehbestand, daraus resultierend die zu hohen Gülle-Mengen, die auf den Feldern ausgebracht werden. Die Biologen wollen damit Aussagen widersprechen, welche Alberich Hofer, Bergbauernvertreter im Südtiroler Bauernbund, kürzlich im RAI-Mittagsmagazins getätigt hatte. So sagte Hofer unter anderem, dass Gülle ein reines Naturprodukt sei und in Südtirol produziert werde. In seiner Pressemitteilung behauptet der Verband der Biologen, dass rund 60 Prozent der Futtermittel, Heu wie auch Kraftfutter, importiert werden, um den Futterbedarf des hohen Viehbesatzes zu decken. 

  • Norbert Dejori, Vorsitzender der Vereinigung der Südtiroler Biologen: „Peter Gasser, Tierarzt und profunder Kenner der Südtiroler Berglandwirtschaft, hat recht: wir halten auf den verfügbaren Flächen zu viel Vieh.“ Foto: biologen.bz.it

    „Dieses Futter wird eben nicht in Südtirol selbst produziert, sondern wird aus dem Ausland und in Übersee zugekauft und landet schlussendlich als Gülle-Überschuss auf Südtirols Wiesen. Die negativen Folgen eines solchen nicht geschlossenen Kreislaufes für Ökologie und Biodiversität sind bekannt“, so Norbert Dejori, Vorsitzender der Vereinigung der Südtiroler Biologen. Auch der zweiten Aussage Hofers, wonach die Gülle-Menge über die Großvieh-Einheiten (GVE) geregelt werde und wenn sich die Bauern daran halten, sie in Ordnung seien, widerspricht Dejori. „Die Wahrheit ist: Genau diese simple GVE-Berechnung ist das Problem! Die Menge anfallenden Düngers wird hier einfach über die Großvieh-Einheit (GVE) definiert und nicht über die tatsächlich im Stall anfallenden Stickstoff-, Kalium- und Phosphormengen. Und das ist irreführend“, so der Vorsitzende der Biologen-Vereinigung, der erklärt, dass in Südtirol ein Stück GVE im Falle von Rindern lediglich als eine Kuh definiert sei, die mehr als zwei Jahre alt ist. Laut dem Vorsitzenden der Biologenvereinigung produziert eine Kuh (1 GVE) je nach Rasse und Milchleistung aber sehr unterschiedliche Milchmengen und damit auch stark unterschiedliche Stickstoff- bzw. Güllemengen. 

     

    „Die Wahrheit ist: Genau diese simple GVE-Berechnung ist das Problem!“

     

    „Eine Kuh mit einer Milchleistung von 5.000 kg pro Jahr produziert mindestens 85 kg Stickstoff pro Jahr, eine Kuh mit einer Leistung von 15.000 kg pro Jahr hingegen mindestens 135 kg Stickstoff pro Jahr. Multipliziert man diese Stickstoffmengen mit den in Südtirol empfohlenen bzw. erlaubten GVE pro Hektar, dann kann sich jeder ausrechnen, dass die Obergrenze von den zulässigen, auf die Wiesen auszubringenden 170 kg Stickstoffmengen pro Jahr und Hektar, wie von der EU-Wasserrahmenrichtlinie gefordert, allzu oft überschritten wird“, rechnet Dejori vor und erklärt abschließend: „Peter Gasser, Tierarzt und profunder Kenner der Südtiroler Berglandwirtschaft, hat recht: wir halten auf den verfügbaren Flächen zu viel Vieh. Das vom Bauernbund propagierte System, welches unsere Bergbauern zu immer größeren Milchleistungen animiert, wird auf Dauer nicht nachhaltig sein. Neue Ansätze sind daher dringend notwendig.“