Sauna
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Società | fritto misto

Gut Schwitz!

In der Sauna leise vor sich hintranspirieren, das war einmal. Jetzt muss dort Rambazamba sein – leider.

In Wochen wie der vergangenen wünsche ich mir ja immer wieder die Außerirdischen herbei. Hoffe, dass sie in ihrem glänzenden Raumschiff herandüsen, um uns SüdtirolerInnen von so mancher Plage zu befreien. Vom unsäglichen Bonazza-Typen, zum Beispiel, dem ich hier jetzt gar nicht mehr Aufmerksamkeit schenken möchte, weil er sonst womöglich noch auf die Idee kommen könnte, er sei irgendwie relevant. Vom Knoll Sven, eventuell, der letzthin mit der Äußerung auffiel, Frauen kämen nur deshalb nicht in Gemeindekommissionen, weil „sie daraus eine grün-alternative Yoga-Gruppe machen wollen“. Einigermaßen gewagt, grüne Frauen als Eso-Spinnerinnen abzutun, wenn man selbst der ultimativen Halluzination anhängt, nämlich der vom – *losprust*, Pardon – Doppelpass. Nein, wirklich. Dass der gute Sven immer noch an dieses Märchen glaubt, da steckt schon mehr Naivität und Weltfremdheit drin als in einem ganzen Ashram voll Räucherstäbchen schwingender Öko-Frauen, die den Sonnengruß durchturnen.

Jedenfalls wären die Außerirdischen und ihre Kidnap-Absichten immer mal wieder willkommen, aber dann wird mir klar, dass sie recht schnell wieder einen Abflug machen würden, bekämen sie etwa das Online-Forum von UnserTirol24 zu Gesicht, oder hörten sie die hochkomplexen Gedankenexperimente von „So segn holt mir’s“. Die verdienen es gar nicht anders, diese SüdtirolerInnen, zu diesem Schluss kämen sie wohl, und würden uns sowohl den Bonazza als auch den Knoll hierlassen. Damit nicht genug, weiß ich seit diesem Winter von einem weiteren Phänomen, das die Aliens verstört wieder abflitzen lassen würde. Gut, vielleicht bin ich die Weltfremde, die mit dem Lauf der Zeit nicht mehr mithalten kann, die neuen Erscheinungen so schockstarr begegnet wie meine Oma selig, als statt des gewünschten Musikantenstadls Scooters „How much is the fish“ auf ihrem Fernseher erschien. Vielleicht bin ich einfach nicht reif für zivilisatorische Neuerungen wie jener, der ich vor einigen Monaten beiwohnen durfte: Sie hat mich nachhaltig beeindruckt. Sequenzen davon suchen mich auch heute noch unvermittelt heim, and not in a good way, leider. Trauma, dein Name sei Event-Sauna.

Warum dann nicht auch eine Event-Toilette? Ist es uns schlichtweg nicht mehr zuzumuten, eine Viertelstunde irgendwo zu sitzen und einfach nur zu SEIN, ohne bespaßt zu werden?

Vorausgeschickt, ich bin kein Saunaprofi. Ich gehe winters zwei oder drei Mal in die Sauna, und war bislang immer so naiv (Grüße an Sven!) zu denken, ja, man sitzt halt dort und schwitzt eine Viertelstunde schweigend vor sich hin. In Stille. Höchstens unterbrochen vom Ächzen des Nebenmenschen, wenn’s gar zu heiß wird, oder von den Saunameister*innen, die erklären, welche Essenz sie jetzt gleich auf den Grill hauen oder, schlimmstenfalls, die Saunierenden mit auf eine gesäuselte Traumreise nehmen. Die Aufgüsse nannten sich „Waldspaziergang“ oder „Meeresbrise“, und damit war die Abenteuerlichkeit des Ganzen auch schon ausgeschöpft. Umso mehr erstaunte es mich, als ich in einem bekannten Südtiroler Hotel einen Aufguss entdeckte, der nach einem Hollywoodfilm benannt war, einem Actionkracher. Interessant, dachte ich. Denen fällt wohl nichts mehr ein. Ich hatte, wieder einmal, keine Ahnung.

 

Der Aufguss war begehrt, schon zehn Minuten vor Beginn standen die halbnackten Gäste im Schnee vor der Saunahütte und begehrten Einlass. Eine seltsame Spannung lag in der Luft, da die vorwiegend bundesdeutschen, nur notdürftig verhüllten Aufguss-Fans gern gedrängelt hätten, dies aber aufgrund des dann unvermeidlichen Kontakts mit sehr viel nackter Haut nicht wagten. „Me too“ und so. Endlich eingelassen, war zunächst alles wie immer. Die Routiniers besetzten die besten Plätze und machten die Beine breit, die weniger Glücklichen setzten sich brav nebeneinander. Die Bude war voll. Dann nahm der Wahnsinn seinen Lauf. Statt atmosphärischen Klängen dröhnte plötzlich Rockmusik aus den Lautsprechern (Kiss?), es hätte mich von den Brettern geworfen, wäre ich nicht ohnehin von Körpern eingekastelt gewesen. Dann betraten Saunameister und -meisterin, Gladiatoren gleich, in zirkusartigen Aufzügen und unter dem Einsatz von Lichteffekten, den Raum. „Yeah!“, rief der Saunameister. „Yeah!“ antwortete das nackige Publikum, das im Gegensatz zu mir überhaupt nichts Seltsames daran zu finden schien. Die eine Hälfte der Gäste guckte sogar eher gelangweilt, während die andere Hälfte abging wie eine Rakete, im Takt zur Musik klatschte, mit den Füßen stampfte und grunzende Laute der Zustimmung von sich gab. Ich fühlte mich, als wäre ich Teil eines Tableau vivant von Hieronymus Bosch, Arbeitstitel: High life in der Hölle. (An dieser Stelle eine dringende Bitte an die Designer von Saunahüten: Bitte, entwerft doch mal etwas Würdevolleres als diese Filzkappen, die ihre TrägerInnen so aussehen lassen, als seien sie perverse Waldwichtel. Danke!)

„Yeah!“, rief der Saunameister. „Yeah!“ antwortete das nackige Publikum, das im Gegensatz zu mir überhaupt nichts Seltsames daran zu finden schien.

Nun wurde mir schnell klar, woher der Titel des Aufgusses rührte: Die Saunameister spielten jetzt nämlich mit vollem Körpereinsatz Szenen aus besagtem Actionfilm nach, warfen imaginäre Handgranaten, schossen mit Spielzeugpistolen auf einander, warfen sich in angedeuteten Stunts hinter den Aufgussofen und klatschten immer wieder mit lautem Zischen Schneebälle auf die heißen Steine. Ich wusste nicht, wohin mit mir, aber dieses Problem wurde mir aufgrund der Platzknappheit ohnehin abgenommen. Nach einer angedeuteten Liebesszene, die vom nackigen und naturgemäß heftig schwitzenden Publikum ebenfalls lautstark begrüßt wurde, der Höhepunkt der Vorstellung: Der Saunameister erging sich in einer Handtuchwedel-Performance, die sämtliche Gesetze der Physik außer Acht ließ, er wedelte, zwei, drei, vier Handtücher gleichzeitig, obwohl er doch nur zwei Arme hatte (oder schwanden mir schon die Sinne), er wedelte im Stehen, im Drehen, im Knien und in der Brücke, er wedelte, als wedle er um sein Leben, und ich verstehe bis heute nicht, wieso er nicht schlussendlich wie ein Party-Helikopter abgehoben hat; es wäre durchaus möglich gewesen. Die Menge, immer noch nackt, immer noch heftigst ausdünstend, johlte begeistert. Ich war fertig mit der Welt. Warum, fragte ich mich. WA-RUM?
Wenig später, auf der Toilette, ergriff mich die Angst, plötzlich könne sich ein kostümierter Mann vor mir aus dem Nichts abseilen und mir die Zeit auf der Kloschüssel mit einer pfiffigen Stepptanz-Einlage verkürzen. Nichts schien mir mehr unmöglich. Wenn es bereits Events in der Sauna gab, warum dann nicht auch eine Event-Toilette? Ist es uns schlichtweg nicht mehr zuzumuten, eine Viertelstunde irgendwo zu sitzen und einfach nur zu SEIN, ohne bespaßt zu werden? Die Antwort konnte ich mir selbst geben, ich brauchte nur in die Ruheräume zu schauen, wo geschäftig die Smartphone-Displays aufleuchteten. In die Sauna konnte man die Dinger ja nicht mitnehmen, also bitte Rambazamba, sonst gehen wir vor Langeweile noch ein.

Ein paar Wochen traute ich mich wieder in eine Sauna; man soll ja gleich wieder aufs Pferd steigen, wenn man mal runterfällt. Wohlweislich suchte ich mir eine kleine, wenig glamouröse aus, in der frommen Hoffnung, dort unbehelligt zu bleiben vom Cirque du Soleil und sonstigem Showprogramm. Es sah gut aus – bis ich die Augen schloss, und mir plötzlich Ed Sheeran in die Ohren raunzte, dass er ein süßes Girl gefunden habe. Ich mag Sheeran nicht, noch weniger mag ich ihn in der Sauna treffen, aber es wurde noch schlimmer, als ich die Augen öffnete, und feststellen musste, dass der Saunameister krampfhaft versuchte, einen leichtfüßigen Handtuchwedel-Tanz zum Sheeranschen Geplärr aufzuführen. „Dio, des isch gor net so leicht do in Rhythmus zu holten“, hörte ich ihn nachher zu einem Kollegen klagen, und ich wollte ihn in den Arm nehmen und sagen: „Schschsch, ganz ruhig, das braucht es alles nicht, wedel einfach dein Handtuch und gut ist’s.“ Aber dann hätten die Außerirdischen wohl mich mitgenommen.  

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ceteris paribus Gio, 02/20/2020 - 08:22

Als passionierter Saunierer stimme ich vollends zu.

Bis vor wenigen Monaten war ein mindestens ein Aufguss pro Tag im Wellness Tempel meiner Wahl immer puristisch ohne Musikberieselung und Lichtershow. Das geht nun nimmer mehr. 100% muss es schon sein.

Frei nach: R. Messner: "Die Leute leben im Chaos und suchen das Chaos, weil sie's gewohnt sind"

Gio, 02/20/2020 - 08:22 Collegamento permanente