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„Viel mehr Poesie!"

Nach dem Debüt-Album „Käpt’n Lost“ ist Corinne Amrand alias Eva Kuen erneut musikalisch unterwegs. Mit alten und neuen Songs und gemäß dem vagen Motto: So ungefähr.
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Foto: Corinne Amrand

Sie gehen wieder auf Tour, als Corinne Amrand – mit ihrem Album Käpt`n Lost aus dem Jahr 2020 und neuen Songs. Wann stechen Sie in See? 

Eva Kuen: Dieses mal stechen wir nicht in See, sondern schauen mal ob Land in Sicht ist. Die Zeiten bleiben ja stürmisch, aber gemeinsam mit der Band und dem Publikum einen Abend lang mit Musik und Poesie auf einer Welle surfen ist schön. Wir machen nicht oft Konzerte, darum ist das für uns immer was Besonderes. Noch dazu ist es dieses Mal eine kleine Tour. Am Samstag 21. Jänner geht es in der Dekadenz in Brixen los. In der darauffolgenden Woche geht es weiter ins Theater in der Altstadt Meran, in die Basis nach Schlanders und zum Abschluss in die Carambolage nach Bozen. 
 


Sie treiben musikalisch auf hoher See. Manchmal fischen Sie melancholisch im Chanson-Teich, tauchen in der einen Stilrichtung unter und in fremden Gewässern wieder auf. Wo schwimmen Sie am liebsten? 

Ich hab schon einen Hang zur Melancholie, schau auch gerne mal an den schattigen Orten vorbei. Ich schreibe das, was mich beschäftigt und das ist in Zeiten wie diesen nicht immer nur heiter bis sonnig. Aber es ist für mich immer eine hoffnungsvolle Auseinandersetzung, eine mit Perspektive. Und zum Glück ist Simon Gamper ein unglaublich großartiger musikalischer Seenotretter, der auch die melancholischsten Songs vor dem Untergang bewahrt. Seine Arrangements geben den Songs immer eine ganz eigene Art von Leuchten, finde ich. Ich beschreibe meistens Bilder in meinen Texten und die Musik ist der Soundtrack dazu. Aber ich brauche auch das Wildere, Ungestüme, Rockige. Corinne darf beides, das ist schön.
 

Poesie kostet nichts und kann überall sein. Poesie ist eine Art und Weise in die Welt zu schauen. Alles wird bunter, menschlicher, zarter und wilder...


Wann schwimmt Corinne Amrand gegen den Strom? 

Ich glaub wir schwimmen insofern gegen den Strom, als dass wir einfach das machen, was uns gefällt, ohne daran zu denken, ob ein Song jetzt radiotauglich ist oder nicht. Wir singen und spielen Bilder, Geschichten die uns bewegen, uns Freude machen. Wenn wir damit etwas in den Zuhörern auslösen, freuen wir uns natürlich sehr, klar – aber wir verfolgen keine Strategie.  

Mit "Käpt`n Lost" servierte Corinne Amrand eine stürmische Seite, in mitunter stürmischen Zeiten. Sind poetische Songs eine gute Medizin für den Alltag? 

Oh ja, ich glaube, es bräuchte viel mehr Poesie! Genauso, wie eigentlich jeder Mensch einen Garten bräuchte und einen kleinen Strand vor dem Haus. Das kann sich jedoch kaum wer leisten. Aber Poesie kostet nichts und kann überall sein. Poesie ist eine Art und Weise in die Welt zu schauen. Alles wird bunter, menschlicher, zarter und wilder dadurch. 
 

Eigentlich hab ich eher das Gefühl, auf dem Festland angekommen zu sein. Mit Blick aufs Meer natürlich. 


Rockig und schwungvolle Töne schlug Corinne Amrand bereits auf "Käpt`n Lost" an. Die neuen Titel sind einerseits noch ruhiger, andererseits noch rasanter. Haben Sie bewusst den „Kurs“ verlassen und treiben lieber auf hoher See? 

Ich glaub gar nicht, dass ich den Kurs verlassen hab, aber wenn man unterwegs ist, dann ändert sich die Landschaft, das ist nun mal so. Eigentlich hab ich eher das Gefühl, auf dem Festland angekommen zu sein. Mit Blick aufs Meer natürlich. 

Woran denken Sie beim Songschreiben zuerst, Text oder Melodie? 

Die meisten Songs entstehen aus einer blitzschnellen Idee. Da ist ein Satz und eine Melodielinie, die in meinem Kopf rumschwirrt. Oft springt mich eine Zeile an, manchmal im Auto während die Welt draußen vorbeizieht. Dann nehme ich das ganz schnell mit dem Handy auf und kann es daheim in Ruhe ordnen. 

Sie singen nicht nur in einer Sprache. Wie seit dem Spielfilm Joe der Film bekannt, beherrschen sie sogar einwandfrei das sogenannte "Bozner Deutsch". Haben Sie noch nie daran gedacht, sich in dieser Sprachfärbung musikalisch auszudrücken? Das wäre Neuland...

Naja, ein Song in breitem Bozner Deutsch wie ich es in Joe der Film als Sabini spreche, würde wohl der Poesie ziemlich schnell den Hals umdrehen. Jedoch Songs in echtem Dialekt find ich sehr schön, wenn der Dialekt nicht der Verständlichkeit wegen weichgezeichnet wird. Aber ich muss ehrlich sagen, dass ich persönlich mich am liebsten auf Hochdeutsch ausdrücke. Vielleicht weil ich vom Theater komme. Ich lebe beruflich in dieser Sprache, auf der Bühne fühlt sich Dialekt für mich fast seltsam an. Ja, vielleicht ist der Dialekt sehr die private Eva, die gibt’s eben nur privat. Das französische ist mir ebenfalls eine emotional sehr nahe Sprache. Ich hab länger in Frankreich gelebt, eine meiner besten Freundinnen ist Französin. Das alles verbindet mich mit dieser Sprache. Und Englisch mag ich einfach sehr und eignet sich für manche Songs gut. Aber wer weiß, vielleicht springt mir morgen schon ein Refrain im Dialekt auf die Schulter. Jedes Neuland lockt.