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Der Skandal um den 600-Euro-Bonus ist eine SVP interne Schlammschlacht. Jetzt ist klar, dass die INPS-Daten von einem SVP-Arbeitnehmer-Funktionär weitergegeben wurden.
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Foto: upi
Helmuth Renzler weicht nicht aus. „Arnold Schuler hat diesen Vorwurf bereits mehrmals bei Sitzungen vorgebracht“, sagt der SVP-Landtagsabgeordnete, „mir scheint das ist für ihn ein Trauma“.
Die zweite Hauptperson möchte derzeit nicht reden. Gegen Markus A. läuft ein Disziplinarverfahren und es behängt ein Prozess vor dem Arbeitsgericht Bozen. Vor allem aber ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den langjährigen Angestellten des Nationalen Fürsorgeinstitutes INPS. „Man wird die Schuld meines Klienten erst beweisen müssen“, sagt A.’s Anwalt Andreas Stacul zu Salto.bz.
Dabei steht A. im Zentrum eines Politkrimis, der Südtirols Landespolitik vor 17 Monaten nachhaltig erschüttert hat. Einer Affäre, die einen Landeshauptmannstellvertreter zum Rücktritt gezwungen, zwei weitere SVP-Abgeordnete ihre Ämter gekostet und den Chef der größten Oppositionspartei im Land nachhaltig angepatzt hat.
Markus A. ist der Mann, der die Affäre ins Rollen brachte. Über Helmuth Renzler liegt der Verdacht, dass er es war, der die entscheidenden Informationen an einen Journalisten durchgestochen hat. Für beide gilt zumindest bedingt die Unschuldsvermutung.
Inzwischen ist aber eines sonnenklar: Die Affäre ist eine SVP interne Schlammschlacht, die der Sozialflügel der Partei dazu ausnutzen wollte, seinen politischen Einfluss zu steigern und eigene Vertreterinnen und Vertreter in Ämter zu hieven. Es ist eine hausgemachte Intrige unterm Edelweiß zu der das Konrad-Adenauer-Zitat vom „Freund, Feind, Parteifreund“ wie die Faust aufs Auge passt.
 

Der Skandal

 
Anfang August 2020 bricht in Italien der sogenannte „Furbetti-Skandal“ aus. Die italienische Regierung legt als Hilfsmaßnahme eine finanzielle Corona Hilfe für Selbstständige auf, die über das Nationale Fürsorgeinstitut INPS abgewickelt und ausgezahlt wird. Die Kriterien für den 600-Euro-Bonus sind so breit ausgelegt, dass Tausende Anwälte, Unternehmer, Freiberufler um den 600-Euro-Bonus ansuchen und diesen mehrere Monate lang auch bekommen. Südtirols Bauern sacken den Corona-Bonus fast geschlossen ein. Der Bauernbund sucht für die Meisten seiner Mitglieder automatisch an.
Nachdem die Tageszeitung La Repubblica in der ersten Augustwoche aufdeckt, dass unter den Begünstigten fünf Parlamentarier sind und auch tausende Regionalpolitiker den 600-Euro-Bonus bekommen, bricht ein Sturm der öffentlichen Empörung los. Und es taucht die Frage aus: Welcher Südtiroler Politiker ist dabei?
 
 
 
Es ist Tageszeitungs-Chefredakteur Artur Oberhofer, der am 13. August 2020 die Namen von vier Südtiroler Politikern veröffentlicht, die um die 600 Euro angesucht und den Bonus über mehrere Monate hinweg auch bekommen haben. Es sind die drei SVP-Landtagsabgeordneten Arnold Schuler, Helmuth Tauber und Gert Lanz. Sowie der Kopf des Team K, Paul Köllensperger.
Obwohl das Quartett keinerlei Gesetze verletzt hat und der Bonus allen vier Politiker laut den geltenden Bestimmungen genauso zusteht wie Großgrundbesitzern, Unternehmern oder Notaren, bricht ein Tsunami los.
Vor allem innerhalb der SVP. Angestachelt von der Basis fordert man unterm Edelweiß personelle Konsequenzen. Am schwersten trifft es Landeshauptmannstellvertreter Arnold Schuler. Lange sieht es so aus, als müsse er als Landesrat zurücktreten. Am Ende ist es Landeshauptmann Arno Kompatscher, der ein Machtwort spricht. Schuler verliert sein Amt als Landeshauptmann-Stellvertreter und Helmuth Tauber muss als Präsident des dritten Gesetzgebungsausschusses im Landtag zurücktreten. Allein SVP-Fraktionssprecher Gert Lanz wird von Sanktionen verschont, weil er nachweisen kann, dass sein Wirtschaftsberater ohne sein Wissen um den Bonus angesucht hat.
 

INPS interne Suche

 
Auffallend ist von Anfang an eines: Nirgends in Italien kamen Namen oder Daten von Lokalpolitikern heraus. Aber die Tageszeitung hatte nicht nur die Namen, sondern auch alle genauen Daten der Gesucheinreichung und der Auszahlungen der Beträge veröffentlicht. Im Artikel wird die Spur zwar bewusst, zu einer „absolut seriösen Quelle in Rom“ gelegt, doch schnell wird klar, dass die Daten aus dem Südtiroler INPS-Sitz stammen. Denn der Bonus wird verwaltungsmäßig regional abgewickelt.
Es ist die INPS selbst, die intern dieser Spur nachgeht. Weil allen Datenabfragen automatisch erfasst werden, machte man relativ schnell eine Handvoll Bedienstete ausfindig, die Daten von Südtiroler Corona-Bonus Nutznießern eingesehen hatten. Bei den meisten stimmte aber entweder das Datum mit der Tageszeitungs-Veröffentlichung nicht überein oder sie hatten eine einleuchtende Erklärung.
 
 
 
So hatte eine Bedienstete beim SVP-Landtagsabgeordneten Franz Locher nachgeschaut. Locher hatte innerhalb der SVP-Parteileitung für Erheiterung gesorgt, weil er erklärte, er glaube, dass er um den Bonus ansuchen wollte, am Ende aber den falschen Knopf am Computer gedrückt habe, so dass sein Ansuchen nicht verschickt wurde. Die Beamtin erklärte, dass Franz Locher sie ersuchte hatte, nachzusehen, ob er um den Bonus angesucht hatte oder nicht. Der Sarner SVP-Politiker bestätigte diese Version.
 

Der Maulwurf

 
Nur bei einem Mitarbeiter stimmte alles.
Der langjährige INPS-Beamte Markus A. der vorwiegend am Meraner Außensitz arbeitet, hatte unmittelbar vor der Veröffentlichung durch die Tageszeitung die Daten genau dieser vier Politiker abgefragt. Vor allem aber konnte A. keinen plausiblen Grund dafür vorlegen.
Deshalb leitet die INPS gegen A. ein Disziplinarverfahren ein. Weil die Beweislage eindeutig ist, endete dieses Verfahren mit einer Suspendierung. Dagegen legte A. vor dem Bozner Arbeitsgericht Rekurs ein. Das Verfahren ist noch anhängig. „Er hat zugegeben, dass er die Daten angeschaut hat“, sagt A.’s Anwalt Andreas Stacul, „es gibt aber keinen Beweis, dass er die Namen und Daten auch weitergegeben hat“.
 
 
Weil eine illegale Datenabfrage aber ein Strafbestand ist, meldete die INPS diesen Vorfall auch an die Staatsanwaltschaft Bozen. Dort wurde ein Ermittlungsverfahren gegen A. eingeleitet. Das Verfahren wurde inzwischen an die Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft Trient übergeben. Sie ist gesetzlich für illegale Datenabfragen in der gesamten Region zuständig.
Die Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft Trient ermittelt in diesem Fall.
Nach Informationen von Salto.bz beantragten die Ermittler auch eine Überprüfung der Metadaten der Telefonverbindungen von A. im besagten Zeitraum. Dabei könnte es zu einer unliebsamen Überraschung kommen.


Der SVP-Arbeitnehmer

 
Der Akademiker Markus A. engagiert sich seit vielen Jahren in jener Partei, der auch die drei Politiker angehören, die durch die INPS-Daten (fast) abgeschossen wurden. A. gehört dem Arbeitnehmerflügel in der SVP an. Er saß lange im Meraner Bezirkssozialausschuss und kandidierte bei den Gemeinderatswahlen 2020 in Meran auf der SVP-Liste.
Der Meraner SVP-Arbeitnehmerchef und Stadtrat Stefan Frötscher stellte A. im September 2020 in einem Video mit folgenden Worten vor:
 
„Der Markus A. ist für mich einer der Urgesteine. Er hat einen sehr guten Draht zu unserem Landtagsabgeordneten Renzler. Er hat ihm auch seinerseits beim Wahlkampf geholfen und bringt damit eine Erfahrung mit, die einigen Jungen noch fehlt.“
 
Helmuth Renzler arbeitete vor seiner Wahl in den Landtag 35 Jahre lang bei der INPS. Renzler bestätigt gegenüber Salto.bz seine Freundschaft zu Markus A. „Er hat mir vor allem im Wahlkampf 2013 geholfen“.
 
 
 
Der SVP-Landtagsabgeordnete kennt den Verdacht, der in seiner Partei inzwischen offen ausgesprochen wird: Markus A. hätte die Informationen Renzler gegeben und diese hätte sie den Medien weitergeleitet. „Stimmt nicht“, sagt er zu Salto.bz.
Die drei von der Affäre betroffenen SVP-Landtagsabgeordneten haben mehrmals SVP-Obmann Philipp Achammer um die Klärung dieser Hintergründe und um eine Aussprache mit Markus A. und Helmuth Renzler ersucht. Weil das Ersuchen bei der Parteispitze aber bisher auf taube Ohren stieß, haben Arnold Schuler, Gert Lanz und Helmuth Tauber vor einigen Wochen Renzler in Aussprache zur Rede gestellt. Ohne Ergebnis.
 

Eine politische Intrige?

 
Vor diesem Hintergrund hat sich aber eine beunruhigende Interpretation der Ereignisse innerhalb der SVP breitgemacht.
Es fällt auf, dass die drei von den Bonus-Enthüllungen betroffenen SVP-Abgeordneten alle dem Wirtschaftsflügel angehören. Und es fällt auf, dass die direkten Nutznießer dieser Affäre Arbeitnehmer-Abgeordnete sind.
Waltraud Deeg rückte nach der Amtsenthebung Arnold Schuler überraschend zur Landeshauptmannstellvertreterin auf und Helmuth Renzler übernahm die Präsidentschaft des dritten Gesetzgebungsausschusses. Demnach sollte der Beschuss aus den eigenen Reihen das politische Gleichgewicht zugunsten des SVP-Sozialflügels verschieben.
So ein Blödsinn“, reagiert Helmuth Renzler auf diese Lesart. „Ich habe durch dieses Amt nur mehr Arbeit und bekomme keinen Cent dazu“, sagt der SVP-Arbeitnehmer. Helmuth Renzler ist Präsidialsekretär im Landtag und bekommt deshalb bereits eine Zulage, die nicht mit jener eines Ausschussvorsitzenden kumulierbar ist.
Dabei könnte der eigentliche Plan nur „halb“ aufgegangen sein. Denn lange Zeit schaute es so aus, dass Arnold Schuler aus der Landesregierung zurücktreten müsse. Das war die Gangart, die auch von SVP-Obmann Philipp Achammer und seinem Stellvertreter Karl Zeller damals gefordert wurde.
Dann wäre Sepp Noggler in die Landesregierung aufgerückt und damit das Amt des Landtagspräsidenten freigeworden. Die Anwärter: Helmuth Renzler oder Magdalena Amhof.
Beide SVP-Arbeitnehmer.