„Toll, was für ein wichtiges Thema“
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SALTO: Herr Pichler, wie verlief die Weltpremiere Ihres Films beim renommierten „International Documentary Film Festival“ (IDFA) in Amsterdam?
Andreas Pichler: Die Premiere war sehr emotional. Erstens, weil sie in einem sehr großen Kino in Amsterdam stattfand – eigentlich ein Theatersaal –, in einem mit 1.200 Leuten komplett ausverkauften Saal. Das Besondere war auch, dass wir acht Protagonistinnen und Protagonisten aus den USA eingeladen hatten, unter anderem die Familie jenes Falls, den wir im Film erzählen.
Was für ein Fall?
Es ist der Fall einer jungen Frau, die von einem Tesla angefahren wurde und gestorben ist. Die Familie hat fast fünf Jahre gegen Tesla prozessiert und im August schließlich gewonnen. Sie war bei der Premiere dabei, ebenso die Rechtsanwälte. Das war sehr bewegend.
Mit investigativem Material über so mächtige Personen zu arbeiten, ist natürlich nicht ungefährlich.
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Zur Person
Der Regisseur und Autor Andreas Pichler, Jahrgang 1967, stammt aus Bozen und zählt zu den renommiertesten Dokumentarfilmern Europas, der sich nicht scheut, heiße Eisen anzufassen. Für seinen Film über Call-Center, „Call me Babylon“, erhielt er 2004 den Adolf-Grimme-Preis. Weitere erfolgreiche Projekte waren: „Der Pfad des Kriegers“, „Die Lithium Revolution“ oder „Das Venedig Prinzip. Nicht zu vergessen die Kinodokus über Milch, Alkohol und die Bären. Andreas Pichler arbeitet in Italien, Deutschland und Österreich und ist seit einigen Jahren auch als Produzent im Dokumentar- und Spielfilmbereich tätig.
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Ausverkaufte Premiere: 1.200 Leute waren zur Premiere des Films „Elon Musk Unveiled - The Tesla Experiment“ gekommen. Foto: PrivatWie war der Ablauf des Premierenabends? Wie war die Stimmung?
Es war eine tolle Stimmung! Alle waren voller Erwartung, die Atmosphäre sehr gut. Es gab großen Applaus für den Mut, diesen Film zu machen, sowie auch Applaus für die Whistleblowerin Cristina Balan, die aus den USA angereist ist. Am Ende der Projektion kam das Team auf die Bühne. Es folgte aber nicht die klassische Gesprächsrunde, sondern im Anschluss kleinere Gesprächskreise mit den Rechtsanwälten sowie mit Cristina Balan und mit Craig Davis, dem ehemaligen Europa-Chef von Tesla, der im Film vorkommt. Christian Beetz, der Produzent, und ich nahmen an einer moderierten Diskussion teil; der Moderator kam von einem großen investigativen Netzwerk. Bei 1.200 Leuten ist es natürlich schwer, mit dem Publikum zu interagieren – es gab ein paar Fragen, aber im Wesentlichen blieb das Gespräch eher auf der Bühne.
Wie war es für Sie persönlich? Wann ist die Idee zu diesem Film überhaupt entstanden?
Die Grundidee hatte ich schon 2017, damals wollte ich eigentlich etwas über Google machen, über Machtkonzentration und Technologieunternehmen. Ich konnte den Film aber damals nicht finanzieren. Dann kam Christian Beetz von der Produktionsfirma Beetz Brothers auf mich zu. Er sagte: Wir wollen unbedingt einen Film über Musk und Tesla machen. Ich war sofort dabei. Sie hatten schon recherchiert und auch erste Kontakte zu Whistleblowern. Ich bin dann für gut ein Jahr in das Projekt eingestiegen und es folgte eine extrem intensive Zeit – Dreharbeiten, vor allem in den USA, intensive Schnittphasen und der enorme Aufwand, den Film rechtlich abzusichern. Mit investigativem Material über so mächtige Personen zu arbeiten, ist natürlich nicht ungefährlich. Ohne die Produktionsfirma hinter uns wäre das nicht möglich gewesen. Als der Film fast fertig geschnitten war, haben vier oder fünf Medienrechtsanwälte jeden Satz umgedreht und darauf geachtet: Kann man das beweisen? Kann man das so sagen? Das war für mich neu. Und wenn man den Film so oft gesehen hat, kann man ihn bei der Premiere fast nicht mehr anschauen. Aber gleichzeitig ist es faszinierend, ihn dann vor so einem Publikum zu zeigen – vor allem bei so einem Festival.
Dieser investigative Film zeichnet Musks kometenhaften Aufstieg und seinen Wandel hin zum Unterstützer Donald Trumps nach, der unternehmerischen Erfolg über Sicherheitsvorschriften stellt.(c) IDFA (International's Documentary Film Festival Amsterdam)Für die Produktion war das sicher auch ein großer Moment, einen Film zu einem so mächtigen Protagonisten zu machen…
Genau. Und ich bin wirklich froh, dass dieser Film entstanden ist. Nur: In den USA wissen wir ehrlich gesagt nicht, wie es weitergeht. Wir versuchen seit Monaten, den Film dort zu verkaufen. Es ist aber extrem schwierig. Alle klopfen uns auf die Schulter und sagen: Toll, was für ein wichtiges Thema – aber niemand wagt es, Geld zu investieren oder den Film zu kaufen. Die Angst vor Konsequenzen ist dort enorm, besonders vor Leuten wie Musk oder Trump, von denen man weiß, dass sie gegen große Medienhäuser vorgehen. In Europa ist das glücklicherweise anders. Hier haben wir ARD und Sky hinter uns. Ein großer Teil der Investition wurde auch von der Produktionsfirma getragen.
Der Film hat viele Ebenen; das alles in eine filmische Choreografie zu bringen, war die eigentliche Arbeit.
Sie sagten vorhin, jeder Satz wurde rechtlich abgewogen. Beschneidet das die Freiheit des Filmemachers?Bei einem so präsenten, investigativen Film ist es natürlich schwierig. Ich habe zwar schon Arbeiten gemacht, die in diese Richtung gehen, aber noch nie so offen gegen den reichsten Mann der Welt. Ihm sozusagen die Zähne zu ziehen – also zu zeigen, wo in seiner Firma Dinge falsch laufen – das war neu für mich. Der Film ist sehr journalistisch, mit vielen Interviews. Die Herausforderung war, daraus trotzdem einen filmischen Bogen zu bauen. Aber natürlich: Das ständige Absichern, das rechtliche Prüfen – das ist eine neue Dimension, und es beeinflusst die Arbeit. Gleichzeitig merke ich aber, dass es genau solche Filme braucht; das Publikum will hinter die Kulissen schauen.
Insofern konnten Sie eine erzählerische Freiheit trotzdem einigermaßen beibehalten…
Die Herausforderung ist weniger die Freiheit als die präzise Argumentation: Wer sagt wann etwas über Autopilot, über die Verantwortung von Tesla und Musk? Das ist alles sehr komplex. Man kann nicht einfach behaupten: „Der hat Fehler gemacht“ – man muss es nachvollziehbar zeigen. Der Film hat viele Ebenen; das alles in eine filmische Choreografie zu bringen, war die eigentliche Arbeit.
Endlich fertig!: „Wenn man den Film so oft gesehen hat, kann man ihn bei der Premiere fast nicht mehr anschauen. Aber gleichzeitig ist es faszinierend, ihn dann vor so einem Publikum zu zeigen – vor allem bei so einem Festival.“ Foto: PrivatDas Filmprojekt „kam“ zu Ihnen, in einem Jahr, in welchem Musk auch politisch aktiv wurde...
Wie bei meinem Film über die Bären damals, wo plötzlich der tragische Tod des Läufers dazu kam, so ist auch hier die Realität während der Produktion explodiert. Musk stieg massiv in die Politik ein, stritt mit Trump, reihte sich in Debatten ein – ständig passierte etwas. Das macht den Film lebendig und nah. Die Kunst ist, trotzdem eine Form zu finden, die länger hält als ein paar Wochen.
Wann wird „Elon Musk Unveiled – The Tesla Experiment“ in Ihrem Herkunftsland Südtirol zu sehen sein?
Ich hoffe sehr, dass er bei den Bozner Filmtagen laufen wird. Wenn nicht, vielleicht schon vorher.
2011 habe ich übrigens schon einmal ein Interview mit Elon Musk geführt
In Südtirol wohnt ein wichtiger Mitarbeiter von Elon Musk, Jonathan Hofeller. Haben Sie ihn getroffen?
Ja, einmal kurz kennengelernt. Aber nicht vertieft gesprochen.
Was halten Sie persönlich von Tesla?
Ich finde grundsätzlich gut, dass man in Richtung Elektrifizierung gegangen ist. 2011 habe ich übrigens schon einmal ein Interview mit Elon Musk geführt – damals für ein Projekt über Lithium. Das war zu Beginn der Elektromobilität. Musk war damals sympathisch, locker, saß auf seinem Tesla Roadster – war ein echter grüner Tech-Prophet.
Wird er sich über den neuen Film vielleicht auch wieder an den damaligen Interviewer Andreas Pichler erinnern?
Das glaube ich nicht. Er hat seitdem unzählige Interviews gegeben. Mit ihm zu sprechen ist heute schwierig. Ich habe es natürlich versucht. Mittlerweile gibt er lange Interviews vor allem rechten Journalisten.
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