Ambiente | Interview

"Mich wundert das Medieninteresse"

Die Bewegungen des Bären, der in Südtirol herumstreift, werden akribisch verfolgt. Laut Landesrat Arnold Schuler eine übertriebene Haltung.
Orso bruno, Trentino
Foto: Robert Balog/pixabay

Salto.bz: Herr Schuler, Sie sind Landesrat für Landwirtschaft und Zivilschutz, haben wir in Südtirol ein Bärenproblem? Wie schätzen Sie die Situation ein?

Arnold Schuler: Im Moment ist die Situation sicherlich überschaubar. Der Bär ist mit einem Sender versehen, wir wissen also ziemlich genau, wo er sich aufhält. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass sich der Bär nur für kurze Zeit in Südtirol aufhalten wird. Das hat die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt: Es sind in der Regel männliche Jungtiere, die Südtirol für einige Zeit durchstreifen, dann aber entweder weiter- oder, wie in den meisten Fällen zurück in den Trentino wandern. Die Bärenweibchen bewegen sich kaum von dort weg, deshalb kehren auch die Männchen in den meisten Fällen recht bald wieder in ihr Ursprungsgebiet zurück.

 

 

Das heißt, die Gefahr, die der Bär für Hof und Tier darstellt, ist überschaubar?

Ja. Überhaupt dann, wenn man die Situation mit Trient vergleicht, wo die Bärenpopulation bei hundert Tieren liegt und nur etwa zehn davon mit Sendern versehen sind. Das ist eine ganz andere Dimension. Natürlich ist es verständlich, dass die Menschen Respekt haben, nachdem im Trentino Personen angegriffen wurden. Dieser Respekt vor den Tieren ist auch richtig. Aber jetzt, da der Bär einen Sender trägt ist, ist die ganze Sache sicherlich überschaubar. Was mich wundert, ist das Medieninteresse, das jeder Bewegung der Tiere nachgeht.

 

Die Bewegungen der Bären alle paar Stunden der Allgemeinheit mitzuteilen wäre kontraproduktiv.

 

Das Medieninteresse ist übertrieben?

Natürlich sind die Tiere nicht ungefährlich. Es gibt Einzeltiere, die dem Menschen gefährlich sein können. Aber: In den allermeisten Fällen ist das nicht so. Das zeigt auch die Erfahrung im Trentino. Es hätte überhaupt keinen Sinn, die Bewegungen des Bären öffentlich zu machen: Während einige aus Angst die Gegend meiden würden, würden andere bewusst die Begegnung mit dem Bären suchen. Es gibt sicherlich viele Menschen, die so ein Tier gerne mal sehen würden! Das geht natürlich nicht. Wichtig ist, dass die Bürgermeister, sollte sich der Bär in ihrer Gemeinde aufhalten, diese Information erhalten. So können sie die Bauern vorwarnen, die die Tiere dann für einige Zeit einzäunen oder im Stall halten; sich eben entsprechend verhalten. Aber die Bewegungen der Bären alle paar Stunden der Allgemeinheit mitzuteilen wäre, davon bin ich überzeugt, kontraproduktiv.

Härteres Eingreifen ist also gar nicht nötig?

Nein, das ist nicht möglich und auch nicht unbedingt notwendig. Ich verstehe die Tierbesitzer und es stimmt, dass wir kein geeignetes Habitat für den Bären haben. Aber: Es handelt sich um streng geschützte Tiere. Es braucht also bestimmte Voraussetzungen, um sie einfangen und verlagern zu können. Da müssten gravierende Dinge vorfallen, die hier – zum Glück – nicht vorgefallen sind.

Und die Bedenken der Bauern?

Ich verstehe ihre Bedenken voll und ganz. Natürlich ist es für die Bauern und Bäuerinnen und vor allem für die Kinder auf dem Hof schwer, wenn ihre Tiere gerissen werden. Es ist ohne Zweifel verständlich, dass sie sich Sorgen machen. Andererseits müssen der gesetzliche Rahmen und die Möglichkeiten, die sich darin bieten, in Betracht gezogen werden.

 

Sie können die Bauern vorwarnen, die die Tiere dann für einige Zeit einzäunen oder im Stall halten; sich eben entsprechend verhalten.

 

Sie geben aber auch eine Entwarnung für die Bauern: Das Problem in Südtirol ist minimal; vor allem, wenn es mit den Nachbarregionen verglichen wird.

Ja; vor allem haben wir jetzt, da der Bär einen Sender trägt, die Möglichkeit, die Bauern so gut wie möglich vorzuwarnen. Dieser Eingriff war richtig und wichtig. So können wir vorbeugen, dass der Bär erst dann bemerkt wird, wenn die Tiere bereits gerissen wurden. Beim Wiederansiedlungsprojekt der Bären im Trentino ging man davon aus, dass sie sich in kürzester Zeit im ganzen Alpenraum verbreiten würden und somit auch bei uns. Das ist nicht eingetreten. Jetzt müssen wir versuchen mit der Situation, wie sie ist, zu leben und nach unseren Möglichkeiten handeln.