Cousin Ismail

Der Meraner Anwalt Thomas Schnitzer hat keine leichte Aufgabe übernommen. Er ist Pflichtverteidiger des am Donnerstag verhafteten Kosovaren Eldin Hodza. Schnitzer meinte Anfang der Woche gegenüber RAI-Südtirol noch, dass es in den Akten zwar Berge von Abhörprotokollen gebe, er auf den ersten Blick aber keine strafbaren Handlungen erkennen könne. Nach seiner Meinung dürften die Haftbefehle deshalb kaum aufrecht zu erhalten sein. Auch sein Mandant sagt, er sei unschuldig. Eldin Hodza bestreitet vor allem in Syrien gewesen zu sein.
Doch im Haftbefehl des römischen Untersuchungsrichters Valerio Savio kommt eine ganze andere Geschichte zu Tage.
Der 36jährige Eldin Hodza wird in Restlica im Kosovo geboren. Seit vielen Jahren lebt Hodzas Familie in Meran, ohne besonders aufzufallen. Im Oktober 2007 wird er von den Meraner Carabinieri wegen Widerstandes gegen eine Amtsperson verhaftet. Im Februar 2008 stimmt er vor dem Landesgericht einem Vergleich zu.
Eldin Hodza läuft den Ermittlern in der Aktion „Jweb“ im wahrsten Sinne des Wortes ins Netz. Am 4. Oktober 2013 kommen drei Personen in die Wohnung des mutmaßlichen Kopfes der Meraner Terrorgruppe, Abdul Rahman Nauroz. Die Antiterroreinheit ROS hat die Wohnung des Irakers in der Katzensteinstraße seit längerem mit Kameras und Wanzen im Visier.
Verdächtiger Eldin Hodza: Noch ohne den klassischen Bart.
Anfänglich dreht sich das Gespräch um Belanglosigkeiten. Als dann aber die zwei anderen Besucher gehen, beginnen Nauroz und Hodza über Syrien und den Islam zu reden. Edlin Hodza, aus einer gläubigen, muslimischen Familie stammend, ist zu diesem Zeitpunkt längst radikalisiert. Der Kosovare spricht offen: Er will unbedingt nach Syrien und dort im Dschihad kämpfen.
Damit haben sich zwei Geistesbrüder getroffen. Abdul Rahman Nauroz und Eldin Hodza schauen sich noch am selben Abend über Internet ein Video an, wie man eine rudimentäre Bombe baut.
In den Monaten darauf beobachten die Ermittler, wie die Verbindung zwischen Nauroz und Hodza immer enger wird. Schnell wird klar, dass es Eldin Hodza mit seinem Wunsch nach Syrien zu gehen ernst meint.
Im November 2013 kommen der in Norwegen wohnhafte Iraker Twana Karim Rahim und der in der Schweiz lebende Miran Karim nach Meran. Zusammen mit Nauroz treffen sie auch Hodza. Beide, ebenfalls Mitglieder der islamischen Gruppe „Rawti Shax“, erklären sich bereit die Finanzierung der Reise Hodzas zu organisieren.
Um die Jahreswende 2013/2014 will der Meraner Islamist seine Reise in den Krieg beginnen. Am 31. Dezember 2013 fahren Abdul Rahman Nauroz und Edlin Hodza gemeinsam zum Mailänder Flughafen Malpensa. Hodza kauft dort ein Flugticket nach Istanbul. Das Geld dafür wird über Western Union von anderen Mitglieder der Zelle am selben Tag überwiesen. 500 Euro kommen von Karim Seddek Kadir aus Finnland und 280 Euro von Najem Akar aus der Schweiz.
Die beiden Meraner Islamisten merken nicht, dass sie auf ihrer Reise von ROS-Beamten beschattet werden. Zudem wird bei der Flughafenkontrolle an Hodzas Gepäck ein GPS-Peilsender angebracht. Damit können die Ermittler die Route des Meraner Dschihadisten genau nachverfolgen.
Der Kosovare fliegt am Abend des 1. Jänner 2014 von Mailand in die Türkei. Er kommt am Abend des Neujahrstages in Istanbul an und beginnt schon am nächsten Tag seine Reise in Richtung syrische Grenze.
Edlin Hodza bedankt sich per SMS bei seinen Gesinnungsgenossen und Förderern für die finanzielle Hilfe. In den offenen Chats schreiben die Mitglieder der Zelle, dass Hodza „nach Hause fliegen musste, um beim Begräbnis seiner Mutter oder seiner Schwester dabei zu sein“.
Am 3. Jänner 2014 verbreitet sich die Nachricht, dass „Cousin Ismail“, so der Deckname für Hodza, in Kurdistan endlich unter „schwarzer Flagge“ sei. Gemeint ist die Fahne der Terrorgruppe Ansar al Islam. Edlin Hodza hält sich vom 12. bis zum 26. Jänner in einem Ausbildungslager der Splittergruppe “Islamic State of Iraq and Sham” (ISIL - Islamischer Staat im Irak und Levante) in Syrien auf. Später erzählt er in Meran, dass er auch an Kampfaktionen teilgenommen habe.
Wie fanatisch der Meraner Kosovare längst ist, zeigt sich am 15. Jänner 2014. Edlin Hodza ruft seinen Vater Sejdija an. Dieser hatte ihn bereits mehrmals zu erreichen versucht. Hodza erklärt ihm, dass man in diesen Gebieten bewusst den Handyempfang blockiere, damit man die Kämpfer nicht lokalisieren könne. Der Vater bittet den Sohn inständig zurückzukommen. Eldin Hodza berichtet ihm, dass er daran noch nicht denke. Dann erzählt er voller Enthusiasmus, dass vor zwei Tagen ein 72Jähriger ins Ausbildungslager gekommen sei. Als der Vater fragt, ob der Alte überhaupt
imstande sei eine Waffe zu tragen, antwortet Hodza:
„Denk nicht daran, ob er dazu imstande ist. Er ist gekommen, weil es der Wille Allahs ist und es ihm Freude macht.“
Die RückkehrMitte Februar 2014 verlässt Eldin Hodza überstürzt das Ausbildungslager in Syrien. Seine Erklärung: Der Scheich habe ihm einen Auftrag erteilt. Am 17. Februar fliegt er von der Türkei in die Schweiz. Dort kommt er bei angeblichen Verwandten unter. Die Ermittler schneiden mit, wie „diese Verwandten“ Hodza instruieren die SIM-Karte aus dem Handy verschwinden zu lassen und alle Daten, Kontakte, Fotos und Videos zu löschen. In der Familie von Hodza geht die Angst um, dass er verhaftet werden könnte.
Am 16. März 2014 kehrt Hodza mit dem Zug von der Schweiz nach Meran zurück. In den Monaten danach erklärt er immer wieder, dass er unbedingt nach Syrien zurück wolle. Gleichzeitig beschreibt er seine Erfahrungen im Ausbildungslager. Laut Aufzeichnungen der Ermittler soll der junge Meraner 1.000 Euro für seinen 45tägigen Einsatz bekommen haben.
Inzwischen drehen sich die Gespräche fast nur mehr um den Dschihad. Am 25. April 2014 schildert Eldin Hodza in der Wohnung von Abdul Rahman Nauroz, wie die Ausbildung und der Einsatz in Syrien verlaufen sind. Dabei machte er mit einer Luftdruckpistole auch vor, wie er in Syrien einen Mann erschossen haben will.
Eldin Hodza plant für den Sommer 2015 seine Abreise nach Syrien. Doch daraus wird nichts.
Seit vergangener Woche sitzt er im Gefängnis.
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