Politica | Wohnungsnot

„Ehemaliger Mittelstand geht leer aus“

Der Bozner Sozialstadtrat Juri Andriollo äußert sich zum Fall der Familie in Don Bosco, die seit Jahren auf eine Wobi-Wohnung wartet. Das Beispiel zeige das Versagen der Politik auf Landesebene.
Don Bosco, Bozen
Foto: SALTO
  • „Das Beispiel zeigt, dass der soziale Wohnbau nicht funktioniert“, erklärt der Bozner Sozialstadtrat Juri Andriollo (PD). Es geht um die sechsköpfige Familie, die seit mehreren Jahren auf engstem Raum im Stadtviertel Don Bosco lebt und auf eine Wobi-Wohnung wartet. Beide Eltern arbeiten Vollzeit, trotzdem kann sich die Familie mit vier Kindern keine größere Wohnung auf dem privaten Wohnmarkt leisten und lebt auf 36 Quadratmetern. Das Institut für sozialen Wohnbau (Wobi) verwaltet in der Landeshauptstadt mehr als 6.000 Wohnungen – wovon Dutzende leerstehen, weil sie saniert werden müssten. 

     

    „Die Bürokratie darf nicht auf Kosten der Gesellschaft gehen.“ 

     

    „Wir müssen das Angebot des Wobis überdenken, um Familien in Notsituationen helfen zu können. Hier gilt es, keine Zeit zu verlieren, ansonsten müssen immer mehr Menschen trotz Arbeit auf der Straße leben“, so Andriollo. Die Wobi-Kriterien bevorteilen derzeit Famililen mit einem niedrigen ISEE-Wert. Wenn in der Erklärung der Einkommens- und Vermögenslage (ISEE) beispielsweise aufscheint, dass nur eines der beiden Elternteile berufstätig ist, dann fällt ihr ISEE-Wert niedriger aus, als wenn beide Elternteile arbeiten. „Damit geht der ehemalige Mittelstand wie die Familie in Don Bosco leer aus“, sagt Andriollo. 

  • Juri Andriollo: „Wir müssen die Zeiten beschleunigen.“ Foto: Seehauserfoto

    Neben einer Überarbeitung der Wobi-Kriterien schlägt der Bozner Sozialstadtrat auch die Zusammenarbeit mit privaten Stiftungen im Bereich Wohnbau vor, wie es in anderen Städten der Fall sei, etwa in Mailand oder München. „Wir müssen die Zeiten beschleunigen und die Bürokratie darf nicht auf Lasten der Gesellschaft gehen.“ Er befürwortet die Idee, auch sanierungsbedürftige Wohnungen des Wobi mit einem geringeren Mietpries zu vergeben. In diesen Fällen müssten die künftigen Mieterinnen und Mieter verpflichtet werden, Handwerker für die Renovierung zu beauftragen. 

    Laut Wobi-Präsidentin Francesca Tosolini sei dieses Vorgehen jedoch nicht umsetzbar: „Eine Wohnung, die für 30 oder 40 Jahre vermietet wird, kann aus Sicherheitsgründen nicht sanierungsbedürftig vergeben werden.“ Das Ressort der Wohnbaulandesrätin Ulli Mair (Freiheitliche) prüft derzeit alternative Modelle für die Vergabe von Sanierungsarbeiten, etwa eine Zusammenarbeit mit Handwerker-Konsortien.